Bis zu sieben Zentimeter lang kann der räuberische Wurm werden.
Foto: Pierre Gros

Zieht man Länder wie Australien oder Neuseeland zum Vergleich heran, hat man sich in Europa bemerkenswert lange keine Gedanken um Bioinvasoren gemacht. 2016 veröffentlichte die EU-Kommission eine Liste von ursprünglich 37 unerwünschten Tier- und Pflanzenarten, die sich in Europa ausgebreitet haben. Diese Liste wurde seitdem mehrfach erweitert, umfasst aber immer noch nur einen Bruchteil der Spezies, die Wissenschafter als invasiv einstufen.

Der Name

Auf eine solche Spezies machten zuletzt französische Forscher im Fachjournal "PeerJ" aufmerksam: einen räuberischen Plattwurm mit der Bezeichnung Obama nungara. Bei dem fällt natürlich als erstes der Name auf. Hergeleitet wird er aus der Sprache der Tupi, der mittlerweile assimilierten Ureinwohner der brasilianischen Atlantikküste, wo der Wurm zuhause ist. "Oba" bedeutet in der Tupi-Sprache "Blatt", "ma" steht für "Tier" – die Zusammensetzung bezieht sich also auf das Aussehen des Wurms.

Soweit die offizielle Version – allerdings wurde der Gattungsname "Obama" erst 2013 eingeführt. Man kann davon ausgehen, dass den brasilianischen Wissenschaftern ein gleichnamiger US-Präsident, der damals gerade seine zweite Amtszeit angetreten hatte, nicht ganz unbekannt war ...

Kolonisierung auf Plattwurm-Art

Drei wildlebende Populationen hat man mittlerweile identifiziert, eine in Brasilien, zwei in Argentinien. Mittlerweile hat sich der Wurm allerdings auch weit von seiner Heimat entfernt festgesetzt und breitet sich nun ganz heimlich, still und leise in Westeuropa aus. Ermöglicht wurde dies durch den internationalen Handel mit Pflanzen. Die bodenbewohnenden Würmer stecken im Erdreich von Topfpflanzen und gelangen bei deren Einsetzen zunächst in Gärten, dann in deren Umland.

Ein Team um Jean-Lou Justine vom Pariser Muséum National d'Histoire Naturelle hat nun eine frankreichweite Erhebung durchgeführt, wie weit der Wurm bereits im Land verbreitet ist. Zum Großteil setzten die Forscher dabei auf die Citizen-Science-Strategie, also Sichtungen des Wurms durch Laien. Dazu kamen aber auch über 500 durch Fachleute verifizierte Beobachtungen.

Das Ergebnis: Obama nungara ist mittlerweile in 72 von 96 französischen Départements vertreten, hauptsächlich handelt es sich dabei um städtische Regionen. Wurmfrei sind bislang nur gebirgige Regionen wie die Alpen oder Pyrenäen. Und alle Würmer stammen von einer der beiden argentinischen Populationen ab, wie genetische Analysen gezeigt haben. Dazu kommen inzwischen auch Meldungen aus Spanien, Portugal, Großbritannien, Italien und Belgien, auch wenn in diesen Ländern noch keine systematischen Erhebungen durchgeführt wurden.

Warum der Wurm ein Problem ist

Der Obama-Wurm ist als Räuber nicht zu unterschätzen. Ausgewachsen bis zu sieben Zentimeter lang, macht er Jagd auf alles, was sich nicht gegen ihn wehren kann – unter anderem zählen Regenwürmer und Schnecken zu seinem Beutespektrum. Die Forscher um Justine sehen ihn daher als potenzielle Bedrohung für die Biodiversität in heimischen Böden und damit auch für die Funktionalität dieses Ökosystems.

Obama nungara erbeutet eine Schnecke. Der Wurm sondert einen Enzymbrei ab, der sein Opfer bei lebendigem Leib vorverdaut.
Foto: Pierre Gros

Mit anderen eingeschleppten Plattwürmern hat man in Europa bereits schlechte Erfahrungen gemacht, Obama nungara stufen die Forscher nun als die größte Bedrohung ein, was diese Tiergruppe betrifft. Der Wurm wäre damit ein Kandidat für die nächste Erweiterung der EU-Liste – zusammen mit hunderten anderen, die allzu lange vernachlässigt wurden. (red, 15. 3. 2020)