Werden Geisterspiele im Fußball zur Regel? Am Sonntag bejubelte Juventus unter Ausschluss der Öffentlichkeit ein 2:0 über Inter Mailand.

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Der Marathon in Wien bewegt die Massen. Gut 40.000 nehmen die diversen Bewerbe in Angriff, noch viel mehr stehen am Streckenrand.

Österreichs Fußball hat es nicht besonders eilig. Während die Meisterschaft in der Schweiz zumindest schon bis 23. März unterbrochen ist, in Italien unter Ausschluss der Öffentlichkeit gespielt wird und auch in Deutschland Geisterspiele bevorstehen, wartet die heimische Bundesliga in Sachen Coronavirus ab. Man vertraut Experten, man steht in Kontakt mit den Behörden. Da ebendort nicht die Alarmglocken schrillen, sollen am Wochenende alle Partien wie geplant stattfinden. Nichts deute auf Spiele ohne Publikum oder gar Absagen hin. So lautet zumindest die offizielle Version. Inoffiziell ist der Bundesliga bewusst, dass sich die Lage zuspitzt, dass Österreich in den nächsten Tagen seinen Nachbarländern folgen könnte.

Am Donnerstag spielt der LASK in der Europa League vor 14.000 Zusehern auf der Linzer Gugl gegen Manchester United, am Sonntag trifft Red Bull Salzburg zum Auftakt der Meisterrunde auf Rapid Wien. Der Titelverteidiger hofft auf 17.000 Zuseher und ein Fußballfest. In Wals-Siezenheim ist man im Gespräch mit dem STANDARD um kühlen Kopf bemüht. Einige Maßnahmen in Sachen Prävention seien bereits getroffen worden. So wurden in der Red Bull Arena allerorts Benimmregeln plakatiert und Desinfektionsmittelspender installiert. Interviews hätten zuletzt vorzugsweise per Telefon stattgefunden.

Geisterspiele unerwünscht

Ein Geisterspiel hat Red Bull Salzburg 2018 bei Roter Stern Belgrad in der Qualifikationsrunde zur Champions League erlebt, auf eine weitere Erfahrung dieser Art möchte man verzichten: "So sollte Profifußball nicht ablaufen." Und so wird er in Österreich wohl auch nicht ablaufen. Sollten die Behörden größere Veranstaltungen untersagen, gibt es zwei mögliche Szenarien: Entweder man verzichtet auf die Fankulisse oder man verschiebt die Spiele. Es ist anzunehmen, dass sowohl Liga als auch Vereine die zweite Variante bevorzugen. Einerseits gibt es gegen Ende der Saison genug Möglichkeiten, englische Wochen einzuschieben. Andererseits wollen die Vereine nicht auf ihre Spieltagseinnahmen verzichten. Auch mögliche Regressforderungen der Abonnenten könnten sich auf die Finanzen schmerzhaft auswirken. In Salzburg sah man zuletzt bei der sturmbedingten Verschiebung der Partie gegen Eintracht Frankfurt, dass Planänderungen "nicht gerade billig" sind.

Und es gibt ja nicht nur Fußball. "Wir arbeiten so, als wäre Normalzustand." Was bleibt Wolfgang Konrad, dem Veranstalter des Vienna City Marathon, auch anderes über? Natürlich ist nicht Normal-, sondern Coronavirus-Zustand, ringsum werden Sportevents abgesagt. Die Frühlingsmarathons in Paris und Barcelona wurden in den Herbst verschoben, jener in Rom wurde abgesagt. Doch der Termin des Wien-Marathons steht noch: 19. April.

"Nicht versichert"

Auch Konrad muss "abwarten, was die Behörden sagen. Wir wollen durchführen und werden nicht von uns aus absagen." Am Montag hatte der 61-Jährige, der mit der Landessanitätsdirektion Wien in Kontakt ist, "von keiner Seite auch nur eine Andeutung, dass wir absagen müssen".

Doch Konrads Überraschung würde sich mittlerweile in Grenzen halten. Eine Absage wäre klarerweise ein schwerer Schlag. "Für so einen Fall sind wir nicht versichert." Klar ist, dass eine Verschiebung in den Herbst für Wien nicht infrage kommen würde. "Wir haben das geprüft, es ist nicht durchführbar. Allein schon, weil wir den Rathausplatz nicht zur Verfügung hätten, dort finden ständig Veranstaltungen statt, und den Rathausplatz brauchen wir unbedingt."

Patrick Konrad ist der Sohn des VCM-Chefs und einer der besten Radrennfahrer Österreichs, 2018 beendete er den Giro d’Italia als Siebenter. Ende Februar war er mit etlichen Kollegen zwei Tage lang in einem Hotel in Abu Dhabi unter Quarantäne, nachdem bei der Rundfahrt durch die Vereinigten Arabischen Emirate einige Coronavirus-Fälle aufgetreten waren. Weltweit ist die Lage, wie sie ist, und Wolfgang Konrad ist kein Träumer. "Wir würden uns alle eine andere Situation wünschen", sagt er, "natürlich nicht nur wegen des Marathons."

Immer noch Anmeldungen

Er betont, dass bloß 0,8 Prozent im Feld älter als 60 Jahre sind und dass Läuferinnen und Läufer generell "gesund und resistent" sind. Als Veranstalter müsse er vor allem das Wohl der Teilnehmer im Blick haben. Anders als Fußballspiele könne ein Marathon freilich nicht unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden.

Die Anmeldungen laufen übrigens nach wie vor gut. Mehr als 40.000 haben genannt, neben und teils am Tag vor dem Marathon sind auch Halbmarathon, Staffel, Kids Race, Inclusion Run sowie 10- und 5-km-Läufe geplant. "Und noch immer", sagt Wolfgang Konrad, "melden sich Leute an." (Philip Bauer, Fritz Neumann, 9.3.2020)