Im Gastkommentar rät Lea Kadletz-Wanke, Universitätsassistentin am Institut für Staats- und Verwaltungsrecht der Universität Wien, einen Blick in die Istanbuler Konvention zu werfen.

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Frauenhäuser bieten Schutz vor häuslicher Gewalt. Salzburg will neue Konzepte ausprobieren – und sorgt damit für Irritationen. Foto: Getty Images
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In der gegenwärtigen Diskussion um die Salzburger Frauenhäuser lohnt es, einen Blick auf die Istanbuler Konvention zu werfen. Auch die Landesrätin Andrea Klambauer von den Neos wäre gut beraten, dies zu tun. So wird ein unverstellter Blick möglich. Darauf, was tatsächlich notwendig und sinnvoll ist, um Frauen vor Gewalt zu schützen. Und darauf, was als basales Bedürfnis im Angesicht dieser Gewalt betrachtet werden muss und deshalb keinesfalls durch die von Klambauer geplante Neuausschreibung der Frauenhäuser in Salzburg und Hallein gefährdet werden darf. Auch wenn dieses von Österreich ratifizierte Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt nicht unmittelbar anwendbar ist, so ist es doch geltendes Völkerrecht und als solches beachtlich.

Besondere Bedürfnisse

Ganz allgemein gilt nach Artikel 18 der Konvention, dass die Vertragsparteien, also auch Österreich, die Pflicht haben, die nötigen gesetzgeberischen und sonstigen Maßnahmen zu treffen, um alle Opfer vor weiteren Gewalttaten zu schützen. Dabei sind die Menschenrechte und die Sicherheit der Opfer in den Mittelpunkt zu stellen und "die besonderen Bedürfnisse schutzbedürftiger Personen, einschließlich der Opfer, die Kinder sind", zu beachten. Es sind außerdem nach Artikel 23 die nötigen Maßnahmen zu treffen, um ausreichende und geeignete Schutzunterkünfte für Opfer bereitzustellen, damit insbesondere Frauen und ihre Kinder eine sichere Unterkunft zur Verfügung haben.

Der Schutz vor weiteren Gewalttaten ist Sinn und Zweck der Frauenhäuser. Klambauer, so wird kolportiert, möchte bewirken, dass die Frauen mittels Wegweisung der Gewalttäter aus der (familiären) Wohnung im häuslichen Umfeld bleiben können. Ein frommer Wunsch, denn die Wegweisung – so wichtig sie als Errungenschaft ist – wirkt nicht wie ein Naturgesetz. Gewaltbereite Täter (auf die weibliche Form wird hier bewusst verzichtet) können sich darüber hinwegsetzen. Speziell bei Trennungen, angekündigten Scheidungen oder bei Partnern, die bereits in der Vergangenheit Drohungen ausgesprochen haben, kann es erfahrungsgemäß zu Hochrisikosituationen kommen, die lebensbedrohlich sein können.

Notwendige Anonymität

Wenn Täter also wissen, wo sich betroffene Opfer aufhalten, so muss im Sinne der – wortwörtlich – lebensnotwendigen Prävention der Zugang zu einem dem Täter nicht bekannten Ort möglich sein. Das von Klambauer erwähnte Konzept "sicher und sichtbar" wirkt in diesem Kontext deshalb wie blanker Hohn Opfern von (häuslicher) Gewalt gegenüber. Die besonderen Bedürfnisse der schutzbedürftigen Personen bedingen in vielen Fällen Anonymität und nicht öffentlich bekannte Adressen, so viel ist sicher.

Die Istanbul-Konvention verfolgt übrigens einen ganzheitlichen Ansatz, und nach Artikel 7 sind die Rechte des Opfers stets in den Mittelpunkt politischer (Gegen-)Maßnahmen zu stellen, und es ist unter anderem mit den einschlägigen Organisationen zusammenzuarbeiten. Damit geht nach Artikel 8 auch die Verpflichtung einher, angemessene finanzielle und personelle Mittel für die Umsetzung von Maßnahmen im Kampf gegen die Gewalt bereitzustellen – auch wenn es sich um Maßnahmen von NGOs oder der Zivilgesellschaft handelt. Deren einschlägige Arbeit sollen Staaten gemäß Artikel 9 des Weiteren anerkennen, fördern und unterstützen – und sie sollen eine wirkungsvolle Zusammenarbeit mit ihnen begründen.

Viel geleistet

Ob die nunmehr bevorstehende Aufstockung des Frauenbudgets ausreichend sein wird, wird sich weisen. Abgesehen davon, dass die geplante Neuausschreibung aber nicht gerade als Anerkennung der bislang geleisteten Arbeit durch die Salzburger Frauenhäuser gewertet werden kann, ist auf Folgendes hinzuweisen.

Die Frauenhäuser – und ihre Mitarbeiterinnen – haben bereits viel geleistet, um Frauen vor Gewalt zu schützen. Sie sind jedenfalls einschlägige Organisationen, die es zu unterstützen gilt. Das soll nicht heißen, dass konstruktive Verbesserungsvorschläge, etwa jener eines flächendeckend(er)en Schutzangebots, wie es von der Landesrätin ja auch gewünscht sein dürfte, nicht auch sinnvoll sind. Aber eine wirkungsvolle Zusammenarbeit mit der Frauenhausbewegung ist weiterhin wünschenswert und wichtig, denn sie hat bereits die nötige Expertise. Ob diese ein neuer Betreiber hat, der lediglich Referenzen im Sozialbereich vorweisen können, ein Frauenhaus aber noch nicht geführt haben muss, ist sehr zu bezweifeln. Warum dieses Kriterium wichtig ist? Mit einem Blick auf die Istanbul-Konvention: weil die schutzbedürftigen Personen besondere Bedürfnisse haben und deren Beachtung essenziell ist. (Lea Kadletz-Wanke, 6.3.2020)