Ein Wangenküsschen wie im August 2019 würde Angela Merkel derzeit nicht von Emmanuel Macron bekommen.

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Paris – Die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo ist täglich auf den Märkten und vor den Haustüren unterwegs. Die aus Spanien stammende Sozialistin scheut den Körperkontakt beileibe nicht; doch neun Tage vor den Gemeindewahlen hält sie Distanz. "Ich sage den Pariserinnen und Parisern, dass ich sie gerne küssen und in die Arme nehmen würde", erklärte die wieder Kandidierende. "Aber ich verzichte darauf – aus Vorsicht und um mit gutem Beispiel voranzugehen."

In Frankreich sind bisher sieben Menschen an den Folgen des Coronavirus gestorben, die Zahl der Infizierten stieg auf 423, und die Regierung hält die Bevölkerung an, auf Wangenküsse ("faire la bise") und Händeschütteln zu verzichten. Der Radiosender France-Inter listete bereits Alternativen auf – sie reichen vom Kopfneigen, der Hand aufs Herz bis zum Wortgruß mit bewusstem Blick in die Augen. Hidalgos Rivalin von der Macron-Partei LRM, Agnès Buzyn, empfiehlt den Gruß per Ellbogen ("Ebola-Shake") oder per Fuß ("Footshake"). "Spätestens bis Ende Woche werden sich die Leute daran gewöhnt haben", ist sie überzeugt.

Faust gegen Faust

In Nordfrankreich ersetzt der konservative Kandidat Xavier Bertrand die Wangenküsschen durch den buddhistischen Gruß mit zusammengelegten Handflächen. In der Hafenstadt Marseille, wo "la bise" auch unter Männern verbreitet ist, praktiziert der dissidente Kandidat Bruno Gilles den Gruß per Faust gegen Faust.

Aber der persönliche und politische Austausch leidet trotzdem unter der Epidemie, meinen die meisten Bewerber. Gerade bei den Kommunalwahlen sei der direkte Kontakt zwischen Kandidaten und Wählern oft entscheidend.

Das Innenministerium überlegt sich aus anderen, nämlich gesundheitlichen Gründen, die Wahlen ganz abzusagen. Nur die Krisenherde von der Wahl auszunehmen wäre demokratiepolitisch undenkbar. Bisher schreckt die Staatsführung aber vor jedem Entscheid zurück. Denn die Ansteckungsgefahr wäre während des Urnengangs nicht einmal viel höher als in der jetzigen Kampagne, in der rund eine Million Lokalkandidatinnen und -kandidaten unterwegs sind.

Der Präsident gibt keine Küsschen mehr

Einer bleibt jetzt schon zu Hause: Emmanuel Macron hat sämtliche Termine außerhalb des Élysée-Palasts – wo er auch wohnt – für diese Woche abgesagt. Dies nährt Spekulationen, ob der Präsident vielleicht selbst infiziert sei. Das Élysée dementierte kategorisch. Es bekräftigt, der Staatschef empfange seine Gäste weiter an seinem Amtssitz. Wenn auch natürlich ohne Handschlag und ohne "bise". (Stefan Brändle aus Paris, 6.3.2020)