Chefredakteur Richard Schmitt trat im Medienprozess gegen oe24.at als Zeuge auf.

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Wien – Ein Verfassungsrichter, ein pensionierter Spitzenpolizist und ein Chefredakteur: Richter Stefan Romstorfer kann sich über einige Prominenz in seinem Verhandlungssaal freuen. Der Hintergrund: Ernst Geiger, ehemaliger Chef der Wiener Kriminalpolizei und zuletzt hochrangiger Beamter im Bundeskriminalamt, hat oe24.at, den Onlineauftritt von "Österreich", geklagt. Geiger sieht sich von dem Medium zu Unrecht in die Nähe der Ibiza-Affäre gerückt.

Oe24.at-Chefredakteur Richard Schmitt hatte im September einen Artikel veröffentlicht, in dem darüber berichtet wurde, Geiger habe Kontakt mit einem Privatdetektiv gehabt, der in die Herstellung des Videos verwickelt sein soll. "Damit ist eine politisch brisante Verbindung zur Polizeispitze bestätigt: Der Privatdetektiv ist immerhin der langjährige Geschäftspartner des mutmaßlichen Regisseurs der Videofalle für Strache und Gudenus", steht dazu zu lesen.

Bereits für Printausgabe verurteilt

Einen Prozess in dieser Sache gegen die Printausgabe hat der Ruheständler bereits nicht rechtskräftig gewonnen, die endgültige Entscheidung dazu soll am 25. März am Oberlandesgericht fallen. Nun will er auch für die Verbreitung im Internet eine Entschädigung.

Sein Anwalt, Verfassungsrichter Michael Rami, legt dem Richter zu Beginn der Verhandlung mit genüsslichem Lächeln Eigenwerbung von oe24.at vor. Da die Seite demnach "echte Sensationswerte" erreiche, zitiert Rami Geschäftsführer Niki Fellner, "hat diese Reichweite auch Auswirkung auf die Höhe der Entschädigung". Oe24.at-Anwalt Peter Borbas nimmt es gelassen zur Kenntnis.

Letzter Kontakt war Jahre vor Ibiza

Geiger sagt als Zeuge, was er auch schon beim ersten Verfahren mitgeteilt hat: Er habe in seiner Karriere mit dem fraglichen Detektiv zweimal Kontakt gehabt. Einmal im Jahr 2007, als Geiger wegen der "Wiener Polizeiaffäre" suspendiert war und bei Magna gearbeitet hat. Und einmal 2010, nach seiner Rehabilitation und Freispruch vom Amtsmissbrauchsvorwurf, in seiner Funktion im Bundeskriminalamt. Das sei aber sieben Jahre vor dem Ibiza-Dreh und neun vor der Videoveröffentlichung gewesen.

Wie er auf ein in Werbeunterlagen verwendetes Organigramm der Detektivfirma gekommen sei, kann Geiger sich nicht erklären, das steht auch so im inkriminierten Artikel. Oe24.at-Anwalt Borbas argumentiert daher, man habe nie behauptet, Geiger sei Teil eines kriminellen Netzwerkes, sondern nur, dass es Kontakt gegeben habe.

Chefredakteur wollte "nicht schaden"

Chefredakteur Schmitt beteuert als Zeuge, er habe nie die "Intention, dem Herrn Doktor Geiger zu schaden" gehabt. Für ihn sei es aber nach wie vor brisant, "wenn eine Tätergruppe Kontakt zur Polizei sucht", erklärt der Journalist dem Richter. "Aber der Kontakt war ja vor neun Jahren?", wirft Romstorfer daraufhin ein. Schmitt bestätigt, von keinem späteren Treffen zu wissen.

Wegen übler Nachrede wird oe24.at schließlich nicht rechtskräftig neuerlich verurteilt: Das Urteil muss im Internet veröffentlicht werden, und Geiger erhält 2.000 Euro Entschädigung zugesprochen. Dass es nicht mehr wurde, begründet Romstorfer leicht ironisch an Rami gewandt: "Die Eigendarstellung der Reichweite ist mit Vorsicht zu genießen, was oe24 betrifft." (Michael Möseneder, 9.3.2020)