Obersdorf bei Wolkersdorf im Weinviertel hat wieder ein Wirtshaus. Es nennt sich die Schmauserei.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Patrick Lentavitsch hat schon bei Max Stiegl im Gut Purbach gekocht, war zwei Jahre Teil der Steirereck-Brigade und vor ziemlich langer Zeit auch einmal ein Jahr im Mraz und Sohn. Zuletzt bekochte der Mann das Philigrano in der Wiener Innenstadt. Aufgewachsen ist er in Seyring, ein paar Kilometer nördlich der Wiener Stadtgrenze – und ums Eck von Obersdorf.

Die Stadt franst hier gemächlich ins echt Ländliche aus. Vielen hier ist die Gemeinde ein klassisches Schlafdorf. Eben dahin ist Lentavitsch seit vergangener Woche heimgekehrt, um das Wirtshaus im Ortszentrum zu übernehmen. Das an den Veranstaltungssaal der Gemeinde angeschlossene Lokal ist ein ziemlich mächtiges Ding mit gut 80 Sitzplätzen, massiver Schank und durchaus aufwendiger – wenn auch auf Pflegeleichtigkeit ausgerichteter – Gestaltung.

Zuletzt hieß das Lokal "s'Obersdorfer", Lentavitsch hat es "die Schmauserei" genannt. Schon wahr: Es ist nicht leicht, den richtigen Namen für sein eigenes Wirtshaus zu finden. Die seit alters her etablierte Variante – einfach den eigenen Nachnamen, davor nach Gusto und Angebot entweder Gast-, Wirts- oder Weinhaus, für die ganz Feinen eventuell Restauration – gilt heute vielen als zu simpel, als dass sie dem eigenen Anspruch genügen könnte. Ein Kunstwort, das einen antiquierten Begriff auf gewollt lockere Art verwortakelt, macht dagegen natürlich mehr her.

Die Gäste lassen sich in der ersten Woche davon nicht abschrecken: Die Hütte ist an einem verregneten Mittwoch im März gesteckt voll. Und es ist nicht so, dass die alle nur Schnitzel ordern – die meisten freilich schon. Dabei bemüht sich Lentavitsch eh nach Kräften, ihnen auch anderes schmackhaft zu machen.

Gebackene Nuggets vom Kalbsbries zum Beispiel, auf schwungvoll mariniertem Vogerlsalat, eine tadellose Vorspeise. Die chipsähnlichen Gebilde aus getrocknetem Chiasamen-Schleim hätte es nicht unbedingt als Deko gebraucht, die sehen nämlich aus wie asbesthältiger Sondermüll und schmecken (okay, mutmaßlich) auch nicht viel anders.

Karfiol mit Sauce Hollandaise und Butterbröseln
Foto: Gerhard Wasserbauer

Klare Rindsuppe wird im Emaille-Kochtöpfchen serviert, gerät aber dennoch nur lauwarm. Dafür ist sie geschmacklich in Ordnung und mit einem feinen Kaspressknödel versehen. Ein bisserl mehr Würzigkeit darf man sich wünschen: Kenner und andere Vorarlberger schwören mit gutem Grund darauf, für diese herrliche Suppeneinlage nur so stinkigst wie möglichen Käse zu verwenden – und da, wenn es irgendwie geht, nur den bereits Abgelaufenen.

Kein Fleischbrei

Beef Tartare gibt es auch, und das kann wirklich was: Fein gehackt statt zum sonst üblichen Fleischbrei faschiert, von herausragender Fleischqualität und mit fantastischer Sardellenmayonnaise, frittierten Kapern und gar nicht wenig Chili mariniert – eines der besten Tartares seit langer Zeit.

Karfiol mit Sauce Hollandaise und Butterbröseln ist (siehe Bild) eine zwingend köstliche Kombination aus zwei klassischen Darreichungsformen (Würstel mit Saft und Kren wäre auch so eine!), die Kohlblume ist auch schön knackig blanchiert. Dass sie dennoch ein wenig kraftlos wirkt, könnte einem ausgedehnten Wasserbad geschuldet sein, schade. Tafelspitz wird ganz klassisch mit gutem Apfelkren und noch besserer Schnittlauchsauce serviert, dazu gibt es g’röstete Erdäpfel mit Kürbis, sehr in Ordnung.

Die Weinauswahl ist einstweilen noch sehr eindimensional und ultralokal gehalten – irgendwie eh sympathisch. Aber wollen die Leute hier wirklich im Restaurant trinken, was sie alle Tage beim Heurigen vorgesetzt bekommen? (Severin Corti, RONDO, 13.3.2020)

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