Nun ist amtlich, was die Spatzen längst von den Dächern gepfiffen hatten: Mit dem von der Übergangsregierung vor Weihnachten nach Brüssel gemeldeten Nationalen Energie- und Klimaplan wird Österreich seine Klimaziele klar verfehlen. Die notwendigen 5,2 Millionen Tonnen an Treibhausgasemissionen, die bis 2030 einzusparen sind, sind demnach nur mit zusätzlichen, über bereits existierende Maßnahmen hinausgehende Aktionen zu erreichen.

In der bisher unter Verschluss gehaltenen, unter Federführung des Umweltbundesamtes von Energieagentur, Wifo, Cesar, TU Wien und TU Graz durchgeführten Evaluierung sei quasi das Minimum dessen aufgelistet, was unternommen werden muss, um Verkehr, Hausbrand und Energieerzeugung so umzusteuern, sagt Klimaschutz- und Verkehrsministerin Eleonore Gewessler (Grüne).

Nach jüngster Hochrechnung liegt Österreich bei allen wichtigen Parametern bis 2030 daneben:

  • Erneuerbarer Strom Das Ziel, auf hundert Prozent erneuerbaren Strom umzustellen, ist weit entfernt, es würde um 700 Millionen Kilowattstunden verfehlt.
  • Erneuerbare Energie Beim Verhältnis erneuerbare Energie zum Energieverbrauch hinkt man ebenfalls hinterher: Statt 46 bis 50 Prozent bringt es Österreich trotz enormer Wasser- und Windkraftkapazitäten nur auf 45,6 Prozent. Überraschend kommt das nicht, denn beim Ausbau der Erneuerbaren wurde zuletzt eine Stagnation registriert.
  • Treibhausgasemissionen Die Senkung der Treibhausgasemissionen in den Problemsegmenten Verkehr und Raumwärme (Energie und Industrie unterliegen dem Emissionshandel) könnten ebenfalls mehr Engagement vertragen: Die angestrebte Senkung um 36 Prozent wird ohne Gegensteuerung klar verfehlt. Das Delta, das es abzubauen gilt, ist wie eingangs erwähnt, 5,2 Millionen Tonnen schwer.

Punktladung möglich

Nicht ausgeschlossen, dass eine Punktlandung noch möglich wäre, sagt Klimasektionschef Jürgen Schneider, aber das reiche nicht, ist der ersten grünen Umweltministerin zu unsicher. Denn 2017 und 2018 habe sich Österreich – nicht zuletzt dank der wie geschmiert laufenden Konjunktur – klar über den unionsrechtlichen Grenzwerten bewegt.

"Wir müssen nachliefern", sagt Gewessler, die allerdings darauf verweist, dass mit dem Regierungsprogramm bereits weitere Maßnahmen wie das Aus für Ölheizungen im Neubau ab 2021 und die Umrüstung im Bestand bis 2035 in die Pipeline gekommen seien. Von den 5,2 Millionen Tonnen an Treibhausgasemissionen sollen, wie berichtet, zwei durch den Abbau klimaschädlicher Subventionen und CO2-Besteuerung aufgebracht respektive nicht mehr produziert werden. "Jeder Sektor braucht zusätzliche Maßnahmen", stellt Gewessler klar, "die bisherigen sanften Ziele müssen geschärft werden."

Die Gletscher schmelzen deutlich schneller, als die EU-Umweltminister die Vorgaben aus ihren eigenen Klimaschutzgesetzen erfüllen.
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Dass sie bei Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz und Energieeffizienzgesetz im Nationalrat Verfassungsmehrheiten braucht und bei Bau- und Raumordnung auf die Bundesländer angewiesen ist, macht die Sache nicht einfacher.

"Wir müssen energieeffizienter werden", die 1150 Petajoule Endenergieverbrauch seien nicht mehr darstellbar, vom Ziel 2018 (rund 1070 PJ) sei man meilenweit entfernt. Temperatur- oder Konjunkturschwankungen dürfen nicht spielentscheidend sein, ob Österreich Kurs hält, so Gewessler.

Maßgeblich sind freilich die Umweltgesetze und Richtlinien der EU-Kommission für Energieeffizienz, Emissionshandel, Kfz-Flottenverbrauch etc. Und da war sich der Umweltministerrat am Donnerstag alles andere denn einig. Wohl sprach sich eine Reihe von Ländern für höhere Treibhausgas-Reduktionsziele aus.

EU-Kommission verfolgt ehrgeizigere Ziele

Auch die EU-Kommission will die Latte für 2030 höher legen und statt minus 40 Prozent eine Reduktion um 50 bis 55 Prozent. 40 Prozent reichten nicht, um Europa bis Mitte des Jahrhunderts klimaneutral zu machen, sagte die deutsche Umweltministerin Svenja Schulze (SPD). Wirtschaftliche und soziale Folgen einer ehrgeizigeren Klimapolitik seien detailliert zu untersuchen, warnten die Umweltminister von Tschechien, Ungarn und Polen.

Die Kommission hatte zuvor ein Paket vorgelegt, mit dem das Ziel festgeschrieben werden soll, Europa bis 2050 klimaneutral zu machen. Ein neues Zwischenziel für 2030 wird bis September geprüft. Klimaaktivisten kritisieren das. Der für Klimapolitik zuständige Kommissionsvize Frans Timmermans sagte: "Wenn der Rat beschließen will, schneller vorzugehen, kann er das tun." (Luise Ungerboeck, 6.3.2020)