"Die Menschen müssen aufhören, die Nerven wegzuschmeißen", sagt Virologe Steininger. Ausgangssperren könnten oberflächlich effektiv sein, würden aber das ganze öffentliche Leben lahmlegen.

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Frage: Wie sinnvoll sind Schulschließungen zur Eindämmung des Virus?

Antwort: Das ist unklar, sagt Virologe Christoph Steininger von der Med-Uni Wien. Einige Studien zeigen, dass es nichts bringt – man investiert dabei aber Ressourcen, die man anderswo sinnvoller einsetzen sollte, so der Experte. Klar ist: Jede kleine Änderung im System hat weitreichende Folgen. Wenn alle Schulen geschlossen werden, müssten Eltern eine andere Art der Kinderbetreuung suchen. "Was, wenn die sich zusammentun und für 20 Kinder eine Betreuung für zu Hause einstellen? Das wäre die gleiche Situation wie in der Schule", so Steininger. Oder es übernehmen die Großeltern, die zur Risikogruppe gehören, das Aufpassen. Niemand habe hier ein Patentrezept.

Über die Forderungen einiger italienischer Experten, eine Ausgangssperre für alle Bürgerinnen und Bürger in Europa zu verhängen, ist Steininger schockiert: "Die Menschen müssen aufhören, die Nerven wegzuschmeißen", sagt er. Zwar könne oberflächlich ein Effekt erzielt werden, wenn niemand mehr das Haus verlässt, die Strategie sei jedoch nicht durchdacht: "Wo kommen dann Mittagessen, Medikamente oder Mundschutzmasken her?" So ein Vorgehen würde das gesamte öffentliche Leben lahmlegen, etwa auch Pflegeheime und Krankenhäuser.

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Frage: Warum ist ausgerechnet Italien so stark betroffen?

Antwort: Es gibt hier keine Antwort, die mit Zahlen und Fakten zu untermauern wäre. Vermutlich, so glaubt Steininger, wurde der Ausbruch in Italien sehr lange nicht erkannt. Als die ersten Maßnahmen gesetzt wurden, habe es demnach schon viele Fälle und Verzweigungen in der Infektionskette gegeben. "Dann das Rad noch herumzureißen, ist sehr schwierig", sagt Steininger.

Frage: Wie viele andere Menschen steckt ein Patient im Schnitt an?

Antwort: Fälle wie jener Barkeeper in Tirol, der 15 weitere Menschen infizierte, sind statistische Ausreißer, manche Patienten infizierten auch gar niemanden. Die TU Wien arbeitet derzeit an einem Simulationsprojekt, das die Ausbreitung von Krankheiten vorhersagen soll. So wie sich Sars-CoV-2 bisher in Österreich verbreitet hat, liegt der sogenannte Basisreproduktionswert, also die Zahl von Personen, die ein Patient im Schnitt ansteckt – und zwar dann, wenn noch niemand immun gegen die Krankheit ist –, bei knapp unter drei. Virologe Steininger spricht von 2,3 bis 2,6, diese Zahlen aus China sind publiziert.

Frage: Weiß man bei allen Infizierten, wo sie sich angesteckt haben?

Antwort: Mittlerweile ist nicht mehr bei allen Fällen in Österreich klar, wo genau die Erstinfektion passiert ist. So sind in Wien laut Gesundheitsstadtrat Peter Hacker sechs bis sieben Ansteckungsherde mit einem direkten Bezug zu Italien bekannt, dennoch lasse sich nicht mehr bei allen Betroffenen die Infektionskette rekonstruieren. Auch bei jenem Wiener Anwalt mit schwerem Verlauf ist unklar, wo er sich infiziert hat. Behörden gehen von einer Person aus, die mittlerweile wieder geheilt ist. Steininger betont jedoch, dass sich das Virus in Österreich, anders als in Italien, nicht unkontrolliert ausbreite.

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Frage: Könnte Covid-19 bis zum Sommer abflauen?

Antwort: Das ist unklar. Ein Vorteil ist sicher, dass Menschen bei wärmeren Temperaturen weniger Zeit in geschlossenen und engen Räumen verbringen. Denn der Hauptübertragungsweg sind Tröpfchen, die in der Luft schweben und eingeatmet werden.

Frage: Was ist mit Vorerkrankungen gemeint? Wer genau gehört zur Risikogruppe?

Antwort: Das Problem: Es gibt keine Medikamente bei einer Infektion. Schwere Fälle brauchen intensivmedizinische Maßnahmen. Laut einer aktuellen Studie im Fachjournal "Lancet" sind die größten Risikofaktoren für einen schweren Verlauf hohes Lebensalter (und ein altersbedingt schwaches Immunsystem) und Vorerkrankungen wie schwerer Bluthochdruck oder Diabetes. Bei einer Infektion kommt es, so Infektiologe Steininger, auf die Schwere der Vorerkrankung an.

Frage: Warum gibt es bisher keinen Todesfall in Österreich?

Antwort: Das ist reine Statistik: Bei rund 150 Fällen und einer Sterblichkeit von unter einem Prozent habe man in Österreich Glück gehabt, dass es den einen Todesfall, der statistisch fällig wäre, noch nicht gibt, sagt Steininger. (Günther Brandstetter, Bernadette Redl, Gabriele Scherndl, 10.3.2020)