Nicht nur das Wiener Burgtheater bleibt bis Ende März zu.

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Dass eine temporäre Lahmlegung des öffentlichen Lebens die Kulturbranche hart treffen würde, hat sich seit Wochen abgezeichnet. International waren wegen des Coronavirus bereits die Leipziger Buchmesse, Musikfestivals oder große Kunstmessen wie die Art Basel Hongkong abgesagt worden. Auch in Österreich bereiteten sich Kultureinrichtungen bereits auf jenes Szenario vor, das nun eintrat.

Die Regierung verkündete Dienstagmittag, dass Freiluft-Veranstaltungen mit mehr als 500 Besuchern und Veranstaltungen in geschlossenen Räumen mit über 100 Gästen bis Anfang April untersagt werden. Das trifft neben Konzertveranstaltern vor allem Theater, Kinos und Opernhäuser, aber auch Museen und Diskothekenbetreiber dürfen die 100-Personen-Grenze nicht überschreiten.

Oper als "Geisterspiel"

Viele dürften nach akut erfolgten Absagen zwar mittelfristig einen abgespeckten Betrieb aufrechterhalten, aber Beschränkungen bei Sitzplätzen und Einlässen einführen. Die Maßnahme trieb auch erste skurrile Blüten, so fand eine Beethoven-Premiere der Wiener Kammeroper als "Geisterspiel" ohne Publikum statt, wurde aber für eine spätere Zugänglichmachung auf Video festgehalten.

Einigen bringt die harte Maßnahme nach wochenlangem Bangen mit kontinuierlichen Besucherrückgängen nun zumindest Gewissheit: Die, die vorbereitet waren, und auch entsprechende Versicherungen abgeschlossen hatten, können durch den Erlass nun an diese herantreten und etwa schon bisherige Besucherausfälle geltend machen.

Andere, vor allem kleinere Veranstalter, stehen hingegen vor einem veritablen Existenzproblem. Dass gerade sie von der Maßnahme profitieren könnten, hält man in der Branche nämlich für ausgeschlossen. Die IG Kultur, die österreichweit etwa 2.000 kleinere Veranstalter vertritt, forderte die Politik denn auch bereits zu Entschädigungszahlungen auf. Auf Facebook sprach Hannes Tschürtz, Gründer und Betreiber des Indie-Musiklabels Ink Music, vielen Kulturschaffenden aus der Seele: "Ich will die gesundheitlich notwendigen Maßnahmen der Bundesregierung nicht schlechtmachen oder kleinreden, aber es ist, was es ist: Eine Katastrophe", so Tschürtz.

Mit hunderten Absagen wirtschaftlich zurechtkommen müssen auch die Veranstalter großer Popkonzerte. Walter Egle, CEO des Veranstalters Showfactory, sprach von "einem Wahnsinn für die Unterhaltungsbranche". Besorgt, aber verständnisvoll für die Maßnahme zeigten sich die großen Veranstalter Barracuda-Music und Arcadia Live. Man arbeite an Ersatzterminen und Kartenpreis-Rückerstattungen, rechne aber mit einem Millionenschaden.

Wer zahlt Entschädigungen?

Bezüglich möglicher Entschädigungen kündigt sich ein Match zwischen Bund und Ländern an: Kulturstaatssekretärin Ulrike Lunacek (Grüne) sagte dem STANDARD, man sei erst noch "dabei zu klären, ob und wie die Auswirkungen auf die Kulturbranche abgefedert werden können". Es sei aber klar, "dass der Kunst- und Kultursektor ein für Österreich essentieller Wirtschaftsfaktor ist, auch für den Tourismus."

In Wien, wo besonders viele Kultureinrichtungen betroffen sind, tagte wie in allen Bundesländern am Dienstag ein Krisenstab: "Wir gehen davon aus, dass hier das Epidemiegesetz des Bundes zur Anwendung kommt, in dem Entschädigungen klar geregelt sind. Aber wir versuchen auch, mit besonders stark betroffenen Kultureinrichtungen Kontakt aufzunehmen, damit wir die Informationen einholen und gemeinsam an Lösungen arbeiten können", sagte ein Sprecher der Wiener Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ). Die gesetzlich vorgesehene Unterstützung seitens des Bundes werde man jedenfalls einfordern, hieß es.

