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Selbstinszenierung darf als die große Versuchung unserer Zeit gelten. Es beginnt bei Trump und Putin, geht über die Orbáns und Erdogans zu Kurz und seinem Team, und diese Woche hat SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner in einem Sammelinterview mit den Bundesländerzeitungen und der "Presse" unter dem leicht absurden Motto "Ich habe die Ego-Spielchen so satt" Witterung aufgenommen. Zweck des Unternehmens war offenbar, über eine Flucht in die Öffentlichkeit Funktionärinnen und Funktionäre kleinzukriegen, die ihr eine Parteiführung schwer machen und sich auch von ihren Ideen bisher nicht überzeugen ließen. Vor allem nicht von der einer Mitgliederbefragung.

Direkte Demokratie ist eine heikle Angelegenheit

Direkte Demokratie, auch innerhalb einer Partei, kann eine gute Sache sein, ist aber immer eine heikle Angelegenheit. Nicht zufällig wird sie im Staat oft von Gruppierungen gefordert, die auf diesem Wege eher sinistre Absichten durchsetzen wollen. Als Notwehr einer Parteichefin gegen die doch letztlich von den Mitgliedern gewählten Funktionäre dürfte sie kaum ein geeignetes Mittel sein, Ego-Spielchen zu beenden. Um das zu gewährleisten, müsste vor allem eine klare Sprache gesprochen werden, und genau das fehlt.

Auf die Frage, welches Ergebnis sie als Zustimmung werten würde, antwortet Rendi-Wagner: Ich halte es nicht für sinnvoll, mich hier zahlenmäßig festzulegen. Was soll ein Mitglied da anderes denken als: Es ist egal, ob und wie ich abstimme, das Ergebnis wird ohnehin auf das Gewünschte zurechtgebogen.

Warum dann diese Befragung?

Warum dann diese Befragung? Um aus dem Vertrauen, das die Mitglieder uns aussprechen, eine einigende Kraft zu schöpfen. War es Misstrauen der Mitglieder, das uns – wen? – bisher am Schöpfen einigender Kraft hinderte? Und ab welchem Ergebnis soll künftig Vertrauen als ausgesprochen gelten? Aber das ist schon wieder eine Was-wäre-wenn-Frage , die man lieber nicht beantwortet. Geht die Abstimmung aus, wie von der Parteichefin gewünscht, dann geben uns die Mitglieder einen inhaltlichen Auftrag zur Einigkeit, den wir umsetzen müssen. Und wenn nicht, kein Auftrag zur Einigkeit? Aber wenn doch, wie schön: Wir werden uns ernsthaft und ehrlich mit dem Votum auseinandersetzen und nicht zur Alltagsroutine übergehen und so weitermachen wie bisher. Denn es geht um ein Miteinander, nicht um ein Gegeneinander.

Da wollten die Journalisten Konkreteres wissen, erhielten aber keine Chance. Ich werde sicher nicht über Dinge öffentlich nachdenken, die stattfinden könnten, bevor die Mitglieder gesprochen haben. Warum dann aber ein öffentliches Interview, bevor die Mitglieder gesprochen haben? Es ist sicher nicht im Interesse der Mitglieder, die Parteichefin am öffentlichen Nachdenken über Dinge zu hindern, die sie betreffen und in einer öffentlichen Umfrage thematisiert werden sollen. Was soll diese Geheimniskrämerei, wenn es denn überhaupt ein Geheimnis und nicht bloß eine Leerstelle gibt?

Wenigstens ein Rätsel wird gelöst. Die SPÖ ist ein Abbild der Gesellschaft. So wie jede andere Partei auch. Es dürfte ihr größtes Problem sein, dass sie aufgegeben hat, mehr sein zu wollen, nämlich eine Kraft, die diese Gesellschaft verändert, was mit Blabla allein nun einmal nicht zu schaffen ist. Daran wird auch keine Mitgliederbefragung etwas ändern können.

Knackarsch und Schnitzelgesicht

Wenig Glück hatte auch der auf dem Gebiet der Selbstinszenierung in der Inszenierung äußerst erfahrene Gery Keszler mit seiner Selbstinszenierung im Umfeld des Parteitages der Wiener Türkisen. Den Knackarsch hätte ihm die "Kronen Zeitung" ja noch verziehen, aber mit dem Schnitzelgesicht des Bürgermeisters hat er sich verkalkuliert, seit dieser als stolzer Pate des Eisbären-Mädchens Finja und nicht nur als solcher gerade in der Gunst des Blattes steht.

Keszler verhöhnt Bürgermeister Ludwig, rügte das Blatt. Michael Jeannée rückte aus, um Blümels Opernballgast miesen Charakter und ein trauriges Ende zu bescheinigen. Ich glaube, dass Sie ein Charakter-Chamäleon sind. Einer, der sein Fähnchen nach dem Wind hängt. Ein Ex-Life-Ball-Vater ist uninteressant, kümmert niemanden. Keine Einladungen, keine Partys mehr. Keszler, wer?

Reaktionen der Leser sogar in Gedichtform folgten. Einer empfahl ihm, sich selbst vor den Spiegel zu stellen, ein anderer fand, seine lapidare Entschuldigung ist armselig, und setzte im Sinne des Bürgermeisters kulinarisch noch eins drauf: Außerdem ist Österreich ein Land der Schnitzelesser und mit Schnitzeln sehr zufrieden. Merk ’s Blümel. (Günter Traxler, 7.3.2020)