Die Wiener Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler lebte lange als Reisende und entwickelte ein Repertoire an Heimatelementen. Wer sie heute zum Essen besucht, wird sofort zum Putzen und Schnipseln eingeteilt.

"Ich habe mich gar nicht erst bemüht, eine organisierte Hausfrau zu mimen. Das wäre erstens schad um die Zeit und wäre zweitens sowieso nicht gelungen. Ich finde Haushaltsarbeit als Thema, um ehrlich zu sein, wahnsinnig öde. So etwas muss erledigt werden, keine Frage, und zwar am besten schnell und im Kollektiv. Damit ist das Thema Hausfrau erledigt. Und so ist die Küche, wie sie jetzt ausschaut, ein absolut authentischer Background, der ehrlicher nicht sein könnte – mit Brotkrümeln, Fettflecken und herumstehendem Zeugs. Ich glaube, das teilen wir mit 99 Prozent aller Menschen in Österreich. Staubfreies, schönes Wohnen? Ich wüsste gar nicht, wie das geht.

Veronica Kaup-Hasler ist in ihrem Leben schon 19-mal umgezogen. 2013 zog sie in die Josefstadt.
Foto: Lisi Specht

Die Küche ist das Zentrum unserer Wohnung und so etwas wie ein Bühnenbild für unsere Familie, in dem sich die Gemengelagen der hier wohnenden Individuen abbilden – mit Komödien, Tragödien und allerlei Alltagsanekdötchen. Eines meiner liebsten Alltagsdokumente der letzten Jahre – meine Tochter Hannah, die gerade den besten Cappuccino der Welt zubereitet, möge mir verzeihen, dass ich jetzt dieses Detail ins Spiel bringe – ist die Speisekarte, die mein Sohn Valentin vor vielen, vielen Jahren als Begleitung zu einem französischen Weihnachtsmenü kreierte. Es gab damals Vorgra, Kokofö mit Kratö und Altischockensalat und einen Blaton de Frohmarsch.

Ich habe zwölf Jahre lang den Steirischen Herbst geleitet, aber irgendwann einmal war klar, dass es auch ein Leben nach Graz geben muss. Mein Mann Claus Philipp und unsere beiden Kinder sind damals schon nach Wien vorgezogen, während ich einige Jahre zwischen Wien und Graz hin und her gependelt bin. In Graz hatte ich zu der Zeit eine Miniwohnung mit 34 Quadratmetern. Und hier in Wien haben wir 2013 – ein absoluter Glücksgriff – diese 200 Quadratmeter große, sanierungsbedürftige Mietwohnung in der Josefstadt gefunden.

Die Küche ist das Zentrum der Wohnung und für Veronica Kaup-Hasler so etwas wie das Bühnenbild für die Familie.
Fotos: Lisi Specht

Die Wohnung liegt in einem sehr schönen Gebäude aus dem 19. Jahrhundert. Wir haben Klo, Bad und Küche eingebaut, wobei uns die feld72 Architekten diesen Küchenarbeitsblock aus Holz und Beton hineingestellt haben. Das ist ein richtig archaisches Arbeitsmöbel, an dem schon so manches Dinnergelage produziert wurde, wobei unsere Gäste nolens volens zum Putzen, Schnipseln, Umrühren eingeteilt werden. Und nur, wenn man sich dem wunderschönen Blumenstrauß so wunderbar nähert, wie dies nur beim Putzen, Schnipseln und Umrühren der Fall ist, merkt man, dass die Blumen gar nicht echt sind. Ich liebe Blumen, aber frische Blumen, jede Woche aufs Neue? Das ist mir einfach zu aufwendig.

Ich finde es faszinierend, wie sich die Wohnkultur in all den Jahrzehnten und Jahrhunderten gewandelt hat, wobei mir persönlich die Idee der Werkstatt näherliegt als die des Repräsentationsraums. Ich bin in meinem Leben schon 19-mal umgezogen, bis vor zwei Jahren war ich eine Nomadin, eine unentwegt Reisende. Und je mehr man unterwegs ist, desto mehr begnügt man sich, das eigene Wohngefühl und Wohlbefinden auf ein paar wenige, mobile Elemente zu beschränken. In meinem Fall sind das Bücher, Musik, gutes Licht und scharf geschliffene Messer.

Der Küchenarbeitsblock aus Holz und Beton stammt von feld72 Architekten. Dass die Blumen nicht echt sind, bemerkt man erst auf den zweiten Blick.
Fotos: Lisi Specht

Es gibt nichts Schlimmeres als stumpfe Messer. Gutes Kochen hat etwas mit Präzision, Konzentration und mit der Schärfe des Gedankens zu tun. Kochen ist inszenierte Dekonstruktion und anschließende Rückzusammenführung unter anderen physikalischen und chemischen Umständen. Das muss scharf sein, das kann nicht stumpfsinnig über die Bühne gehen.

Eines noch zum Abschluss: Wien ist eine der tollsten, lebenswertesten Städte der Welt, aber es ist eine Frechheit, dass es nicht am Meer liegt. Irgendwann einmal, vielleicht, wer weiß, sehe ich mich als alte Frau auf einer Parkbank in Lissabon sitzen." (9.3.2020)