Im Gastkommentar sieht der Ökonom Kurt Bayer die Finanzminister in der Pflicht.

Das Coronavirus breitet sich weiter aus: mehr als 60 Länder, mehr als 90.000 Infizierte, mehr als 3.000 Tote. Man könnte meinen, dass dies hauptsächlich ein Problem der Gesundheitspolitik darstellt. Es mehren sich jedoch die Anzeichen, dass dies auch wirtschaftlich Probleme verursacht: Einzelne Sektoren wie die Tourismusindustrie, Automobilerzeugung und Airlines zeigen bereits Einbrüche. Die internationalen Prognoseinstitute IWF und OECD haben bereits die BIP-Zuwachsraten für heuer und das kommende Jahr gesenkt. Ihr Argument ist neben den bereits beobachtbaren Rückgängen vor allem die Unsicherheit über die weitere Ausbreitung und Dauer des Virus.

Die US-Notenbank Fed hat schon mit einer Zinssenkung reagiert. Die anderen großen Notenbanken in der EU, Japan, Kanada, Australien und im Vereinigten Königreich haben Ähnliches angekündigt oder ihre Bereitschaft bekundet, rasch zu reagieren.

Symbolische Akte

Dabei ist es äußerst unwahrscheinlich, dass Geldpolitik, also Zinssenkung oder Anleihenankäufe, hier tatsächlich etwas bewirken können: Das Coronavirus ist ökonomisch ein "Angebotsschock", er legt bestimmte Unternehmensteile lahm, behindert den Nachschub an wichtigen Komponenten, reduziert die Reiselust. Solche spezifischen Probleme kann man mit dem groben Hammer einer die gesamte Volkswirtschaft betreffende Geldpolitik nicht lösen. Dazu sind auf den konkret betroffenen Sektor gezielte Interventionen der Wirtschaftspolitik notwendig. Diese können vor allem durch spezifische Steuererleichterungen und Ausgabenprogramme, also durch budgetäre Maßnahmen (Fiskalpolitik) erzielt werden, die ganz konkrete Probleme lösen können.

Was also soll der Geldpolitikaktivismus? In den USA wurde er offensichtlich durch die massiv fallenden Aktienkurse ausgelöst, als die ersten Virusfälle bekannt wurden. Daher gab es Druck vonseiten des Präsidenten auf die Fed, hier Aktivismus zu zeigen. Diesem Druck ist Fed-Chef Jerome Powell nachgekommen. Er hat auch die Bereitschaft zu weiteren Aktionen bekundet. Es geht hier also vor allem um den symbolischen Akt, den Finanzmarktakteuren, die durch den Kursverfall viel Geld verloren haben, zu zeigen, dass man "alles Notwendige" tun würde, um diesen zu stoppen. In diesem Sinne hat es als Signal auch ganz kurzfristig gewirkt. Seither fluktuieren die Aktienkurse von Tag zu Tag stark mit insgesamt wieder fallender Tendenz.

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US-Präsident Donald Trump mit einem Foto des Übeltäters Covid-19, der auch die Wirtschafts- und Finanzwelt in Atem hält.
Foto: Reuters / Tom Brenner

Damit ist auch Donald Trump befriedigt, der mitten im Wahlkampf steckt – und Negativmeldungen von der Wirtschaftsfront absolut nicht brauchen kann. Die Abschwächungen der realen Wirtschaft wird dies allerdings nicht verhindern. Es geht also um die Interessen der Finanzinvestoren.

Das Hauptproblem der Wirtschaftspolitik mit dem Coronavirus ist derzeit die große Unsicherheit. Diese hindert auch Unternehmen daran, weiterzuinvestieren – auch wenn sie noch billiger Geld dafür bekämen.

Richtiger Policy-Mix

Sinnvoll sind die Zusagen von Weltbank und IWF, weniger entwickelten Ländern mit einem schwachen Gesundheitssystem mit bis zu zwölf Milliarden US-Dollar beziehungsweise 50 Milliarden US-Dollar zu helfen, denn damit könnte es gelingen, das Virus lokal "auszutrocknen" und damit seine weitere Verbreitung in diesen Ländern einzubremsen. Ob dafür die Zeit allerdings ausreicht, ist zweifelhaft. Aber jedenfalls sind Programme, welche Testmöglichkeiten, präventive Maßnahmen und Isolierungen Befallener ermöglichen, sinnvoller als allgemeine Geldspritzen, die im "System" hängen bleiben.

Für den generellen Dialog über den richtigen Policy-Mix zwischen Geld- und Fiskalpolitik als angemessene Wirtschaftspolitik kommt diese Diskussion zur richtigen Zeit. Sie verstärkt weiter den Druck auf die Finanzminister, endlich von ihrer dogmatischen Haltung des "Haushaltssparens" abzurücken, wodurch sie die Last der Krisenbekämpfung einzig den Notenbanken zugeschoben haben. International wird immer intensiver über die damit verursachten tiefgreifenden Mängel in der Infrastruktur, im Sozial-, Pflege- und Gesundheitsbereich diskutiert. Der Unglücksfall des Coronavirus verschiebt jedoch die Gewichtung in Richtung einer sinnvollen und gezielten Fiskalpolitik, die nunmehr aus ihrem Dornröschenschlaf erwachen muss, der den wiederkehrenden Ruf nach immer weiterer Senkung der angeblich so hohen Steuerlast ermöglicht hat.

Georg Blümel, Finanzminister.
Foto: APA / Georg Hochmuth

Steuergelder sind ja keineswegs nur "Hindernisse der Wettbewerbsfähigkeit" und kein "Füttern des Molochs Staat", sondern die unverzichtbare Grundlage für die Finanzierung eines "Guten Lebens für alle". Ohne ausreichende Finanzierung der dafür notwendigen öffentlichen Leistungen – welche kein privates Unternehmen leisten kann – leidet der soziale Zusammenhalt und damit letztlich die Demokratie.

Es ist zu hoffen, dass der österreichische Finanzminister in seiner Budgetrede dies beherzigt und seine ihm zukommende Verantwortung wahrnimmt. (Kurt Bayer, 10.3.2020)