Erstmals treten in Lech am Arlberg fünf Listen zur Wahl an. Ein politischer Frühling kündigt sich an, hoffen die Herausforderer des Langzeit-Bürgermeisters.

Foto: Lech Zürs Tourimus

Lech am Arlberg – Mit der "Ma kann ja eh nüt macha!"-Mentalität ist es am 15. März vorbei. So hofft es zumindest Brigitte Finner, streitbare Listenführerin von "Zukunft wagen", einer von insgesamt fünf Gruppierungen, die um Sitze in der Lecher Gemeindevertretung kämpfen. Mit ihrem Antreten hat Finner im mondänen Skiort am Arlberg für einen Dominoeffekt gesorgt. Noch nie zuvor war die politische Auswahl so groß. Zuletzt standen im Jahr 2005 zwei Listen auf dem Lecher Wahlzettel. Seitdem wurden die politischen Funktionen im Ort per Mehrheitswahlsystem vergeben.

Das ist eine Besonderheit des Vorarlberger Wahlsystems, die heuer in 14 Gemeinden greifen wird. Wenn sich nämlich weder eine Partei noch eine Bürgerliste der Wahl stellt, kommt es zur sogenannten Mehrheitswahl. Der Stimmzettel bleibt leer, Bürger sollen die Namen ihrer Kandidaten eintragen. Anders als in den übrigen Kommunen gibt es in diesen 14 Mehrheitswahl-Gemeinden auch keine Bürgermeister-Direktwahl. Die Gemeindevertretung selbst wählt hier das Oberhaupt.

Langzeitbürgermeister hält wenig von Listenwahl

Lechs Bürgermeister Ludwig Muxel (Liste Lech) ist seit 1993 im Amt und kann der neuen Vielfalt wenig abgewinnen: "Ich persönlich finde es besser, wenn im Dorf jeder jeden wählen kann." Das sei gelebte direkte Demokratie. Er selbst kam seinerzeit allerdings im Zuge einer Listenwahl an die Macht, monieren die Mitbewerber. Denn die politische Konkurrenz sieht das naturgemäß anders und spricht vom Aufbrechen eines starren und verkrusteten Systems. So etwa Clemens Walch, der als Listenführer von "Unser Dorf für Tradition und Moderne" ins Rennen geht: "Ich war 15 Jahre lang in der Gemeindevertretung. Das System war intransparent. Durch die Listenwahl gibt es künftig mehr Rechte für die Mandatare, wie Akteneinsicht."

Walch findet, dass Veränderung nur durch Listenwahl erreicht werden kann. Die Bürgerschaft des Ortes sei zwar etwas irritiert ob der plötzlichen Auswahlmöglichkeiten, doch das werde dem Dorf letztlich guttun, ist er überzeugt: "Manche fürchten, dass durch die Listen mehr Streitereien in der Gemeindevertretung aufkommen könnten." Er selbst sieht aber die Vorteile: "Nur so können wir unser Recht auf Mitsprache einfordern."

Frau von heute, gegen Männer von gestern

Auch Brigitte Finner will Veränderung in ihrem Ort erreichen. Sie kritisiert, dass die alte Ortsführung unter Muxel zu sehr auf reiche Gäste als auf die Bedürfnisse der Einheimischen ausgerichtet gewesen sei. Wohnraum sei knapp und unleistbar geworden. Sie ist die einzige weibliche Listenführerin und weiß, dass sie allein damit schon bei manchen aneckt. Finner nimmt es mit Humor und gibt sich streitbar: "Die Frau von heute ist halt nix für Männer von gestern."

Dass heuer fünf Listen mit Programmen und Inhalten antreten, sieht sie als großen Gewinn für ihre Gemeinde. Denn beim Mehrheitswahlsystem wurden Kandidaten nicht nach ihren politischen Ideen, sondern vielmehr nach persönlichen Gesichtspunkten gewählt. Das habe zu einem starren System mit viel Klientelpolitik geführt. Finner nennt etwa die Causa René Benko als Beispiel für umstrittene politische Entscheidungen. Der Immobilieninvestor hat in Oberlech das Luxus-Chalet N errichtet. Der Fall gilt als Paradebeispiel für vieles, was in Lech falsch läuft.

Reiche Investoren richten es sich

Die Causa beschäftigte auch die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, wurde aber unter nicht weniger umstrittenen Umständen – per Weisung – ad acta gelegt. Die Ermittlungen gegen Benko wie auch gegen Muxel wurden ergebnislos eingestellt. Im Zuge der Ermittlungen rund um das Ibiza-Video tauchte der Fall nun aber wieder auf, wie Dossier-Recherchen zeigen. Für die Lecher Kritiker verdeutlicht die Causa Benko, wie reiche Investoren geltende Gesetze umgehen können, um sich so den Traum vom Nebenwohnsitz im Nobelskiort zu verwirklichen. Muxel kann dieser Kritik nichts abgewinnen: "Wir haben als Gemeinde wenig Möglichkeiten, zu verhindern, wenn jemand sein Haus verkauft."

Seite eins des kritisch-pointierten Zettels, der kürzlich in Lech verteilt wurde. Die Urheber sind bislang unbekannt.
Foto: privat

Die Listenvielfalt bringt nun im Vorfeld der Wahl politischen Schwung in die Gemeinde. So wurden kürzlich anonym im ganzen Ort Zettel verteilt, auf denen vordergründig von einer honorige Jagdgesellschaft erzählt wird. In Wahrheit ist der Text eine pointierte Kritik an den herrschenden Lecher Zuständen und vor allem an Bürgermeister Muxel.

Auch Seite zwei spart nicht mit Anspielungen auf die herrschende politische Klasse im Dorf.
Foto: privat

Der Langzeit-Ortsvorsteher, der zwar betont, "Türkis-Schwarz nahezustehen", aber kein ÖVP-Mitglied ist, wird wiedergewählt, darin ist sich auch die Konkurrenz einig. Spannend wird allerdings, wie groß künftig jener Block in der Gemeindevertretung sein wird, der als Kontrollgremium und Opposition fungieren will. Fest steht bislang nur, dass Muxel in der nächsten Legislaturperiode abdanken und den Job an einen Nachfolger übergeben will. (Steffen Arora, 6.3.2019)