Marta Breen: Vieles ist gut, aber nicht perfekt.

Foto: Maria Gossé

Ein bisschen Angeberei ist das Buch schon. Schon klar, die skandinavischen Länder sind auf dem Weg zur Gleichstellung zwischen den Geschlechtern tatsächlich gut unterwegs. Kleinere Lohnscheren als in Deutschland und Österreich, eine höhere Väterbeteiligung bei den Karenzen, in Norwegen übernimmt der Staat die Kosten für die Verhütung für 16- bis 22-Jährige, und dann hat Finnland Ende des vergangenen Jahres mit der 34-jährigen Sozialdemokratin Sanna Marin auch noch die jüngste Ministerpräsidentin der Welt an die Spitze gewählt.

Wer sonst als eine Norwegerin sollte also erklären, wie es geht, das "Feministin-Sein". Marta Breen, von der erst letztes Jahr den wunderbaren Comic Rebellische Frauen – Women in Battle erschienen ist, erklärt nun in einem flott erzählten und kurzweiligen Erklärstück How to Be a Feminist ebendiese Profession. Allerdings in der deutschen Übersetzung mit dem schrecklichen Untertitel Die Power skandinavischer Frauen und was wir von ihnen lernen können. Genau darum geht es nämlich nicht in dem Buch: Um das Märchen, dass mit der Gleichberechtigung ebenjene Frauen gesegnet werden, die genug "Power" haben, während es für alle anderen halt weiter blöd läuft.

Anderweitig beschäftigt

Mit derartigen hoppertatschigen Feminismusdeutungen hat dieses Buch ansonsten nichts zu tun. Fast nichts. Einmal lässt sich Breen hinreißen, das zynische Argument aufzugreifen, nach dem Gleichberechtigung wohl ihre Berechtigung hätte, weil sie auch der Ökonomie guttut. In diesem Zusammenhang heißt es dann, Frauen wären vor allem in ärmeren Ländern "schlicht und einfach eine schlecht genutzte Ressource". Eine fürchterliche Formulierung, die hoffentlich nur einer schlechten Übersetzung geschuldet ist.

Und eine letzte Sache wäre da noch: Dass Feministinnen am Internationalen Weltmännertag auf die Diskriminierungen gegenüber Männer aufmerksam machen müssen, wie Breen rät, ist vielleicht ein skandinavisches Ding – doch viele Feministinnen andernorts sind am betreffenden Tag wohl anderweitig beschäftigt.

Trotzdem: How to Be a Feminist ist ein sehr gutes Buch und handelt von Feminismus. Marta Breen führt locker und lässig durch die noch immer aktuellen Themen und erklärt jene sehr einfach, die dazugekommen sind und leider oft zu Verwirrung führen. Etwa die Forderung nach Intersektionalität, die die Einschränkung der "reelen Freiheit und Möglichkeit eines Menschen" aufgrund von Kategorien wie Geschlecht, Klasse, Herkunft, sexuelle Orientierung und einiges mehr beschränkt – fertig. Ist doch nicht schwer.

Nicht alles perfekt

Das Buch macht aber ebenso deutlich, dass in Schweden, Norwegen, Dänemark oder auch Finnland nicht alles perfekt ist – auch wenn Breen gern zeigt, was sie dort haben. Die Kulturministerin Trine Skei Grande zum Beispiel, die freimütig über sich selbst sagt: "Ich glaube, Norwegen gehört zu den wenigen Ländern der Welt, in denen man eine übergewichtige, alleinstehende Frau und gleichzeitig Parteivorsitzende sein kann."

Trotzdem kämpft man auch im faireren Norden mit geschlechterspezifischer Arbeitsteilung, Vorurteilen und ungleichen Machtverhältnissen, die natürlich auch dort nicht in ein paar Jahrzehnten vom Tisch gewischt werden konnten. Allerdings scheint das die dortige Politik als Problem ernster zu nehmen. Schweden hat sich als erstes Land der Welt eine feministische Außenpolitik verordnet. In Gesprächen mit Regierungschefinnen und -chefs anderer Länder muss demnach Gleichstellung auf der Agenda stehen: Wie steht es in dem jeweiligen Land um das Recht auf Ausbildung? Auf Scheidung und Erbeigentum? Wie sieht es mit der Repräsentation von Frauen dort aus, wo wichtige Entscheidungen getroffen werden?

Säkularismus

Und jetzt stellen wir uns kurz vor, Sebastian Kurz würde bei seinem geplanten USA-Besuch Donald Trump genau nach diesen Dingen fragen. An eine andere ÖVP-Politikerin müssen manche bei der Lektüre wahrscheinlich denken, wenn Breen in ihrer No-na-net-Tonalität schreibt, dass in skandinavischen Ländern Religion in politischen und gesellschaftlichen Zusammenhängen "keine tonangebende Rolle mehr spielt, was eine wichtige Voraussetzung für Gleichberechtigung ist".

Karoline Edtstadler, Bundesministerin für EU und Verfassung, sieht das anders. Sie werde dafür kämpfen, sagte sie kürzlich, dass das Kreuz in Krankenhäusern und Schulen bleibt, dort habe es "seinen Wert". Beim Islam sieht man das in Österreich in Sachen Säkularismus aber dann doch strenger.

Auch den logischen Zusammenhang zwischen Rechtspopulismus und Frauenhass bricht Breen auf das Wesentliche herunter: Rechtspopulismus orientiert sich an alten Gemeinschaftsformen, an der Vergangenheit, an der traditionellen Kernfamilie.

Schwärmerische Nostalgie für all das? Kennt man hierzulande gut. Es könnte also noch dauern, bis es ein ähnlich angeberisches Buch aus Österreich gibt. (Beate Hausbichler, 7.3.2020)