Forscher entwickelten ein Frühwarnsystem, das Patienten vor Kreislaufversagen schützen soll.

Foto: Getty Images/istockphoto.com

Patienten auf der Intensivstation stehen unter genauer Beobachtung: Vitalwerte wie Puls, Blutdruck und Sauerstoffsättigung des Bluts werden laufend gemessen. Mit diesen Daten lässt sich der Gesundheitszustand der Patienten beurteilen. Dennoch ist es nicht einfach, daraus Prognosen zur weiteren Entwicklung des Zustands abzuleiten oder lebensbedrohliche Veränderungen mehrere Stunden im Voraus zu erkennen.

Forscher der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH) und des Universitätsspitals Bern haben nun eine Methode entwickelt, die diese verschiedenen Vitalwerte mit weiteren medizinisch relevanten Informationen über die Patienten verknüpft. Dadurch kann ein kritisches Kreislaufversagen mehrere Stunden vor dem Eintreten vorausgesagt werden und das behandelnde Personal vorgewarnt werden.

Die Entwicklung der Prognosemethode war durch detaillierte und zeitlich hochaufgelöste Daten von 36.000 Intensivpatientinnen und -patienten in digitaler Form möglich. "Die so entwickelten Algorithmen und Modelle konnten im genutzten Datensatz 90 Prozent aller Kreislaufversagen vorhersagen. In 82 Prozent aller Fälle erfolgte die Vorhersage mindestens zwei Stunden im Voraus, womit den Ärzten Zeit für eine Intervention geblieben wäre", sagt Studienleiter Gunnar Rätsch von der ETH Zürich.

Relativ wenige Meßgrößen notwendig

Den Forschern standen pro Patient mehrere Hundert unterschiedliche Messgrößen und medizinische Informationen zur Verfügung. "Wir konnten allerdings zeigen, dass bereits 20 Messgrößen für eine genaue Vorhersage ausreichen. Dazu gehören unter anderem Blutdruck, Puls, verschiedene Blutwerte, das Alter und die verabreichten Medikamente", erklärt Karsten Borgwardt, Mitautor der Studie.

Um die Qualität der Vorhersagen weiter zu verbessern, planen die Forscher, Patientendaten weiterer großer Spitäler in künftige Analysen einzubeziehen. Zudem sollen der anonymisierte Datensatz sowie die Algorithmen und Modelle anderen Wissenschaftern zur Verfügung gestellt werden.

Fehlalarme vermeiden

In der intensivmedizinischen Behandlung von Patienten ist es zentral, Kreislaufversagen zu verhindern. "Heute müssen wir auf der Intensivstation mit einer Vielzahl von Alarmen umgehen. Diese sind nicht sehr präzise. Häufige Fehlalarme und kurze Vorwarnzeiten führen zu Verzögerungen bei kreislaufunterstützenden Maßnahmen", betont Intensivmediziner Tobias Merz vom Uniklinikum Bern.

Das Ziel sei den Forschern zufolge, die Vielzahl an Alarmen auf wenige, dafür hochrelevante und frühzeitige Alarme zu reduzieren. Mit der neuen Methode ließe sich die Anzahl der Alarme auf ein Zehntel reduzieren. Allerdings muss die Verlässlichkeit des Systems noch in klinischen Studien nachgewiesen werden. (red, 14.3.2020)