Michael Ludwig hat bereits Wahlzuckerln verteilt.

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Die Klubtagung der Wiener SPÖ im burgenländischen Frauenkirchen stand nicht nur im Zeichen der bevorstehenden Wien-Wahl, sondern auch im Zeichen des Coronavirus. Die Delegierten bemühten sich tunlichst, nicht zu viele Hände zu schütteln. Es gab Ellbogenberührungen, angedeutete Fist-Bumps oder auch nur Zugenicke. Ganz auf das formale Händeschütteln wurde aber – Macht der Gewohnheit – nicht von allen verzichtet: Beim Eingang wurde den Besuchern der Tagung in diesem Fall ein Fläschchen Händedesinfektionsmittel aus der Apotheke übergeben.

Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) gab in seiner Rede bekannt, dass die Stadt Wien eine Million Euro für die Coronavirus-Forschung zur Verfügung stellen wird. Die Förderung aus dem medizinisch-wissenschaftlichen Fonds steht ab sofort zur Verfügung. Ziel sei, offene Fragen zu dem Virus zu erforschen.

Im Fokus sollen die Ausbreitungsmöglichkeiten des Virus stehen, die Wirksamkeit von Medikamenten und die Verbesserung der diagnostischen Methoden. Außerdem sei das Ziel, schnellere Tests zu entwickeln. Eine Aufstockung des medizinisch-wissenschaftlichen Fonds der Stadt ist damit nicht verbunden: Das Sonderbudget für die Coronavirus-Forschung in Höhe von einer Million Euro stammt aus dem 56-Millionen-Euro-Topf des Fonds.

Um nicht nur Maßnahmen im wissenschaftlich-gesundheitlichen Bereich zu setzen, kündigte Ludwig zudem an, demnächst einen Sozialpartnergipfel einzuberufen, um über die wirtschaftlichen Auswirkungen des Coronavirus zu diskutieren und gegensteuern zu können. In Branchen wie dem Tourismus, der Gastronomie und bei Messeveranstaltern seien Einbußen zu befürchten, es gelte, den Wirtschaftsstandort zu stärken und den Arbeitsmarkt zu stabilisieren.

Neue Projekte und Wahlzuckerln

Für gewöhnlich ist die traditionelle Klubklausur der SPÖ Wien jener Termin, an dem die Partei auch ihre großen Wahlzuckerln verteilt und sogenannte Leuchtturmprojekte vorstellt. Gerade im heurigen Wahljahr wird diesem Termin auch viel Aufmerksamkeit entgegengebracht. 2015, als das letzte Mal gewählt wurde, hieß es bei der Tagung noch im burgenländischen Rust: Wien baut wieder Gemeindebauten. Und: Gebührenstopp – nicht für immer, aber für die Jahre 2015 und 2016. Im Jahr zuvor, 2014, wurde der Bau der neuen U-Bahn-Linie U5 verkündet, 2011 wurde das Wiener Spitalskonzept vorgestellt. Auch der Bau des Krankenhauses Nord wurde erstmals bei der Klubtagung präsentiert.

Nachdem der Partei-Event 2016 von Rust nach Wien-Floridsdorf verlegt worden war, kehrte die SPÖ vergangenes Jahr unter ihrem neuem Chef, Bürgermeister Michael Ludwig, zurück ins Burgenland. Auch heuer treffen sich die Genossen am Montag und Dienstag wieder in Frauenkirchen, in der St.-Martins-Therme. Doch eine Frage drängte sich im Vorfeld auf: Was soll heuer noch angekündigt werden?

70 statt 63 Gratis-Ganztagsschulen in Wien

Denn schon im Februar hielt Ludwig eine Rede, mit der er den SPÖ-Wahlkampf offiziell eröffnete. Darin kündigte Ludwig etwa Gratis-Ganztagsschulen an: Schon ab kommendem Herbst sollen 63 verschränkte Ganztagsschulen in der Stadt beitragsfrei werden.

Hier legte er am Montag in Frauenkirchen ein Schäuferl nach: Sieben zusätzliche Ganztagsschulen sollen beitragsfrei werden. "Das wird nicht so leicht und ohne weiteres gehen", sagte der Stadtchef, der von einer "bewussten politischen Entscheidung" sprach, mehr Geld für diese Schulform in die Hand zu nehmen. Folgende Standorte kommen ab Herbst dazu: der Bildungscampus am Nordbahnhof mit Volks- und neuer Mittelschule, die Volksschule Grundäckergasse in Favoriten, die Volksschule Längenfeldgasse in Meidling, die Volksschulen Breitenfurter Straße und Erlaaer Schleife sowie die Volksschule Carlberggasse in Liesing.

