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US-Präsident Donald Trump konnte der Covid-19-Epidemie in der Nacht auf Freitag vor potenziellen Wählerinnen und Wählern durchaus auch gute Seiten abgewinnen.

Foto: APA / AFP / Getty Images / Spencer Platt

Washington – Ja, sagt Donald Trump erstmals in dieser Deutlichkeit, es könne schon sein, dass das Coronavirus in den USA ernsthaften Schaden anrichte. Denn dass die Börsenrallye so weitergehe, wie sie das in den vergangenen Monaten getan habe – das werde jetzt vielleicht schwierig, stellt der US-Präsident bei einer "Town Hall"-Wahlveranstaltung in seinem Haus- und Hofsender Fox News fest.

Aber es gebe auch gute Seiten der Epidemie: "Die Leute bleiben jetzt in den USA, sie geben ihr Geld bei uns aus, das ist gut." Er fordere das schon seit langem. Jetzt passiere es endlich, wenn auch "sozusagen unter Zwang". Trump, das wird auch an diesem Abend klar, fürchtet wegen des Virus um seine Wiederwahl – weniger aufgrund der medizinisch-menschlichen, sondern vor allem aufgrund der wirtschaftlichen Folgen.

Was Gesundheitsfragen betrifft, legt der Präsident sich in der Sendung nicht mehr fest. Jedenfalls gebe es keinen Grund zur Beunruhigung: Alles werde gut, seine Regierung habe für jede Situation einen Plan.

Seine medizinische Expertise hat der Präsident schon vorher bei Fox-News-Host Sean Hannity geteilt – und damit allerhand kritische Reaktionen ausgelöst.

Die von der WHO kürzlich veröffentlichten Zahlen, wonach die globale Todesrate bei 3,4 Prozent liege, glaube er nicht, sagte Trump da nämlich unter Berufung auf "so ein Gefühl", das er diesbezüglich nach einigen Gesprächen habe: "Das sind falsche Zahlen." "Viele Leute haben das, und es ist sehr mild – man hört nie von ihnen." Daher würden sie nicht "in die allgemeine Bevölkerung, die die ‚Corona-Grippe‘ hat, mit eingerechnet", fuhr der Präsident fort, sie würden nie in Statistiken landen. "Tausende oder Hunderttausende werden wieder gesund, indem sie zu Hause sitzen oder sogar in die Arbeit gehen. Einige gehen zur Arbeit, und ihr Zustand bessert sich trotzdem." Die Krankheit falle eben nur dann auf, wenn es einen Todesfall gebe: "So wie jetzt, glaube ich, in New York."

Beileid, aber kein Todesfall

Daran, so viel ist klar, ist einiges offensichtlich falsch: Es handelt sich beim Virus Sars-CoV-2 eben nicht um eine Grippe, auch nicht um eine "Corona-Grippe". In New York gab es zwar zuletzt einige neue Fälle, aber keine Toten. Und dass viele Erkrankte keine schweren Symptome zeigen, ist zwar richtig – davon, mit einer möglichen Covid-19-Erkrankung in die Arbeit zu gehen, raten Expertinnen und Experten allerdings wegen der Ansteckungsgefahr dringendst ab. Und von einer "globalen Todesrate" von 3,4 Prozent hatte die WHO nie gesprochen – sondern davon, dass 3,4 Prozent der bisher als infiziert Bekannten an den Folgen von Covid-19 verstorben sind.

Erklärvideo zu Covid-19: Panik ist nicht angebracht, dennoch ein paar Vorsichtsmaßnahmen.
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Zur Frage, ob es darüber hinaus einen gewissermaßen unter Wasser liegenden "Eisberg" an unbekannten Erkrankten mit leichten Symptomen gebe, die in der Statistik nicht aufscheinen, gibt es unterschiedliche Ansichten. WHO-Experte Bruce Aylward hatte dies kürzlich unter Berufung auf Zahlen aus China in Zweifel gezogen. US-Virologe Mark Lipsitch geht hingegen schon davon aus – er rechnet aber genau deshalb auch damit, dass die Infektionen voranschreiten und dass 20 bis 60 Prozent der Weltbevölkerung an Covid-19 erkranken würden. Das würde auch im Fall vieler leichter Verläufe das Gesundheitssystem auf die Probe stellen.

