London – Und wieder nähert sich eine Jahreszeit der Rekorde ihrem Ende: Der kalendarische Winter ist zwar noch nicht ganz vorüber, aber man kann wohl trotzdem jetzt schon vom mit Abstand wärmsten Winter in Europa seit dem Beginn der Aufzeichnungen sprechen. Wie der europäische Klimawandeldienst Copernicus (Copernicus Climate Change Service, C3S) in London mitteilte, lag die Temperatur zwischen Dezember und Februar 3,4 Grad Celsius über der durchschnittlich gemessenen Temperatur aus den Jahren 1981 bis 2010 und 1,4 Grad über dem bisher wärmsten Winter 2015/16.

Die oberflächennahe Lufttemperatur vom Dezember 2019 bis zum Februar 2020, relativ zur winterlichen Durchschnittstemperatur in den Jahren 1981 bis 2010.
Grafik: C3S/ECMWF

Mehr als nur der Klimawandel

Besonders im Norden und Osten des Kontinents war die Temperatur höher als gewöhnlich. Dasselbe gilt für Sibirien und Zentralasien. Zurückzuführen sei das nicht allein auf die globale Erderwärmung, betone C3S-Direktor Carlo Buontempo der Mitteilung zufolge.

Jahreszeitliche Temperaturen seien, besonders außerhalb der Tropen, von Jahr zu Jahr großen Schwankungen unterworfen. Trotzdem sei ein Verstärkungseffekt anzunehmen. "Obwohl das für sich genommen ein wirklich extremes Ereignis war, ist es wahrscheinlich, dass diese Art von Vorkommnissen durch den globalen Erwärmungstrend extremer gemacht wurden", so Buontempo.

Die oberflächennahe Lufttemperatur im Februar 2020, relativ zur Februar-Durchschnittstemperatur in den Jahren 1981 bis 2010.
Grafik: C3S/ECMWF

Österreich erlebte den zweitwärmsten Winter

Wenn man Österreich allein betrachtet, hatten wir es immer noch mit dem zweitwärmsten Winter der 253-jährigen Messgeschichte zu tun. Er lag im Tiefland Österreichs um 2,7 Grad über dem vieljährigen Mittel, wie die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) letzte Woche berichtete. Die Schneemengen waren deutlich unterdurchschnittlich. Der wärmste Winter wurde 2006/07 mit 3,4 Grad über dem Mittel verzeichnet. Den dritten Platz teilen sich die Winter 2013/2014 und 2015/2016 mit 2,6 Grad.

Die europaweiten wie auch die österreichischen Daten bestätigen den Trend zu immer milderen Wintern. Deutlich zu kalte Winter seien in den vergangenen 50 Jahren die Ausnahme gewesen, die meisten erwiesen sich als überdurchschnittlich warm: "Die vier wärmsten Winter der Messgeschichte waren in den 2000er-Jahren. Einer der wenigen deutlich zu kalten Winter der letzten Jahre war 2005/06 mit 2,1 Grad unter dem Mittel der Klimavergleichsperiode 1981 bis 2010", berichtete ZAMG-Meteorologe Alexander Orlik.

Die zu milden Winter werden immer häufiger, die zu kalten immer seltener.
Grafik: ZAMG

Spitzenwerte im Februar

Auf den Bergen war 2019/20 der viertwärmste Winter der Messgeschichte. Im Februar gab es sogar vereinzelt Rekorde. So hatte es am 17. Februar am Sonnblick, in 3.106 Meter Seehöhe, plus 3,9 Grad. Das war die höchste Temperatur in einem Februar seit Beginn der Messungen am Sonnblick im Jahr 1886. Zum Vergleich: An einem durchschnittlichen Tag im Februar beträgt das Tagesmaximum der Lufttemperatur am Sonnblick minus neun Grad.

Extrem war auch die Schneesituation in tiefen Lagen. "In fünf Landeshauptstädten gab es noch nie so wenige Tage mit einer geschlossenen Schneedecke wie in diesem Winter. Das waren Bregenz, Linz, St. Pölten, Graz Universität und Wien Hohe Warte", sagte Orlik. Die Summe der täglichen Neuschneemenge lag selbst in höheren Lagen meist um zehn bis 50 Prozent unter einem durchschnittlichen Winter. Nur ganz vereinzelt gab es um zehn bis 30 Prozent höhere Neuschneesummen als im Mittel, wie in Seefeld (Tirol, 1.198 Meter), in Obertauern (Salzburg, 1.772 Meter) und in Rauris (Salzburg, 934 Meter).

Rekordtemperaturen in der Antarktis

Einen bisher unerreichten Spitzenwert haben Forscher vor kurzem auch in der Antarktis verzeichnet. Dort herrscht zwar gerade Südsommer, aber die am 9. Februar an der Nordspitze der Antarktis gemessene Temperatur von 20,75 Grad ist trotzdem deutlich zu hoch. Noch nie zuvor wurde in der Antarktis eine so hohe Temperatur gemessen.

Die Temperaturmessungen auf der argentinischen Forschungsstation Marambio sind Teil eines auf 20 Jahre angelegten Forschungsprojekts zu den Auswirkungen des Klimawandels auf den Permafrost in der Region. Der letzte Temperaturrekord hatte bei etwa 19 Grad gelegen. Nach Angaben der UNO war das vergangene Jahrzehnt das wärmste auf der Antarktis seit Beginn der Aufzeichnungen. (red, APA, 5.3.2020)