Die Panik vor den wirtschaftlichen Folgen des Coronavirus und der Ölpreisschock führten am Montag dazu, dass die Märkte weltweit absackten. Investoren ziehen jetzt die Notbremse und drängen aus dem Markt.

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Der Ölpreis ist von Sonntag auf Montag um mehr als 30 Prozent gefallen. Das war die größte Korrektur seit 1991, als der Zweite Golfkrieg ausgebrochen ist. Hinzu kommt die Panik wegen der wirtschaftlichen Folgen des sich ausbreitenden Coronavirus. Anleger wollten am Montag um jeden Preis aus dem Markt – der Ausverkauf hat begonnen. Der Dow Jones verlor 7,79 Prozent – das ist der höchste Punkteverlust der Geschichte und das prozentuell stärkste Minus seit dem Krisenjahr 2008. Übrigens zum dritten Mal an einem Montag, auch die Börsencrashs der Jahre 1929 und 1987 erfolgten zu Wochenbeginn. Die wichtigsten Fragen zur aktuellen Krise.

Frage: Was hat den Ölpreissturz ausgelöst?

Antwort: Ein Nichtbeschluss. Die Organisation erdölexportierender Länder (Opec) beziehungsweise deren wichtigstes Mitglied Saudi-Arabien hat sich voriges Wochenende von Russland eine Abfuhr geholt, ab April weniger Rohöl zu produzieren, um damit die Preise zu stützen. Das zuletzt im Dezember 2019 zwischen der Opec und anderen Ölproduzenten rund um Russland verlängerte Abkommen, das eine tägliche Produktionskürzung um 2,1 Millionen Fass am Tag (139 Liter) im Vergleich zu 2018 vorsah, läuft somit Ende März aus.

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Frage: Warum traten die Saudis noch bis vor kurzem für höhere, Russland für moderatere Preise ein?

Antwort: Darüber kann nur spekuliert werden. Saudi-Arabien, das mit Milliardenaufwand sein Wirtschaftssystem umstellen will, um so – angesichts der Klimadiskussion nicht unwichtig – weniger abhängig von Ölexporten zu werden, benötigt für einen ausgeglichenen Staatshaushalt laut Expertenschätzungen Preise über 80 Dollar je Fass. Russland sieht seinerseits die Chance, mit moderaten Preisen die ungeliebte US-Konkurrenz aus dem Feld zu schlagen. Schieferölproduzenten aus den USA seien die wahren Profiteure der im Herbst 2016 geknüpften Vereinbarung zwischen Opec und Nicht-Opec-Ländern, genannt Opec+. Das Gesamtvolumen des Öls, das durch die wiederholte Verlängerung des Abkommens reduziert wurde, sei auf dem Weltmarkt vollständig und schnell durch US-Schieferöl ersetzt worden.

Frage: Wie geht es US-Schieferölerzeugern?

Antwort: Zumindest besser, als manche vermuten, sagt David Wech, Chef der Wiener Energieagentur JBC Energy. Das sei Folge einer Konsolidierung und von Kostensenkungsmaßnahmen, die bei zurückliegenden Preiseinbrüchen passiert sind. Inzwischen seien auch einige große Ölkonzerne in die Produktion von Schieferöl eingestiegen, die seien finanzkräftig genug, um auch Zeiten noch niedrigerer Preise durchzustehen. Und weil heuer Präsidentschaftswahlen in den USA anstehen, werde wohl auch die Regierung in Washington notfalls helfend einspringen, um den Verlust von Arbeitsplätze im Ölsektor zu vermeiden.

Frage: Warum die 180-Grad-Wende der Saudis?

Antwort: Dazu gibt es mehrere Theorien. Eine lautet, dass die Saudis möglichst rasch großen Druck aufbauen möchten, um anderen Produzentenländer an den Verhandlungstisch zurückzubringen und auf Linie zu bringen – sprich: den Plan einer zusätzlichen Produktionskürzung umzusetzen.

Frage: Die russisch-saudische Achse hat seit 2016 – Stichwort Opec+ – überraschend gut funktioniert, warum jetzt nicht mehr?

Antwort: Neben unterschiedlichen Annahmen, wie sich angesichts der Coronavirus-Krise und des wirtschaftlichen Niedergangs in weiten Teilen der Welt die Ölnachfrage in nächster Zeit entwickeln wird, dürfte auch die Chemie zwischen den Verhandlern auf saudischer und russischer Seite nicht mehr stimmen. Prinz Abdulaziz bin Salman ist der Erste aus der Königsfamilie, der das Ölgeschäft der Saudis verantwortet – und verfügt angeblich über deutlich weniger Fingerspitzengefühl als sein geschasster Vorgänger Khalid al-Falih. Dieser hat das Opec+-Abkommen mitinitiiert, er konnte mit seinem russischen gegenüber Alexander Nowak ausgesprochen gut. Bin Salman ist anders. "Die Russen lassen sich nicht vorschreiben, was sie tun sollen", bringt es ein Experte auf den Punkt.

Frage: Wie lange kann Saudi-Arabien seine Linie halten und aus vollen Rohren produzieren?

