Mit Ellie aus "The Last of Us 2" gibt es bald eine starke Heldin in Videospielen. Das war nicht immer so.

Foto: Naughty Dog

Helden in Computerspielen hatten lange Zeit eines gemeinsam: Sie waren allesamt männlich. Weibliche Spielfiguren waren unterrepräsentiert und übersexualisiert. Den Wandel von Heldinnen kann man wohl am besten an Lara Croft beobachten. Die Protagonistin der Tomb Raider-Serie trat erstmals 1996 in Erscheinung – damals noch als vollbusige Heldin in ultraknappem Outfit. Im jüngsten Auftritt von Lara Croft im Jahr 2018 ist die Protagonistin nun ihren waghalsigen Unternehmen entsprechend gekleidet.

Cussan

Magazine-Abos und Wettbewerbe als Auslöser

Über die Jahre haben Hersteller auch mehr und mehr angefangen, weibliche Spielfiguren als Option anzubieten. Dies war nicht immer so, sondern vielmehr ein echtes Unikat. Viel zu lange hielt sich in diesem Zusammenhang der Stereotyp, dass nur junge Männer spielen. Laut der Spieleentwicklerin, Journalistin und Forscherin Nina Kiel ist dies auf Magazin-Abos und Wettbewerbe Mitte der 1980er-Jahre zurückzuführen. Damals traten vor allem (junge) Männer in Erscheinung, was dafür sorgte, dass sich diese lange als Kernzielgruppe hielten.

Noch heute im E-Sport unterrepräsentiert

"Das Problem: Gerade öffentliche Wettbewerbe waren nur bedingt repräsentativ, weil Jungen viel eher zu kompetitivem Verhalten angeregt wurden (und immer noch werden) als Mädchen. Diese geringere Wettbewerbsorientierung macht sich auch heute noch bemerkbar, etwa durch Geschlechterdifferenzen bei der Wahl bevorzugter Spiele und Genres und im E-Sport", führt die Wissenschafterin gegenüber dem STANDARD aus. Erst mit der Zeit wurde Spieleentwicklern klar, dass eben nicht nur Männer, sondern auch Frauen Computerspiele nutzen.

Wieso Repräsentation wichtig ist

Eine Repräsentation von Spielerinnen ist laut Kiel aber durchaus wichtig. Sie soll ihnen das Gefühl geben, "ein fester und akzeptierter Teil der Gesellschaft zu sein". Dem nicht genug, können ihnen dadurch Wege in Bereiche eröffnet werden, in denen sie abseits der virtuellen Welt unterrepräsentiert sind. Mit "If she can see it, she can be it" hat das Geena Davis Institute on Gender in Media dies zusammengefasst. "Vor allem für Mitglieder marginalisierter Gruppen kann es ein tolles und wichtiges Erlebnis sein, in einem Spiel Figuren anzutreffen, die ihnen ähnlich sind – das gilt ganz besonders für spielbare Charaktere, in deren Rolle man sich Herausforderungen stellen und diese meistern kann", führt Kiel aus.

PlayStation

Bei Heldinnen immer noch "Fokus auf Ästhetik"

Übersexualisierte Spielfiguren gehören zwar mehr und mehr der Vergangenheit an, trotzdem gibt es bei Heldinnen heutzutage immer noch einen "Fokus auf Ästhetik". "Anders als ihre männlichen Kollegen sind weibliche Heldenfiguren fast ausnahmslos konventionell schön, sehr jung und tragen mitunter immer noch knappe Kleidung, die für den jeweiligen Handlungskontext überhaupt nicht geeignet ist", sagt die Forscherin. Generell sei aber eine Diversifizierung zu beobachten. Kiel nennt als Positivbeispiele etwa Senua aus Hellblade, Mae aus Night in the Woods, Max aus Life Is Strange und Ellie aus Last of Us.

Keine Sexisten durch Computerspiele

Die Forscherin sagt allerdings auch, dass sexualisierte Darstellungen von Figuren in Computerspielen nicht zwingend dazu führen, dass Spieler zu Sexisten werden oder Frauen sich selbst objektifizieren. "Medieninhalte sind nur ein Faktor von vielen, die unser Weltbild prägen, etwa neben dem sozialen Umfeld und dem Bildungshintergrund. Es ist aber aus der Medienforschung bekannt, dass entsprechende Inhalte durchaus Geschlechterstereotype und bestehende sexistische Denkweisen verfestigen und verstärken können, wenn man ihnen regelmäßig ausgesetzt ist", führt Kiel aus. Es bräuchte hier mehr Forschung und Studien.

Cyberpunk 2077

"Cyberpunk 2077"-Figur mit freier Geschlechtswahl

Die Journalistin spielt selbst übrigens nach Möglichkeit immer einen weiblichen Charakter. Wenn verschiedene Pronomen zur Auswahl stehen, würde sie auch zu nichtbinären Spielfiguren greifen. Beim anstehenden Triple-A-Game Cyberpunk 2077 soll Geschlecht etwa keine Rolle mehr spielen. CD Projekt RED möchte die Gestaltung der Spielfigur komplett in die Hände des Spielers legen. Für Kiel würde die Wahlmöglichkeit eine deutlich bessere Immersion mit sich bringen, "auch wenn das Geschlecht der Figur auf der narrativen und spielmechanischen Ebene überhaupt keine Rolle spielt". (Daniel Koller, 8.3.2020)