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Max von Sydow spielte zunächst am Theater, ehe er in Hollywood Karriere machte und bis zuletzt in zahlreichen Blockbustern auftrat.

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Der dreiäugige Rabe in der Serie "Game of Thrones" hat den Vorteil einer wandelbaren Gestalt. Zuerst ist er ein Vogel mit einem zusätzlichen Sehorgan, später ist er ein alter Mann, der mit einem Baum verwachsen ist, und auf geheimnisvolle Weise ist der Rabe dabei immer auch Bran Stark, der junge Held auf einem verschlungenen Erkenntnisweg. In der sechsten Staffel aber wurde der dreiäugige Rabe zu einem Geschichtszeichen: Denn der hagere, alte Mann mit weißem Haar, der ihn da in einer menschlichen Gestalt spielte, war Max von Sydow.

Mit dieser Besetzung überbrückte die Serie einen großen kulturellen Sprung. Am Beginn der Karriere des schwedischen Schauspielers stand eine Rolle, die heute wie ein ferner Spiegel für mythisches Erzählen wie in "Game of Thrones" wirkt: Max von Sydow war der Ritter Antonius Block in "Das siebente Siegel" (1957) von Ingmar Bergman. Ein Mann, der aus den Kreuzzügen an eine nördliche Küste zurückgekehrt ist und der den Tod mit einem Schachspiel herausfordert.

Ringen mit der Religion

Was bei Bergman eine philosophisch verdichtete Parabel war, ist in "Game of Thrones" eine ganze Kosmologie: ein Bild vom Menschen, der niemals vollkommen aus dem Bann der Naturgewalten tritt. Max von Sydows große Karriere als Schauspieler hatte wohl damit zu tun, dass er genau diese Schwelle mit seiner markanten Physis genau traf – ein Gesicht, in dem man immer schon mehr als nur eine menschliche Biografie sehen konnte. Ein asketischer Typus, gezeichnet von den Mühen des Zivilisationsprozesses.

Beinahe die ganze erste Phase von Sydows Karriere stand im Zeichen von Ingmar Bergmans Ringen mit einer Religion, die zwischen archaischen Legenden ("Die Jungfrauenquelle", 1960) und existenzieller Leere ("Licht im Winter", 1962) alles offenließ, außer den Himmel.

Schauspiel an der äußersten Grenze

Hollywood zog aus diesen ersten Rollen eine einfache Konsequenz. 1965 spielte Max von Sydow den Jesus in "The Greatest Story Ever Told" von George Stevens, mit dunkel gefärbten Haaren und einem Ausdruck aufgesetzter Heiligkeit inmitten zahlreicher markanter anderer Figuren. Viel besser stand ihm 1973 die Figur des Pater Merrin in "The Exorcist", eine frühe Altersrolle, die geläufige Vorstellungen von Schauspiel an die äußerste Grenze trieb, nämlich die der Besessenheit. Sich zum Gefäß des Teufels zu machen war zugleich höchste katholische Disziplin und letzte darstellerische Raffinesse.

Obwohl der am 10. April 1929 als Carl Adolf von Sydow geborene Schwede mit deutschen familiären Wurzeln zutiefst europäisch geprägt war, fühlte er sich in Amerika immer sehr wohl, und es mangelte ihm nie an Rollen. Häufig waren es Geschichten mit einem Hang zum Fantastischen: Sydow war in "Flash Gordon", in David Lynchs Versuch über "Dune – Der Wüstenplanet", in "Conan – der Barbar" zu sehen.

Der Höhepunkt dieser Rollen, die alle einen Hang zum Cameo haben, also eher zur Ablieferung eines Erkennungsmerkmals als zu einer ausgearbeiteten Figur, war der Schurke Stavro Blofeld in dem James-Bond-Film "Never Say Never Again" (1983).

Ausgeprägte Individualität

Max von Sydow tauchte sogar bei Woody Allen auf, in "Hannah und ihre Schwestern", in dem er den Künstler Frederick spielte. Hier hatte er einen der vergleichsweise seltenen Momente, in denen er tatsächlich als nuancierter Schauspieler gefragt war – allzu oft war er doch ein bisschen ein Gefangener seiner markanten Erscheinung.

Das hohe Alter, das Max von Sydow erreichte, ließ ihn zum Zeugen und zur Verkörperung vieler bedeutender kultureller Veränderungen werden. Das Kino, in dem er begann, stand noch im Zeichen einer zwar angefochtenen, aber doch ausgeprägten Individualität, die sich im liberalen Europa eine Gesellschaftsform suchte; "Pelle, der Eroberer" von Bille August gehört, wiewohl ein historischer Stoff, in diese Kategorie. Es war nach Sydows Bekunden seine Lieblingsrolle: eine Vaterfigur in einem Drama beginnender Emanzipation. Eine seiner letzten Rollen führte ihn sogar noch in das Universum von "Star Wars", also in eine Welt, in der die Fragen und Themen der Menschheit auf das Format einer durchkalkulierten Science-Fiction-Saga gebracht werden.

Späte Charakterrolle

2012 hatte Max von Sydow in der Romanverfilmung "Extrem laut & unglaublich nah" nach Jonathan Safran Foer eine späte, feine Charakterrolle. Seinen 90. Geburtstag vor einem Jahr feierte er in Gesellschaft seiner zweiten Frau Catherine Brelet, mit der er seit 1997 verheiratet war und mit der er zwei Kinder hatte, wie schon aus seiner ersten Ehe mit Christina Olin.

Max von Sydow lebte zuletzt in Paris. Am Sonntag ist er kurz vor seinem 91. Geburtstag gestorben. (Bert Rebhandl, 9.3.2020)