Sehnsuchtsort Kleinfamilie: Willem Dafoe in "Tommaso".

Foto: Pandafilm

Abel Ferrara, in den 1990er-Jahren ein zuverlässiger Überbringer urbaner Gewalt- und Schmerzensdramen, hat sich in den letzten Jahren auf ein freies, äußerst persönliches Filmschaffen zurückgezogen, in dem er so unterschiedliche Themen wie das Kino der 70er, römische Plätze oder Pier Paolo Pasolini beackert. Mit Tommaso und der Tanz der Geister scheint er nun den Blick ganz auf sich selbst zu richten. Ein Selbstporträt, in dem der junge Ferrara jedoch wie ein Geist aufflackert.

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Willem Dafoe, einer seiner Stammspieler, verkörpert einen Filmemacher in Rom, dem es gelungen ist, seine inneren Dämonen zu befrieden. Gemeinsam mit seiner Frau (Cristina Chiriac) und der kleinen Tochter Deedee (Anna Ferrara) hat er zu einem kleinfamiliären Bohème-Alltag gefunden, dessen Routinen ihm gar nicht gleichförmig genug sein können; Frau, Kind und überwundene Krise sind im wirklichen Leben freilich jene des Regisseurs.

Doch auch diese vom Österreicher Peter Zeitlinger naturalistisch gefilmte, wie improvisiert wirkende Harmonie eines Sommers in Rom weist Bruchstellen auf. Tommaso ist zwar ein begeisterter Vater, er lernt Italienisch und unterrichtet Nachwuchsschauspieler, die sich im Kollektiv entäußern sollen. Durch seine Erzählungen bei den Anonymen Alkoholikern erfährt man allerdings auch, dass seine selbstzerstörerische Phase noch nicht lange zurückliegt. Unser Glücklichsein, wird er auf einem seiner Wege durch die Stadt einmal sagen, kranke an einer inneren Ruhelosigkeit, an der Neurose, dass wir stets eine Auswahl treffen und mit dem Ganzen nie vollends zufrieden sind.

Drama über das Geben und Nehmen

Tommaso und der Tanz der Geister ist armes Kino im besten Sinne. Den Mangel an Produktionsmitteln macht es mit links durch eine Nähe und Aufrichtigkeit wett, die in Tommasos Willen nach Balance zum Ausdruck kommt. Je energischer er nach der Mitte sucht, desto eher erwachen die alten Quälgeister in ihm. Beim Zusehen erliegt man der Faszination, die kleinen Störmomente in den profanen Verrichtungen zu finden. Das hat natürlich auch viel mit Dafoes Qualitäten als Performer zu tun, der selbst einer Auseinandersetzung über kleine Unaufmerksamkeiten eine existenzielle Dimension zu verleihen vermag.

Wie Ferrara aus dieser scheinbaren Nabelschau dann zu einer Erzählung über Geben und Nehmen gelangt, ist höchst bemerkenswert. Eine berühmte Rolle Dafoes mit Dornenkrone steht dafür Pate. (Dominik Kamalzadeh, 6.3.2020)