Macron zu Besuch beim französischen Rettungsdienst. Händedruck unerwünscht.

Foto: EPA / Ludovic Marin

Kulturminister Franck Riester hat es.

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Frankreich ist das nach Italien am zweitstärksten vom Coronavirus betroffene Land Europas. Die Staatsführung in Paris unternimmt derzeit alles zur Eingrenzung. Doch nun wird sie selbst angesteckt. Und die Sorge ist groß, da die Schalthebel der Macht in Paris nahe beieinander liegen; die Ministerien, die nationalen Parlamentskammern und natürlich auch der Élysée-Palast befinden sich auf engstem Raum zwischen Eiffelturm und dem Louvre.

Dort greift das Virus rasch um sich, seitdem ein Abgeordneter positiv getestet worden ist. Der Virusherd war offenbar die Bar der Nationalversammlung. Mittlerweile sind fünf Parlamentarier der höchsten Kammer infiziert. Jetzt hat es auch die Exekutive erwischt: Am Montagabend musste Kulturminister Franck Riester bekanntgeben, dass er nach einem leichten Fieber "positiv getestet" worden sei; am Dienstag kam auch Justizministerin Nicole Belloubet in Erwartung eines Testresultates in Quarantäne.

Keine Küsschen

Und der Staatschef? Offiziell wurde Emmanuel Macron bisher nicht auf das Virus getestet, genauso wenig wie Innenminister Christophe Castaner oder Transportministerin Elisabeth Borne, die in der wöchentlichen Regierungssitzung bisher neben Riester saßen.

Trotzdem herrscht im Élysée-Palast ein Anflug von Panik. Denn Riester kam bei den Regierungssitzungen auch Macron körperlich nahe. Der Präsident versucht sich nun, so gut es geht, zu schützen. Er schüttelt keine Hände mehr und vergibt weder Wangenküsschen noch Orden. Termine außerhalb des Élysée-Palasts sowie Besuche sagt er so weit wie möglich ab; wie am Dienstag bei einer Aussprache auf höchster EU-Ebene ersetzt er sie durch Videokonferenzen.

Mangel an Masken

Wenn Macron im Élysée Sitzungen leitet – etwa den regelmäßigen Verteidigungsrat zum Thema Coronavirus –, wird der Raum vor- und nachher desinfiziert. Dasselbe gilt für jeden Kugelschreiber, jeden Notizblock und jeden Gegenstand, den der Präsident in die Hand nimmt. Sein Begleitpersonal führt im Köfferchen für einmal nicht den Atomcode mit, sondern Desinfektionsgel, das dem Präsidenten nach jedem Kontakt verabreicht wird.

Emmanuel Macron trägt bisher – zumindest auf öffentlichen Bildern – keine Schutzmaske. Angesichts des landesweiten Mangels daran fragen sich die Franzosen, ob das Élysée insgeheim nicht über eine Reserve FFP2-Masken verfüge. Einerseits betonte das Élysée in einem Kommuniqué, für die Regierungsmitglieder gälten "die gleichen Regeln wie für alle Franzosen". Bei Ansteckung müssten sie zwei Wochen in die private Quarantäne.

Besser im Binom

Andererseits erklärte eine Präsidialsprecherin aber auch, die Regierung habe zum "obersten Ziel, die Kontinuität des Staates zu gewährleisten". Muss Macron also besser geschützt werden als ein normaler Bürger – oder reicht die republikanische Egalité, die Gleichheit, bis ins Élysée? Das Präsidialamt hat zwar Weisung an die Élysée-Berater und -beamten herausgegeben, in Zukunft im "Binom", also in Zweierteams zu arbeiten, um die Kontinuität im Fall einer Ansteckung zu garantieren. Einer bleibt aber ohne Binom: Für Emmanuel Macron wäre ein Doppelgänger natürlich undenkbar. Eine Weisung im Élysée ist ungeschrieben: Der Präsident darf auf keinen Fall infiziert werden. (Stefan Brändle aus Paris, 10.3.2020)