Mehr Ausbildungsplätze im Gesundheitsbereich

In den Sozial- und Gesundheitsberufen soll es zudem zu einer Ausbildungsoffensive kommen. Statt bisher 4.900 sollen bis 2024 7.650 Ausbildungsplätze zur Verfügung stehen. Folgende Bereiche sind vorgesehen: Ärztinnen und Ärzte in Ausbildung in den Spitälern des KAV (von derzeit 1.200 auf 1.450 Plätze), diplomierte Gesundheits- und Krankenpfleger (von 1.300 auf 2.300), Pflegeassistenten (von 1.100 auf 1.800 Plätze) sowie medizinisch-therapeutisch-diagnostische Gesundheitsberufe und Hebammen (von 1.300 auf 2.100 Plätze).

Für Kinder und Jugendliche wird die Wiener Ehrenamtswoche ins Leben gerufen. In der Woche vor den Sommerferien sind sie aufgefordert, sich ehrenamtlich zu engagieren. Als Koordinator fungiert der Verein Wien Xtra. Eingereicht werden können Projekte in Zusammenarbeit mit NGOs, Vereinen oder sonstigen Initiativen, die ein gemeinnütziges Ziel verfolgen.

Fernkälte statt Klimaanlagen

Auch Klimaschutz nahm einen größeren Teil von Ludwigs Rede ein. So soll es zu einem Ausbau der Fernkälte als ökologische Klimaanlage kommen. Bis 2024 werden 65 Millionen Euro investiert. Abwärme, die beim Verbrennen von Müll ensteht, soll verwendet werden, um Krankenhäuser, Bahnhöfe und Bürotürme zu versorgen. Aktuell wird ein Fernkältering um den Ring errichtet. Die Fernkältezentrale Stubenring entsteht unter dem Gebäude der Alten Post auf der Dominikanerbastei. Mithilfe von Wasser aus dem Donaukanal kühlt sie verschiedene Gebäude mit einer Fläche von insgesamt 300.000 Quadratmetern und ersetzt 6.000 herkömmliche Klimageräte.

"Wir wollen international Klimamusterstadt werden", sagte Ludwig – und positioniert sich beim großen Wahlkampfthema Klimaschutz damit auch bewusst im eher grünen Wählersegment. Ludwig wiederholte zudem, dass man in Wien auch "die Auswirkungen des bestehenden Klimawandels abfedern" wolle: Trinkbrunnen und Nebelduschen in der Stadt zur Abkühlung vor allem im Sommer werden ausgebaut.

Mindestlöhne in der Kultur

Im Kultursektor hat sich die Stadt Wien Untergrenzen bei der Bezahlung von freischaffenden Kunst- und Kulturschaffenden gesetzt. Seit Jänner 2020 gelten entsprechende Empfehlungen. Bei der Vergabe von Kulturförderung werde überprüft, ob diese Mindestlöhne eingehalten werden. Dass das Kulturbudget für 2020 um zehn Prozent, nämlich 26 Millionen Euro, erhöht wurde, war bereits im Vorjahr fixiert worden.

Die Stadt Wien will den Prozess zum Erhalt einer geförderten Wohnung digitalisieren und damit verbessern. Ludwig sprach davon, den Vergabeprozess "revolutionieren" zu wollen. Künftig soll es den Interessenten möglich sein, selbstständig vom Computer aus freie Wohnungen (Gemeindebau oder geförderter Wohnbau) zu suchen. Weiterhin bestehen bleibt das Wiener Wohntticket, das prinzipiell den Anspruch auf eine geförderte Wohnung in der Bundeshauptstadt regelt.

Landwirtschaft fördern

Was Ludwig ebenfalls bei seiner Rede im Februar bereits angekündigt hatte: Ausgedehnt soll der Wien-Bonus werden, was etwa Lebensmittelproduzenten der Stadt zugutekommen soll. Rund 14 Prozent der Fläche Wiens werden landwirtschaftlich genutzt.

Für die Jungen sprach der SPÖ-Chef eine Lehrstellengarantie aus. Eine Ankündigung ist schon in die Tat umgesetzt worden: das "Einsatzteam" für Wien. Diese Gruppe rückt für Sofortmaßnahmen aus und arbeitet das ab, was die Wiener über die "Sag's Wien"-App melden.

