Durch das Video hätte die Öffentlichkeit die Integrität des Ex-Politikers Johann Gudenus prüfen können, so das OGH.

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Wien – Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat die vom Ex-FPÖ-Politiker Johann Gudenus erwirkte einstweilige Verfügung gegen den Ibiza-Anwalt R. M. teilweise aufgehoben. Das Gericht begründete seine Entscheidung mit der Meinungsfreiheit, die in der Europäischen Menschenrechtskonvention verankert sei.

Die Veröffentlichung des Videos sei ein "außergewöhnlich großer Beitrag zu einer Debatte von öffentlichem Interesse" gewesen, so das Gericht. So hätte die Öffentlichkeit die Integrität und das Verantwortungsbewusstsein von Gudenus als Politiker prüfen können. Dies teilten die beiden Rechtsvertreter des Ibiza-Anwalts, Andreas Frauenberger und Richard Soyer, am Freitagmorgen in einer Aussendung mit.

Laut der Anwälte habe das Gericht das vorläufige Verbot aufrechterhalten, von Gudenus Ton- und Bildaufnahmen herzustellen, wenn sich dieser nicht in der Öffentlichkeit zeigt. Prinzipiell unterscheidet der OGH zwischen zwei verschiedenen Vorgängen: Zwischen der Herstellung des Videos an sich – die er kritisch sieht – und der Verbreitung des Videos durch die Weitergabe an Süddeutsche Zeitung (SZ) und Spiegel.

Investigativer Journalismus oder "gewinnbringendes" Vorhaben?

Der OGH erklärt zunächst, dass in bestimmten Fällen heimliche Videoaufnahmen erlaubt seien. Er verweist zum Beispiel auf ein Urteil, das das Mitfilmen eines Verkaufsgesprächs für eine Fernsehsendung zum Thema Konsumentenschutz erlaubt. Allerdings werde auf Ibiza "eine atypische Gesprächssituation" geschaffen. Dazu kommt, dass sich der Hersteller des Videos "nicht darauf stützen" könne, "dass er die Aufnahme zu dem Zweck herstellen ließ" mit der Veröffentlichung "einen Beitrag zu einer Debatte von öffentlichem Interesse zu leisten". Laut OGH wollte M. das Video "gewinnbringend verkaufen".

Allerdings wird auch Gudenus gescholten: Er "musste davon ausgehen, dass ihm seine Äußerungen von den Gesprächsteilnehmern in seiner Funktion als Repräsentant seiner politischen Partei und als Träger öffentlicher Ämter zugerechnet würden". Die Einleitung staatsanwaltlicher Ermittlungen gegen Gudenus – es gilt die Unschuldsvermutung – vermindere zusätzlich die Schutzwürdigkeit der Privatsphäre. Insgesamt sei die Entscheidung der Vorinstanzen aber richtig, M. das weitere Anfertigen von Bild- und Filmaufnahmen von Gudenus zu untersagen.

Signifikant, dass "an Urlaubsort bei reichlich Alkoholkonsum"

Die Weitergabe der Aufnahmen an zwei Medien mit dem Zweck der Veröffentlichung beurteilt der OGH anders. Das Video sei ein "außergewöhnlich großer Beitrag zu einer Debatte von öffentlichem Interesse". Ein reines Transkript der Gespräche hätte nicht ausgereicht, alle Informationen an die Öffentlichkeit zu übermitteln. Denn: "Auch aus den äußeren Gegebenheiten, die nur durch Anschauen der Aufnahme erfassbar sind", können "Rückschlüsse auf die Eignung" von Gudenus "zur Bekleidung hoher öffentlicher Ämter" gezogen werden.

Gemeint ist damit, so das Höchstgericht: "Es ist von Bedeutung, dass derartige Themen an einem Urlaubsort bei reichlich Alkoholkonsum diskutiert wurden". Es sei also wichtig, dass die Öffentlichkeit wisse, dass Strache und Gudenus nicht bei einem formellen Arbeitstreffen über Interventionen bei der "Kronen Zeitung", öffentliche Aufträge für potenzielle Großspender und verdeckte Parteispenden sprechen, sondern in einer Finca bei Vodka Red Bull.

Ibiza-Anwalt sei "massiver Vorwurf" zu machen

Insgesamt bleibt die juristische Bewertung des Ibiza-Videos damit differenziert. In der Entscheidung der Vorinstanz war etwa schon zu lesen, dem Ibiza-Anwalt M. sei ein "massiver Vorwurf" zu machen. Er hätte laut Gericht nie "den Lockvogel" spielen dürfen. Außerdem habe R. M. laut Gudenus behauptet, dass die falsche Oligarchennichte bereits sieben Millionen Euro auf ein Treuhandkonto überwiesen habe. Als Anwalt hätte R. M. auch Gudenus "vor Interessengefährdung" bewahren müssen.

Strafrechtliche Ermittlungen laufen noch

Der Anwalt von M. sagte damals, dass es seinem Mandaten wegen des bei der Staatsanwaltschaft Wien anhängigen Ermittlungsverfahrens und bestehender anwaltlicher Verschwiegenheitspflichten nicht möglich gewesen sei, umfassend vorzutragen und sich zu verteidigen. Das Gericht habe daher in seiner Provisorialentscheidung die Angaben des Klägers vorläufig übernommen – deshalb sei es zur einstweiligen Verfügung gekommen.

Das Verfahren wird von Gudenus privat geführt, zusätzlich laufen noch strafrechtliche Ermittlungen gegen R. M. – es gilt die Unschuldsvermutung. (fsc, lalo , 6.3.2020)