Das Ende Februar unterzeichnete Abkommen sieht vor, dass die USA ihre Truppenstärke in Afghanistan binnen 135 Tagen von mehr als 12.000 auf 8.600 reduzieren

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Kabul/Washington – Die US-Armee hat nach eigenen Angaben mit dem Rückzug aus Afghanistan begonnen. Wie der Sprecher der US-Truppen in Afghanistan, Sonny Leggett, am Montag bekannt gab, erfolgt der Teilabzug im Zuge eines Abkommens zwischen den USA und den radikalislamischen Taliban, das den Rückzug der US-Truppen regelt.

Das Ende Februar unterzeichnete Abkommen sieht vor, dass die USA ihre Truppenstärke in Afghanistan binnen 135 Tagen von mehr als 12.000 auf 8.600 reduzieren.

Mit der Vereidigung zweier Präsidenten hat sich die politische Krise in Afghanistan verschärft: Auf dem Gelände des Präsidentenpalastes in Kabul erklärten sich die langjährigen Rivalen Ashraf Ghani und Abdullah Abdullah am Montag in zwei getrennten Zeremonien zum Präsidenten Afghanistans. Überschattet wurden die Zeremonien von zwei Explosionen, bei denen es sich laut der Jihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) um Raketenangriffe handelte.

Ghani und Abdullah ließen sich an zwei verschiedenen Orten auf dem Gelände des Präsidentenpalastes vereidigen. An Ghanis Zeremonie nahmen neben seinen Anhängern und prominenten Politikern zahlreiche Diplomaten und ausländische Würdenträger teil, darunter auch der US-Sondergesandte Zalmay Khalilzad.

Unterlegener Abdullah rief Gegenregierung aus

Der IS reklamierte die Explosionen für sich. Insgesamt seien zehn Geschoße in Richtung des Präsidentenpalastes abgeschossen worden, erklärte die Miliz über den Onlinedienst Telegram.

Ghani war Mitte Februar, fünf Monate nach der von Betrugsvorwürfen überschatteten Präsidentenwahl, zum Wahlsieger erklärt worden. Sein unterlegener Kontrahent, Regierungschef Abdullah, erkannte das Wahlergebnis jedoch nicht an und rief eine Gegenregierung aus.

Schon bei der vorangegangenen Präsidentschaftswahl vor fünf Jahren hatten sich sowohl Ghani als auch Abdullah zum Sieger erklärt. Erst durch Vermittlung des damaligen US-Präsidenten Barack Obama einigten sich die beiden Kontrahenten auf einen Kompromiss: Ghani wurde Staatschef und Abdullah Regierungschef.

Der neuerliche Streit der Rivalen überschattet das Ende Februar unterzeichnete Abkommen zwischen den USA und den Taliban. Das Abkommen sieht einen US-Truppenabzug aus dem Land vor und soll innerafghanische Friedensgespräche ermöglich.

Streit zwischen Präsidenten schwächt Position

Die Verhandlungen zwischen den Taliban und der afghanischen Regierung sollen eigentlich in dieser Woche in Oslo beginnen. Das geplante Treffen wird aber vermutlich wegen eines Streits um die Freilassung von Talibankämpfern verschoben werden müssen. Laut der Vereinbarung von Doha soll die afghanische Regierung vor Beginn der Gespräche 5000 Taliban freilassen. Dies wird von Präsident Ghani bisher aber abgelehnt.

Nach Einschätzung des Politikexperten Atta Noori schwächt der Streit zwischen Ghani und Abdullah die Position der Regierung bei den Verhandlungen mit den Taliban. Ohne die Einigkeit der beiden Rivalen könnten sie am Verhandlungstisch nur verlieren, sagte Noori der Nachrichtenagentur AFP. Taliban-Sprecher Sabihullah Mujahid sagte AFP, die beiden Zeremonien zeigten, dass "den Sklaven nichts wichtiger ist als ihre persönlichen Interessen". (APA, 9.3.2020)