Rendi-Wagner verteidigt Vertrauensfrage

SPÖ-Bundesparteichefin Pamela Rendi-Wagner sang in ihrer Rede trotz nicht gerade ausufernder Begeisterung der Wiener Genossen für ihre Mitgliederbefragung samt Vertrauensfrage ein Loblied auf die Hauptstadt unter Ludwig. Seit 1945 stelle Rot den Bürgermeister in Wien, seit 1945 gehe es den Wienerinnen und Wienern immer besser. "Wer will das ändern? Warum soll man das ändern?", fragte sie rhetorisch. "Das ist ja verrückt, diese Frage überhaupt zu stellen." Wien sei die "gerechteste, frauenfreundlichste, bunteste Stadt". Das gelte es bei der kommenden Wien-Wahl zu bewahren: Schließlich würden ÖVP und Neos danach trachten, einen SPÖ-Bürgermeister zu verhindern. Was aber umfragetechnisch derzeit nur im Bereich des Theoretischen existiert.

Einen beträchtlichen Teil ihrer Rede nützte Rendi-Wagner aber auch dazu, ihre auch SPÖ-intern vielkritisierte Vertrauensfrage im Rahmen der Mitgliederbefragung zu verteidigen. Innerhalb der Partei habe man sich, genährt durch Querschüsse und Querelen, "gewöhnt an gegenseitiges Misstrauen" und "gewöhnt an emotionale Wunden und Schmerzen, die wir uns selbst zugefügt haben". Die SPÖ sei in den letzten Jahren "unglaubwürdig" geworden, was Zusammenhalt und Solidarität untereinander betreffe. "Es ist in den Zeitungen zu lesen, was wir übereinander denken. Das schwächt uns."

Rendi-Wagner wünschte sich, "dass wir eine gemeinsame, starke Familie sind. Eine Familie, die füreinander einsteht." Gemeinsam sollte die Partei einen Sieg für Wien anpeilen – "ob mit mir oder ohne mich an der Spitze der Bundespartei", sagte Rendi-Wagner offen. Sie selbst habe nichts zu verteidigen: "Kein Amt und keine Funktion."

Ludwig stimmt für Rendi-Wagner

Ludwig sicherte ihr Unterstützung zu. Auf die Frage eines Journalisten, ob er für Rendi-Wagner als Bundesparteivorsitzende stimmen werde, sagt er knapp: "Ja."

In Sachen Aufnahme von Flüchtlingen verwies Ludwig einmal mehr auf die Bundesregierung. Solange kein Ansuchen an die Stadt Wien gestellt werde, sei man rechtlich nicht in der Lage, zu handeln. Er verwies darauf, dass die Stadt Wien gemeinsam mit den anderen Bundesländern bereits ein Finanzierungspaket für die Vor-Ort-Hilfe geschnürt habe, der Anteil Wiens sei überdurchschnittlich hoch. Vergangene Woche war fixiert worden, eine Million Euro Soforthilfe für Syrien bereitzustellen.

"Die Vögel sind trotz der Vogelgrippe auch gekommen"

Die am Montag gestartete zweitägige Klubtagung wurde vom Hausherr, Frauenkirchens Bürgermeister Josef Ziniel (SPÖ), zuvor launig eingeleitet. Ziniel meinte, dass er besorgt war, ob die Klausur der Wiener SPÖ aufgrund der Coronavirus-Krise überhaupt stattfinden könne. Aber: "Die Vögel sind trotz der Vogelgrippe auch gekommen. So ein Virus hält uns nicht von der Arbeit ab." Er wünschte den Wiener Genossen frischen Wind und einen Wahlsieg im Herbst.

Als Geschenk für Ludwig gab es "dunkelroten" Biowein aus Frauenkirchen – "kein blauer Zweigelt und auch kein grüner Veltliner. Wir sind auf absolute Verhältnisse im Burgenland eingestellt." Den Wienern verzieh er auch das Jausensackerl, das den Delegierten zur Verfügung gestellt wurde: mit mitgebrachtem Obst und Gemüse aus Wien. "Ich verzeihe euch gerne das Jausensackerl. Das haben auch unsere Maurer immer mitgehabt, als sie von hier in die Arbeit nach Wien gefahren sind." (David Krutzler, Rosa Winkler-Hermaden, Oona Kroisleitner, 9.3.2020)