Catherine Deneuve als B I L D U N T E R S C H R I F T: Schauspielerin Fabienne.

Foto: Filmladen

Von den Memoiren der Schauspielerin Fabienne Dangeville sollte man besser die zweite Auflage lesen, denn in der ersten fehlt eine Menge, und es stimmt auch so manches nicht. Besonders gekränkt ist Luc, ihr langjähriger Sekretär und guter Geist. Er kommt gleich gar nicht vor. Aber auch die Tochter Lumir hat Grund zur Klage, sie ist eigens aus New York gekommen, mit Mann und Tochter, um die Veröffentlichung des Buchs zu feiern. Nun stellt sie fest, dass ihre Kindheit ganz anders erzählt wird, als sie sie erlebt hat. Oder als sie sich daran erinnert.

Fabienne Dangeville ist in Wahrheit Catherine Deneuve. So könnte man ein wenig vereinfacht die Geschichte von Hirokazu Koreedas Film La Vérité auf einen Punkt bringen. Das Verhältnis einer Schauspielerin zu ihren Rollen ist immer eines von Wahrheit und Verborgenheit, von Spiel und Bekenntnis. Wenn es sich dann noch um die größte lebende Schauspielerin Frankreichs handelt, dann verschwimmen zusätzlich die Ebenen: Kann man sich Fabienne Dangeville als eine Figur vorstellen, hinter der die Deneuve verschwindet? Zumal dann, wenn die Dangeville auch eine Schauspielerin ist und in etwa gleich alt wie ihre Darstellerin?

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Unwillkürlich wird man versuchen, mit diesem Film ein bisschen hinter die Leinwand zu schauen, und etwas von der "wahren" Deneuve zu erspähen. Ist sie vielleicht auch so kapriziös wie diese Fabienne, aber auch verunsichert durch das Alter und durch jugendliche Konkurrenz?

Um die Sache noch ein bisschen vielschichtiger zu machen, erzählt Hirokazu Koreeda auch von den Dreharbeiten zu einem Science-Fiction-Film, in dem eine Frau in drei Stadien ihres Lebens zu sehen ist, ganz jung und dann mit 38 und schließlich mit 73. Fabienne lässt sich aber auch durch Kleinigkeiten nervös machen, denn sie stellt fest, dass bei allen wirklich großen Kolleginnen der Vor- und der Nachname mit demselben Buchstaben beginnt: Hinter Danielle Darrieux fällt sie also schon alphabetisch zurück.

Kinder und Wahrheit

Für Regisseur Hirokazu Kore-eda ist La Vérité der erste Film, den er in Europa gedreht hat. Bisher hat er sich mit minimalistisch erzählten Sozialstudien einen Namen gemacht, in denen häufig Kinder im Mittelpunkt standen. Für Shoplifters bekam er 2018 in Cannes eine Goldene Palme, damit war ihm wohl auch der Weg zu La Vérité geebnet.

Und er bietet nun auch wirklich alles auf, was ein bedeutender Film braucht. Zuerst einmal Stars. Neben Catherine Deneuve spielt Juliette Binoche die Tochter Lumir, da treffen sich also Grandes Dames unterschiedlicher Generationen, während Koreeda für die Rolle der Debütantin auch tatsächlich eine kaum bekannte Darstellerin gefunden hat:

Manon Clavel hat aber auch Starpotenzial. Dazu kommt Ethan Hawke als versprengter Amerikaner in einem Pariser Gartenhaus, in dem man sich auch Peter Handkes Abwesenheiten gut vorstellen könnte.

Film im Film, Buch im Film, trügerische Erinnerungen und plötzliche Wahrhaftigkeit im Spiel oder in Begegnungen: Koreeda schöpft aus dem Vollen des Spiels mit Rollen. Er lässt auch zahlreiche kostbare Momente entstehen, insgesamt aber wirkt La Vérité doch ein wenig wie eine Versuchsanordnung, wie ein allzu offensichtlicher Versuch, Kinowahrheit als Spiegelkabinett zu erweisen. (Bert Rebhandl, 7.3.2020)