Der Wachstumskaiser im Handel ist der Leerstand. Vor sechs Jahren lag der Anteil an aufgelassenen Flächen im Schnitt bei 4,5 Prozent. Mittlerweile sind bereits mehr als sieben Prozent der Geschäftsflächen in Österreich verwaist, erhob der Berater Standort+Markt. Auch in Toplagen stehen gut fünf Prozent der Shops leer. In viele werden auch künftig keine neuen Filialen mehr einziehen. Eingekauft wird zusehends im Internet. Stationäre Einzelhändler müssen sich darauf einstellen, dass die Frequenz an Kunden weiter sinkt.

Wie sehen Einkaufsgewohnheiten der Konsumenten in zehn Jahren aus? Welche Shops erhalten Aufwind, welche geraten unter die Räder? Silvio Kirchmairs Job ist es, darauf Antworten zu finden. Der Chef der Umdasch Store Makers Management entwickelt und baut Verkaufsläden für nationale und internationale Händler, richtet Lebensmittelmärkte, Drogerieketten und Textilkonzerne ein.

Viele Shops stehen leer.
Foto: Robert Newald

Das Bild, das er vom Handel der Zukunft malt, ist ein Mosaik aus mehr Nahversorgern und Dienstleistern. Standorte an den Stadträndern sieht er leiden, Geschäfte auf der Fläche an Größe verlieren.

Kirchmair geht davon aus, dass 75 Prozent des Volumens des Einzelhandels den stationären Anbietern vorbehalten bleiben – Branchen wie Elektro- und Buchhändlern weniger, anderen wie Lebensmittelketten mehr. "Wo genau die Grenzen des Onlinehandels verlaufen, weiß keiner."

Goldschatz Kundendaten

Den größten Schutz gegen Konkurrenz der Internetriesen sieht er in schwer kopierbaren Dienstleistungen, wie auch eine kostspielige letzte Meile hin zum Kunden ihren Vormarsch bremse. Supermärkte dürften Rivalen wie Amazon dennoch nicht unterschätzen: Noch verdiene zwar keiner weltweit mit Lebensmitteln über das Internet Geld. Goldes wert seien diese Geschäfte aber bereits durch den Gewinn von Kundendaten.

Kirchmair erwartet in den kommenden zehn Jahren in Österreich eine Renaissance der Nahversorger in den Ballungsräumen. "Die Greißler kehren zurück. Einkaufen wird wieder regionaler."

Große Ketten suchten zugleich vermehrt den Weg zurück von der Peripherie in die Stadtzentren. Denn Autofahren und Transporte verteuerten sich, die Klimaziele gehörten ernster genommen. Für viele bestehende kleine Händler komme diese Entwicklung hin zu umweltverträglicherem Kaufverhalten dennoch zu spät.

Bezirksstädte in den Bundesländern veröden ebenso wie einst florierende Wiener Einkaufsstraßen. Kirchmair erinnert daran, dass städtische Infrastruktur vielfach vom Handel finanziert werde. "Internetkonzerne tragen dazu nichts bei." Es sei nun Aufgabe der öffentlichen Hand, dezentrale Ballungsräume zu schützen und für Chancengleichheit zu sorgen. An einer Besteuerung des Onlinehandels führt für den Ladenbau-Experten in Europa kein Weg vorbei.

Einkaufen wird wieder regionaler, davon gehen Experten aus.
Foto: Maria von Usslar

Welche Wandlung erfahren die einzelnen Shops an sich? Kirchmair ist davon überzeugt, dass sie sich verkleinern. Ein Supermarkt auf 10.000 Quadratmetern lasse sich heute kaum noch bespielen. Für wirtschaftlich sinnvoller hält er Flächen zwischen 800 bis 1200 Quadratmetern.

Den Stein der Weisen nicht gefunden hat die Branche bei der Vernetzung von stationärem Einkauf mit digitalen Technologien. Letztere brauche es aber, um Prozesskosten zu reduzieren und Daten zu generieren, sagt Kirchmair.

Macht der Bilder

Bewegte Bilder und geschickte Inszenierung des Umfelds in den Shops erhöhten zudem die Einkaufsbereitschaft. Spielen Supermärkte vor dem Obstregal die idyllische Szenerie einer Apfelernte ein, hebe das die Kauflaune gleich einmal um ein Drittel, zeigten empirische Studien. In Modegeschäften, die auf Bildschirmen Kleider offerieren, die zum aktuellen Wetter passen, sei die Flächenproduktivität um zwei bis drei Prozent gestiegen. Pro Quadratmeter gehe es hier um rund 40 Euro.

Elektronische Preisschilder haben sich in Österreich anders als in Frankreich oder Dänemark bis auf rare Ausnahmen nach wie vor nicht durchgesetzt. Sie seien derzeit schlicht zu teuer, sagt Kirchmair. Darauf verzichten könne der Handel dennoch nicht – der große Rollout zeichne sich 2021 ab.

Bisher seien aufgrund der zeitverzögerten Anpassungen fünf bis zehn Prozent der auf Papier ausgeschilderten Preise in den Regalen falsch. Digitale Anzeigen ersparen dem Handel Arbeit und erlauben zusätzliche Produktinfos. Konsumentenschützer warnen allerdings vor Preisschwankungen wie an der Tankstelle: Denn der neue Spielraum ließe sich bei großem Kundenandrang für spontane schnelle Aufschläge nutzen. (7.3.2020)