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Die EU-Kommission plant neben den laufenden Verpflichtungen aus dem EU-Türkei-Pakt eine sofortige weitere humanitäre Finanzhilfe für die in der Türkei lebenden syrischen Flüchtlinge. Das hat EU-Haushaltskommissar Johannes Hahn in einem Interview mit dem STANDARD am Freitag bestätigt. "Es geht dabei um rund eine halbe Milliarde Euro, die wir intern kalkulieren", sagte der Österreicher. "Die Mittel kommen aus den Reserven des EU-Haushalts."

Das Geld werde wie bisher zum überwiegenden Teil direkt an Flüchtlinge gehen. Insbesondere im Bildungsbereich, bei Schulen und Sprachausbildung, gebe es für 2020/21 noch Bedarf.

EU-Kommissar Hahn kennt diese Problematik aus erster Hand, weil er von 2014 bis vergangenen Dezember als EU-Erweiterungs- und Nachbarschaftskommissar für die Umsetzung des EU-Türkei-Pakts direkt zuständig war: "Das Geld wird nicht einfach und ohne Bedingungen auf türkische Konten überwiesen, sondern im Gegenteil via Hilfsorganisationen auf Basis einer genauen Bedarfserhebung und unter strikter Kontrolle der Mittelverwendung."

Hahn sieht die neuen Hilfen – auch auf den höchsten politischen Ebenen der Regierungen von Deutschland und Frankreich wird mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan verhandelt – als Fortsetzung der bisherigen Engagements. Es gehe darum, die laufenden Kosten der Betreuung abzudecken – bisher ging "ein Drittel in Infrastruktur". Aber natürlich muss die Türkei ihren Teil aus dem bestehenden Abkommen erfüllen.

Hahn fordert Türkei zur Kooperation auf

Unabhängig von den aktuellen Spannungen an der türkisch-griechischen Grenze, mahnt der Kommissar ein, müsse man "das breitere Gesamtbild sehen". Er sieht es als sicher an, dass die Lage an der Grenze zu Griechenland "von der Regierung in Ankara gesteuert wurde". Erdogan habe eine Reihe innenpolitischer Probleme, also suche er "im Reflex Gegner außerhalb". Der Grenzkonflikt sei nur "ein Ausfluss daraus", erklärt Hahn.

Es sei einerseits auffällig, dass an den Grenzen zu Bulgarien nichts passiert sei, man habe bewusst Griechenland als Konfliktland ausgewählt. Andererseits seien aktuell kaum syrische Flüchtlinge ins türkisch-griechischen Grenzgebiet gezogen: "Es sind viele Menschen aus Afghanistan, aus dem Iran." Das alles ist für den Haushaltskommissar "ein Indiz" dafür, dass die türkische Führung mit "der Macht der Bilder" Druck aufbauen wolle. Das sei natürlich nicht akzeptabel. Für jede weitere Unterstützung müsse die Türkei Kooperationsbereitschaft zeigen. (Thomas Mayer aus Brüssel, 6.3.2020)