Jeder vernünftige Mensch ist todfroh, dass jetzt die Grünen und nicht die Blauen die Koalitionspartner der Türkisen sind. Die Vorstellung ist furchterregend, ein Herbert Kickl, der den Eindruck erweckt, er lechze nur danach, endlich auf Flüchtlinge schießen zu können, wäre noch Innenminister.

Aber das genügt nicht. Die Grünen werden von den Türkisen in dieser Koalition systematisch überfahren, ausgetrickst, vorgeführt. Das tut ihnen als Partei nicht gut, es tut auch der Republik nicht gut. Die Grünen repräsentieren derzeit das liberale Element in der Regierungspolitik. Wenn die Grünen sich von der Inszenierungsmaschine von Sebastian Kurz & Co ständig blamieren lassen, dann wird diese Koalition nicht lange halten, und das wäre nach all dem schon eine beachtliche Instabilität.

Es ist keine Frage, dass die Türkisen Inszenierung und Message-Control am besten beherrschen. Das durften die Grünen recht oft in den ersten acht Wochen der Koalition erleben.

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne).
Foto: APA/ROLAND SCHLAGER

Am deutlichsten sichtbar bei der eiskalten Abschmetterung des grünen, vom Bundespräsidenten unterstützten Vorschlags, Frauen und Kleinkinder, die im Elendslager von Lesbos verkommen, nach Europa beziehungsweise Österreich zu holen. Werner Kogler durfte neben einem Dominator Sebastian Kurz kleinlaut von "Privatmeinung" murmeln. Davor hatte Kurz plötzlich "rote Netzwerke" in der Staatsanwaltschaft entdeckt und die grüne Justizministerin Alma Zadic zum Rapport ins Kanzleramt bestellt.

Dominierungsmaschinerie

Derlei wird immer durch die Bildregie unterstützt, bei der der Fotograf des Kanzlers immer einen stählern blickenden Kurz zeigt, der den Vasallen Anweisungen gibt. So war es beim Justiz-"Runden Tisch" und bei der Corona-Krisensitzung. Wenn ein grüner Minister wie Rudolf Anschober in Sachen Coronavirus seine eigenen, gelungenen Auftritte macht, hat er sofort Kurz und den Innenminister an seiner Seite. Es gibt noch eine Reihe anderer Themen, bei denen die Grünen überfahren wurden – UN-Migrationspakt, Seerettung, EU-Budget, vor allem die (nun vom Gericht aufgehobene) Beschränkung des U-Ausschusses.

Natürlich ist die Dominierungsmaschinerie von Sebastian Kurz schon länger eingespielt. Natürlich haben die Grünen nur 14 Prozent. Aber sie müssen jetzt relativ rasch lernen, selbstbewusste, No-Nonsense-Politik zu machen. Der erste Schritt ist, zu erkennen, dass die Türkisen ein sehr begrenzt kooperativer Partner sind, solange man sie machen lässt. Kurz ist, was man einen "cool political operator"nennt. Was er nicht hat, ist die Erkenntnis, dass es vielleicht nicht klug ist, jene 40 bis 50 Prozent zu entfremden, die keine harte rechte Politik wollen.

Die Grünen haben sich den "Das Beste aus beiden Welten"-Spin von Kurz aufpappen lassen: Jeder macht seins. Aber zur Welt der Grünen gehört eben nicht nur die Klimapolitik, sondern genauso sehr eine Politik der Liberalität und Humanität, nicht nur bei den Flüchtlingen, dort aber auch. Kurz würde, ohne zu zögern, den Grünen in die Parade fahren, wenn sie etwas umsetzen wollen, was den Bauern oder der Industrie nicht passt. Kurz hat auch mit der liberalen Gedankenwelt der Grünen eine Koalition geschlossen, und das sollten sie klarmachen. (Hans Rauscher, 8.3.2020)