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Wer in Venedig Urlaub machen will, muss seinen Chef nicht um Erlaubnis fragen. Bei Reisen in Krisengebiete muss man den Arbeitgeber aber informieren.

Foto: AP / Francisco Seco

Seit das Coronavirus in Österreich festgestellt wurde, häufen sich Fragestellungen im Arbeitsleben. Mitarbeiter haben Urlaube in Krisenregionen gebucht, werden wegen des Kontakts mit Erkrankten in Quarantäne gestellt oder betreuen nach Schulschließungen die Kinder. Gleichzeitig drosseln Unternehmen die Produktion, weil Rohstoffe fehlen oder Aufträge zurückgehen. In Ermangelung ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmungen für derartige Ausnahmefälle muss auf allgemeine Grundsätze des Arbeitsrechts zurückgegriffen werden.

Auf Arbeitgeberseite ist die Fürsorgepflicht von zentraler Bedeutung. Sie gebietet es, die Gesundheit und das Leben der Arbeitnehmer zu schützen. Ihr gegenüber steht die Treuepflicht, nach der Arbeitnehmer dafür zu sorgen haben, Schäden des Arbeitgebers abzuwenden. Ob Arbeitnehmer trotz Unterbleibens der Arbeitsleistung zu bezahlen sind, hängt davon ab, aus wessen Sphäre die Dienstverhinderung resultiert. Daneben bestehen die gesetzlichen Regelungen für Dienstverhinderungen wegen Krankheit, aus sonstigen wichtigen Gründen oder Pflegefreistellungen.

Frage: Muss der Arbeitnehmer eine mögliche Erkrankung oder eine Reise ins Krisengebiet mitteilen? Dürfen kranke Mitarbeiter arbeiten?

Antwort: In die Privatsphäre reichende Informationen muss der Arbeitnehmer im Regelfall nicht mitteilen. Eine maßgebliche Ausnahme besteht, wenn die Kenntnis dieser Umstände im Zusammenhang mit der geschuldeten Tätigkeit wichtig ist. Der Arbeitgeber muss im Rahmen der Fürsorgepflicht auch dafür sorgen, die Gesundheit anderer Arbeitnehmer zu schützen. Daher besteht in der konkreten Situation die Verpflichtung des Arbeitnehmers, den Arbeitgeber über eine mögliche Gefährdung durch das Auftreten von Symptomen oder Reisen in Risikogebiete zu informieren. Aus dem gleichen Grund ist der Arbeitgeber auch verpflichtet, potenziell an Covid-19 Erkrankte nach Hause zu schicken.

Frage: Kann der Arbeitgeber Reisen in Krisengebiete mit Reisewarnungen untersagen?

Antwort: Nein. Der Arbeitnehmer entscheidet, wie und wo er seinen Urlaub verbringt. Der Arbeitgeber kann eine erholungsgefährdende Tätigkeit während des Urlaubs nicht untersagen. Erkrankt der Arbeitnehmer allerdings und fällt in der Folge aus, steht kein Anspruch auf bezahlten Krankenstand zu. Die Dienstverhinderung wurde dann grob fahrlässig herbeigeführt. Werden Kollegen angesteckt, könnten sogar Schadenersatzansprüche bestehen.

Frage: Kann der Arbeitnehmer einseitig vom Urlaub zurücktreten?

Antwort: Von einer geschlossenen Urlaubsvereinbarung können beide Parteien nur aus wichtigem Grund zurücktreten. Ein wichtiger Grund auf Arbeitnehmerseite liegt vor, wenn der Erholungszweck des Urlaubs nicht mehr gegeben ist. Argumentierbar ist das, wenn etwa eine Reise in ein Krisengebiet geplant war oder ein mitreisendes Familienmitglied erkrankt oder unter Quarantäne gestellt wird. Der Rücktritt vom Urlaub kann aber vereinbart werden.

Frage: Ist das Entgelt zu zahlen, wenn Mitarbeiter unter Quarantäne gestellt werden?

Antwort: Mitarbeiter unter behördlicher Quarantäne haben nach dem Epidemiegesetz Anspruch auf Entgelt. Der Arbeitgeber kann vom Staat die Erstattung der geleisteten Vergütung begehren. Das Gleiche gilt etwa, wenn der Betrieb behördlich geschlossen, eine Ortschaft behördlich abgeriegelt oder der öffentliche Nahverkehr behördlich stillgelegt wird und ein Erreichen des Betriebes dadurch nicht mehr möglich ist.

Frage: Was gilt bei Betreuung von in Quarantäne befindlichen Kindern oder bei Schulschließungen?

Antwort: Nicht in allen Fällen steht Bezahlung zu, wenn Arbeitnehmer zur Beaufsichtigung ihrer Kinder zu Hause bleiben. Damit der Arbeitnehmer den Entgeltanspruch nicht verliert, muss die Betreuung tatsächlich notwendig sein. Die Beaufsichtigung nahezu erwachsener Kinder ist daher kein Dienstverhinderungsgrund. Zudem muss die Betreuung – wenn möglich – durch einen nicht berufstätigen Angehörigen übernommen werden. Sollte das Kind erkrankt sein, besteht die Möglichkeit einer bezahlten Pflegefreistellung.

Frage: Wie kann der Arbeitgeber auf Auftragsrückgänge reagieren?

Antwort: Dem Arbeitgeber steht es frei, auf die Arbeitsleistung der Arbeitnehmer zu verzichten. Sind diese leistungsbereit, müssen sie trotzdem bezahlt werden, eine einseitige Anordnung von Urlaubsverbrauch oder Zeitausgleich ist nicht möglich. Zulässig wäre Urlaubsverbrauch oder Zeitausgleich allerdings mit Zustimmung des Arbeitnehmers. Zumindest die Zustimmung zum Verbrauch von Zeitausgleich könnte wegen der Treuepflicht geboten sein. (Christopher Peitsch, 9.3.2020)