Und genau dessen Leistungsfähigkeit in Bezug auf die breite Masse ist ohnehin schon stark umstritten. Nur langsam ist in den USA der Kampf gegen das Virus angelaufen, Tests waren lange Zeit nur wenige hundert vorhanden, und Berichte über dafür zu entrichtende Zahlungen in Höhe tausender Dollar hinderten viele daran, ihren Sars-CoV-2-Status überprüfen zu lassen. Das Virus konnte sich in Folge wohl zunächst unbemerkt ausbreiten.

Genau das spielt in ein wichtiges Wahlkampfmotiv der Demokraten hinein: Sie betonten ja schon bisher das Thema Gesundheitsversorgung, die sie massiv auszubauen und vor allem erschwinglich zu machen versprechen. Die Abschaffung und der Ersatz von "Obamacare": Das ist vielleicht jenes Wahlversprechen, das, weil es nicht eingehalten wurde, Trump bisher am meisten nachhängt.

Beten gegen das Virus

Zumindest manches soll sich jetzt – spät, aber dafür schnell – ändern: Bis zu 50.000 Tests pro Tag sollen nun durchgeführt werden können, zu bezahlen sind sie in den meisten Fällen nicht mehr. Hohe Geldmittel haben Kongress und Präsident schon bewilligt. Die Einsatztruppe, die der Präsident für den Ernstfall zusammengestellt hat, kommt dennoch nicht aus der Kritik.

Geleitet wird sie von Vizepräsident Mike Pence, in dessen Regierungszeit in Indiana eine massive HIV/Aids-Krise ausgebrochen war, der Kondome als "sehr schlechten Schutz" gegen Geschlechtskrankheiten bezeichnet hat, der Konversionstherapie für Homosexuelle als medizinisch probat erachtet und mit der Feststellung, dass "Rauchen nicht tötet", einst für einiges Erstaunen gesorgt hatte. Dass er sich mit seinem Team jüngst beim Beten für ein Ende der Corona-Krise ablichten ließ, hat das Vertrauen in die Wissenschaftlichkeit seiner Herangehensweise nicht gerade erhöht.

Und auch Trumps eigene Fragen bei einem öffentlichen Treffen mit seinem medizinischen Team sorgten jüngst für Erstaunen. Darunter auch jene, ob nicht auch "eine wirklich starke Grippeimpfung" gegen das Coronavirus schützen könne.

Der Präsident selbst sieht die Krise als ausschließlich parteipolitisch motiviert, Berichte über die Gefährlichkeit des Coronavirus nannte er vor Anhängern schon vor mehr als einer Woche "den neuen Hoax der Demokraten". Seine Anhänger jedenfalls lassen nur wenige Gelegenheiten aus, ein ungewöhnliches Bündnis zu skizzieren: die Demokraten gemeinsam mit dem Coronavirus. "Sie feuern vermutlich das Virus an", sagte Fox-News-Moderator Peter Hesgeth Ende Februar über die politische Konkurrenz des Staatschefs. "Sie wollen, dass es wächst, sie wollen, dass das Problem schlimmer wird."

Ein paar Tage später wird Donald Trump Jr. bei Fox-Moderator Hannity auftreten und sich von diesem unter anderem die Frage stellen lassen, "wie viele tausende Amerikaner denn nicht das Coronavirus bekommen haben". "Tja, viele", lautet seine Antwort. Das würden die Gegner seines Vaters aber gewissenhaft übersehen. (Manuel Escher, 6.3.2020)