Ein französisches Filmplakat von Mitte der 1980er-Jahre bringt das filmische Gesamtschaffen des stoischen und kugelsicheren Actionhelden auf den Punkt.

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Andere Helden des TV-Kabelangebots für die Nachmittagsbetreuung wohlstandsverwahrloster Pflichtschüler vertrauen zwecks Rettung der Welt auf ihr sprechendes Auto oder auf ihr Köpfchen, einen Bindfaden und ein Streichholz. Dieser Mann hatte immer nur seinen stahlharten Körper, die Weisheit fernöstlicher Kampfsport- und Tötungsarten sowie vier, fünf Faustfeuerwaffen im Talon.

Im Gegensatz zum Knight Rider oder MacGyver rettete Chuck Norris in seinen verschiedenen Rollen als Walker, Texas Ranger, McQuade, der Wolf oder Cusack – der Schweigsame die Welt mit reiner Gewalt. Die Rollen waren so angelegt: Sylvester Stallone, knochengebrochen durch Steven Seagal, erschossen von Charles Bronson, dem Mann, der immer rot sieht. Im Gegensatz zu den fröhlich-anarchistischen Prügeleien eines Bud Spencer und Terence Hill war bei Chuck Norris gar nichts lustig. Humor: null, niente, zero. Peng, peng, zack, knuff.

Der freie Westen, unser Wertesystem waren und sind stets bedroht. In jedem Film, jeder TV-Folge droht die Welt unterzugehen. Dagegen wird zurückgeschlagen. Hau drauf – und Schluss.

Kein Feder- und ...

Der US-Kampfsportler und weltbeste Chuck-Norris-Darsteller Carlos Ray Norris Jr. feiert am 10. März seinen 80. Geburtstag. Halb Cherokee, halb irischer Abstammung, blickt der Mann dabei auf eine erfüllte Karriere als Vollblutkerl mit Vorbildwirkung für das Kind im Manne zurück, der nicht nur einmal das Weiße Haus und damit uns alle vor dem sicheren Untergang rettete.

Diverse grimmige Kalte Krieger aus gottlosen Weltregionen im Osten ("Geh doch nach drüben!") wurden von dem Mann in seinen pädagogisch wertlosen Filmen ebenso niedergedögelt, wie arabischen Schurken das Handwerk gelegt wurde – inklusive korrupter Richter, liberalem Sozipack, Drogendealern und überhaupt dem Feind im Inneren. Das Böse im Herzen der großen amerikanischen Nation muss uns allen immer schon als das gefährlichste von allen gelten. Bevor wer fragt: Selbstverständlich betrieb Norris auch Geschichtsbegradigung. Zumindest moralisch gingen die USA in Missing in Action I & II im Nachhinein als Sieger des Vietnamkriegs hervor.

HuffPost Entertainment

Mit stoischer Miene, wetterfestem Vokuhila sowie bis auf 150 Meter Meerestiefe kugelsicherem Vollbart machte Norris kein Feder- und wenig Drehbuchlesen, wenn es um eines ging: dem Gegner den Garaus zu machen. Ab den 1970er-Jahren, und später dann im goldenen Zeitalter der VHS-Kassetten aus dem Videoverleih, prügelte und schoss sich Chuck Norris durch Machwerke, die ebenso schnörkellos gestaltet waren wie seine Schauspielkunst.

Der Worte sind genug gewechselt, lass Taten folgen. Opfer war Chuck Norris nie. Der ehemalige Soldat der US Air Force wandte sich 1960 während seines Einsatzes in Korea der Kampfsportart Tang Soo Do zu, später folgten Taekwondo oder brasilianisches Jiu-Jitsu. Sein Markenzeichen dabei: der sogenannte "Roundhouse-Kick", der bis ins hohe Alter in seinen Filmen auftaucht. Chuck Norris holte diverse internationale Karate-Championship-Titel und gründete Kampfsportschulen. Er tauchte ab Ende der 1960er-Jahre in Low-Budget-Filmen von Bruce Lee auf, etwa in Die Todeskralle schlägt wieder zu.

... wenig Drehbuchlesen

Bis in die 1990er-Jahre folgten patriotische Soloarbeiten wie Delta Force, Invasion U.S.A. oder Forest Warrior, später der im ORF lange Zeit nachts auf Endlosschleife laufende Walker.

Dass Chuck Norris heute Kultstatus genießt, liegt nicht etwa in seinem Eintreten für die US-Waffenlobby, die Republikaner (wenn sie nicht zu weich sind), die Ablehnung der Evolutionstheorie oder seiner Mitgliedschaft bei den evangelikalen Christen begründet. Eher schon wurde er während der Nullerjahre aufgrund zweier überlebter Herzinfarkte an einem Tag (!) und Internetwitzen über seine in den Filmen vermittelte übermenschliche Stärke plötzlich hip im durchironisierten Zeitalter: "Chuck Norris isst keinen Honig. Er kaut Bienen."

Valentin Bajkov

Eine später von Kollege Jean-Claude van Damme in einer Werbung parodierte Internet-Weihnachtsbotschaft von Norris, der dabei im Spagat auf den Tragflächen zweier in der Luft befindlicher Flugzeuge balanciert, tat das Übrige zum Hype.

Im Volksschulalter kämpfen Buben gerne als unverwundbare Helden gegeneinander. Die Handlung passt auf einen Spickzettel. Chuck Norris, geh du für uns voran. Apropos: Einer unbestätigten Meldung zufolge ist Chuck Norris bereits vor zehn Jahren gestorben. Der Tod hat sich nur noch nicht getraut, es ihm zu sagen. (10.3.2020)