Antwort: "Sicher ein bis zwei Jahre, wenn sie es wirklich wollen," sagt David Wech von JBC Energy. Er verweist auf die niedrigen Produktionskosten der Saudis und auf die Tatsache, dass mit vergleichsweise wenig Aufwand zusätzliche Bohrungen im Wüstensand vorgenommen werden können. Durch versprochene Rabatte auf den offiziellen Ölpreis will Saudi-Arabien jedenfalls schon ab April Marktanteile gewinnen, insbesondere zulasten russischer Lieferanten, aber auch von US-Erzeugern.

Nach dem Zerfall der Opec fiel der Ölpreis aus allen Wolken – und die Aktienmärkte taten es ihm gleich.
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Frage: Die Börsen sind am Montag abgestürzt. Liegt das nur am Ölpreisschock?

Antwort: Nein. Der Ölpreisschock hat unterstrichen, dass die Börsen als Folge des Coronavirus eine globale Rezession einpreisen. Die Zahl der Infizierten steigt rasant an. Die mehr als 100 Todesfälle am Wochenende in Italien samt großräumiger Absperrungen erhöhen die Panik. Zudem werden laufend Großevents abgesagt oder verschoben.

Frage: Wie stark fielen die Kursverluste aus?

Antwort: Weltweit kannten die Börsen am Montag nur eine Richtung – die nach unten. Die US-Börsen sackten zum Handelsstart um mehr als sieben Prozent ab, der Dow Jones verlor 7,79 Prozent, ein Rekordpunkteminus. Der Handel wurde daraufhin für 15 Minuten unterbrochen. In Europa haben die Börsen zwischen fünf und gut 15 Prozent verloren. Am stärksten waren die Märkte in Italien und Griechenland betroffen. Dort sackten die Leitindizes im Tagesverlauf um 11,6 beziehungsweise 13,4 Prozent ab.

Weil Investoren eine globale Wirtschaftskrise fürchten, wollen jetzt alle zeitgleich aus dem Markt. "Die Panik am Markt ist jetzt spürbar", sagt Robert Karas, Chief Investment Officer der Gutmann Privatbank. Die gestiegene Volatilität wird laut Karas die Märkte noch länger begleiten. "Historisch betrachtet sorgte der März oft für Wendepunkte an den Börsen", sagt Monika Rosen-Philipp, Chefanalystin Private Banking der Unicredit Bank Austria. Am 9. März 2009 sackte der US-Index S&P 500 ab und markierte sein Tief nach der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers. Am 10. März 2000 platzte die Dot-Com-Bubble und schickte die Märkte auf eine Talfahrt.

Frage: Ist die Angst vor einer globalen Rezession berechtigt?

Antwort: Die Gefahr einer weltweiten Rezession ist gegeben, weil wichtige Branchen wie etwa der Tourismus stark eingebrochen sind. Auch viele Industriezweige leiden, weil Lieferketten unterbrochen sind. In so einer Krisenstimmung warten viele einfach mal ab, verschieben Investitionen auf später. Das ist schlecht für die Konjunktur. Eine genauere Aussage bezüglich der Konjunktur wird man erst treffen können, wenn die Zahlen für März auf dem Tisch liegen. Die Angst vor einer globalen Rezession ist aber da. Das zeigen Zahlen der Investment-Beratungsfirma Sentix, die am Montag einen bislang beispiellosen Einbruch ihres Barometers innerhalb eines Monats in allen Weltregionen gemeldet hat. Demnach fiel der globale Konjunktur-Index im März von plus 8,1 Zählern auf minus zwölf Punkte zurück. Nie zuvor sei ein so starker synchronisierter Einbruch der Weltkonjunktur in den Sentix-Daten messbar gewesen, sagte Geschäftsführer Manfred Hübner.

Frage: Wie reagierten die wichtigsten Währungen auf die Börsentumulte?

Antwort: Der Dollar neigt vor allem wegen der in der Vorwoche erfolgten Zinssenkung der US-Notenbank Fed um einen halben Prozentpunkt zur Schwäche, der Euro stieg mit 1,14 Dollar auf den höchsten Stand seit etwa einem Jahr. Dadurch wird übrigens der Verfall des Ölpreises in Euro gesehen sogar noch verstärkt. Auf den höchsten Stand seit 2015 ist der Schweizer Franken gestiegen, der als sicherer Hafen für turbulente Zeiten gilt. Für einen Euro waren nur noch 1,06 Franken zu berappen. Mit dem Anstieg des Franken erhöht sich übrigens auch die Restschuld jener österreichischen Haushalte, die Ende 2019 noch mit 13 Milliarden Euro in Franken verschuldet waren.

Frage: Warum profitieren Staatsanleihen und Gold in dieser Situation?

Antwort: Auch in Staatsanleihen guter Bonität flüchten Anleger in Krisenzeiten. Sie sind sogar bereit, dafür negative Renditen von minus 0,8 Prozent für zehnjährige deutsche Schuldpapiere in Kauf zu nehmen. Verkauft werden Titel weniger solider Schuldner: Die Rendite zehnjähriger italienischer Staatsanleihen kletterte mit fast 1,4 Prozent auf ein Zweijahreshoch. An den Finanzmärkten gilt auch Gold als Zufluchtsort in Krisen, mit mehr als 1.700 US-Dollar für eine Feinunze erreichte der Preis zeitweise den höchsten Stand seit sieben Jahren. (Günther Strobl, Alexander Hahn, Bettina Pfluger, 9.3.2020)