Erst Stress und Druck motivieren Frauen und Männer zur Höchstleistung in Konkurrenzsituationen? Nein, sagt das Max-Planck-Institut und legt dazu eine Studie vor.

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Für Frauen wie Männer gilt: Wettbewerb spornt zu besseren Leistungen an. Sind Frauen jedoch zusätzlich erhöhtem Stress ausgesetzt, haben Wettbewerbssituationen auf sie den gegenteiligen Effekt: Ihre Leistung nimmt ab. Folglich vermeiden gestresste Frauen verstärkt den Wettbewerb. Diese Ergebnisse einer ökonomischen Studie könnten erklären, warum Frauen in gut bezahlten Berufen sowie in Führungspositionen immer noch unterrepräsentiert sind, und stellen so manche Management-Methode infrage.

Die wichtigsten Karriereereignisse – etwa Vorstellungsgespräche, Aufnahmeprüfungen oder Gehaltsverhandlungen – ereignen sich häufig unter Stress und in Wettbewerbs-situationen. Zu verstehen, wie sich Stress auf das Wettbewerbsverhalten von Menschen auswirkt, ist daher von entscheidender Bedeutung, um Geschlechterunterschiede auf dem Arbeitsmarkt zu analysieren oder optimale Einstellungspraktiken und Anreizsystemen für Mitarbeiter zu gestalten. Die Ökonomen Jana Cahliková vom Max-Planck-Institut für Steuerrecht und öffentliche Finanzen, Lubomír Cingl von der Wirtschaftsuniversität Prag sowie Ian Levely vom King’s College London haben Laborexperimente mit 190 Studierenden (95 Männer und 95 Frauen) durchgeführt, um zu untersuchen, wie Frauen und Männer auf Stress und Wettbewerb reagieren.

Erst Wettbewerb unter starken Stress verringert Leistung

Sie manipulierten den Stresspegel ihrer Probandinnen und Probanden und untersuchten die Auswirkungen auf das Wettbewerbsverhalten. Stark gestresste weibliche Probandinnen zeigten im Wettbewerb eine schwächere Leistung als ohne. Interessanterweise erzielten sowohl stark als auch wenig gestresste Probandinnen die gleiche Leistung, solange sie nicht im Wettbewerb standen. Resümee der Forscher: Bei weniger Stress spornt Wettbewerb auch Frauen an. Erst die Kombination von starkem Stress und Wettbewerb wirkt sich negativ auf die Leistung von Frauen aus: Stress an sich mindert die Leistungsfähigkeit nicht, und Wettbewerb an sich spornt wenig gestressten Frauen an. Frauen, die ohnehin eher vor Wettbewerbssituationen zurückschrecken als Männer, sind unter starkem Stress noch weniger bereit, zu konkurrieren.

Bei Männern konnte das Forscherteam zwar keine negativen Auswirkungen von Stress auf die Leistung feststellen, auch nicht in Wettbewerbssituationen. Dennoch vermeiden Männer wie auch Frauen den Wettbewerb eher, wenn sie unter psychosozialem Stress stehen. "Unsere Ergebnisse können dazu beitragen, geschlechtsspezifische Unterschiede auf dem Arbeitsmarkt zu erklären", sagt Jana Cahliková. "So entfalten zum Beispiel Frauen in Einstellungsverfahren, die gleichzeitig Stress und Wettbewerbssituationen beinhalten, nicht ihr volles Potenzial. Vor allem, wenn in Vorstellungsgespräch oder Assessmentcenter ein höheres Ausmaß an Stress und Wettbewerb erzeugt wird, als die eigentlichen Arbeit oder Position später erfordern. (kbau, 10.3.2020)