Seit dem EU-Beitritt im Jahr 1995 sind insgesamt 30,7 Milliarden Euro an Struktur-, Kohäsions- und Arbeitsmarktförderungen in österreichische Förderprojekte geflossen, und sie haben messbar einiges bewirkt. "Die regionalen Disparitäten sind abnehmend, kohäsionspolitische Ziele wurden erreicht", attestierte der Leiter der Geschäftsstelle der Österreichischen Raumordnungskonferenz, Markus Seidl, unter Berufung auf eine vom Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo durchgeführte umfangreiche Analyse der "Quantitativen Wirkungen der EU-Struktur- und Kohäsionspolitik in Österreich".

Die für EU-Förderungen notwendige Kofinanzierung beläuft sich auf rund 16 Milliarden Euro, um die die 14,7 Milliarden aus dem EU-Regionalfonds (EFRE), dem Fonds für Ländliche Entwicklung (Eler), dem EU-Sozialfonds (ESF) und aus Fischereiförderung und Gemeinschaftsinitiativen auf die eingangs genannten 31 Milliarden aufgedoppelt wurden.

Förderungen für Heiligenkreuz

Am meisten abgeräumt haben die sogenannten Ziel-1-Gebiete wie das Burgenland, wo in strukturschwache Gemeinden 2,3 Milliarden Euro flossen. In absoluten Zahlen hat das Flächenbundesland Niederösterreich mit 8,06 Milliarden Euro am meisten bekommen, gefolgt von Oberösterreich und der Steiermark (siehe Grafik). Pro Kopf zählte Heiligenkreuz im Lafnitztal mit 3101,6 Euro mit Abstand zu den größten Fördergewinnern.

Was hat der EU-Beitritt Österreich gebracht? Eine neue Wifo-Analyse bietet Einblicke
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Die Gemeinde im Südburgenland sorgte in den 1990er-Jahren für einen handfesten innerösterreichischen Streit im Wettrennen um Förderungen, denn Heiligenkreuz lockte den oberösterreichischen Faserhersteller Lenzing mit seinem Lyocell-Werk weg vom Industrieland Oberösterreich. Standortwettbewerb innerhalb der und zwischen den EU-Nationalstaaten, der auch negative Auswirkungen hat, ist seither evident als Kollateralschaden des mittlerweile reformierten EU-Subventionsregimes.

Wie wirksam und effizient die einzelnen Förderinitiativen waren, erschließt sich aus dem am Donnerstag präsentierten Bericht nicht. "Der Abbau regionaler Disparitäten kann auch andere Gründe gehabt haben", räumt Studienautor Peter Mayerhofer vom Wifo ein, etwa Wechselwirkungen mit anderen Förderungen. Auch die Wirkung von Infrastrukturmaßnahmen, etwa im Straßenbau, lässt sich schwer herausrechnen. Sie können Zu- und Abwanderung in und aus Regionen beschleunigen. Auch habe im gleichen Zeitraum die regionale wirtschaftliche Ungleichheit innerhalb der Mehrzahl der EU-Länder zugenommen.

Ausbau der Bäder

Auch die kleine Gemeinde Aderklaa an der Wiener Stadtgrenze gehörte mit Pro Kopf 2148 Euro zu den herausragenden Profiteuren. In die Marchfeldgemeinde flossen vor allem Mittel aus dem Landwirtschaftsfonds. Obernberg am Brenner wiederum profitierte von Bergbauernförderung, während Lutzmannsburg, Bad Tatzmannsdorf und weitere Thermenorte dem Ausbau ihrer Bäder Wohlstand und Prosperität aus dem Tourismus verdankten.

In mühevoller Kleinarbeit – aus den ersten Jahren der Mitgliedschaft gab es viel Förderaufwand, aber kaum verwertbare elektronische Datensätze – wurden die Daten teils aus den Einzelprojekten extrapoliert und daraus lokale und regionale Effekte (auf Bundesländer-, Bezirks- und Gemeindeebene) hochgerechnet.

Weit abgeschlagen war mit 1,2 Milliarden Euro Wien – zu den Vorzeigeprojekten gehörte die Revitalisierung und Belebung der Stadtbahnbögen –, die Bundeshauptstadt profitierte allerdings von Dienstleistungen, die aus den anderen Bundesländern nachgefragt wurden, was den Effekt auf 7,3 Milliarden Euro hinauftrieb. Das Burgenland wiederum erhielt zwar acht Prozent der Mittel, aber nur die Hälfte blieb im Land.

Hohe Treffsicherheit

Grundsätzlich sei die Förderung treffsicher gewesen, wenngleich "Industrie-Euros" mehr Wertschöpfung brächten. Landschaft und regionale Landwirtschaft seien aber auch ein gesellschaftlicher Wert, sagt Wifo-Mann Mayerhofer. Wiewohl das meiste Geld in den ländlichen Raum floss: Mit 1,3 Milliarden Euro Förderung pro Jahr wurden Wertschöpfungseffekte von 1,5 Milliarden Euro pro Jahr erzielt und 30.000 Vollzeitarbeitsplätze abgesichert. (Luise Ungerboeck, 5.3.2020)