Zunächst will sich Wien um unmittelbar bevorstehende Premieren und Veranstaltungen kümmern, in einem zweiten Schritt müsse man auch über kommende städtische Großveranstaltungen wie die Wiener Festwochen und das Popfest im Mai nachdenken.

Ulrike Lunacek wird ihre laufende Österreichtour durch die Kulturhäuser des Landes notgedrungen abkürzen. Für ihren französischen Amtskollegen Franck Riester kommen solche Vorsichtsmaßnahmen zu spät. Diese Woche gab man in Paris bekannt, dass sich der Kulturminister mit dem Virus infiziert habe.

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Zahlreiche Konzertsäale, Bühnen und Opern bleiben geschlossen, kleinere Häuser und Kinos spielen für maximal hundert Personen. Hier ein Überblick.

Pop

Konzertveranstalter wie Barracuda Music haben alle Konzerte bis 1. April vorerst abgesagt. Was verschoben werden kann, wird verschoben, sollten Konzerte gänzlich abgesagt werden, ersetze man gekaufte Karten, sagt Ewald Tatar. Auch bei eventuell verschobenen Konzertterminen gilt dieses Angebot. Alle Veranstaltungen der Wiener Stadthalle sind betroffen. Konzerte mit bis zu 100 Besuchern können prinzipiell stattfinden, kleine Clubs überlegen, Konzerte weiterhin zu veranstalten. Nicht zuletzt hängt es von der Bereitschaft des Personals ab, ob dieses arbeiten will. Mehrere Veranstalter und Clubs berichten dasselbe. Man wartet ab, was kommt. (flu)

Klassik/Jazz

Aufgrund der Entscheidung der Regierung werden alle Vorstellungen der Wiener Staatsoper und der Volksoper bis Ende März abgesagt. Auch die Linzer und die Grazer Oper, der Musikverein und das Konzerthaus schließen die Pforten. Das Konzerthaus wird Veranstaltungen durchforsten, um zu prüfen, welche nachgeholt werden können. Wird kein Ersatzkonzert angeboten, können die Tickets innerhalb von sechs Monaten zurückgegeben werden. Der Wiener Jazzclub Porgy & Bess bleibt aktiv. Allerdings werden die Konzerte in zwei Sets geteilt, die jeweils von maximal 100 Besuchern wahrgenommen werden können. Die Sargfabrik wendet die gleiche Methode an. (toš)

Kunst

Derzeit liegt man in der Albertina um 1.500 bis 1.700 Besucher unter dem Tagesdurchschnitt, insofern sei in den Räumen der geforderte soziale Abstand gewährleistet. Selbiges erwartet man ab Freitag für die Albertina modern im renovierten Künstlerhaus, deren Eröffnung am Donnerstag aber nicht öffentlich stattfindet. Im Kunsthistorischen Museum wartete man zu Redaktionsschluss noch auf Infos zur Vorgehensweise für Bundesmuseen. Das Grazer Universalmuseum Joanneum will seine Standorte indes offen halten und darauf achten, dass sich nicht mehr als 100 Personen zugleich in den den Ausstellungen aufhalten. Die Art Vienna (27.–29.3.) fällt aus. (wurm)

Film

Die Kinobranche setzt die Regierungsmaßnahmen mit der Beschränkung von Sitzplätzen um. Arthouse-Kinos wie das Gartenbaukino, Filmcasino, Top-Kino und Votiv-Kino sowie das Filmmuseum bespielen ihre Säale vor maximal 100 Besuchern. Die Kinokette Cineplexx mit insgesamt fast 30 Häusern in ganz Österreich interpretierte die Vorgabe ähnlich: Die Anzahl der Vorstellungen bleibt vorerst unverändert, die Screenings werden auf unter 100 Personen beschränkt. Die Diagonale, das Festival der österreichischen Films, das am 24. März starten sollte, wird abgesagt, so der steirische Kulturlandesrat Christopher Drexler – es gibt keinen Ersatztermin. (kam)

Theater

Alle Veranstaltungen im Burgtheater sind bis Ende März abgesagt. Auch das Theater in der Josefstadt macht dicht und wird keine Vorstellungen vor verkleinertem Publikum spielen. Das Volkstheater sagte alle Vorstellungen im Museumsquartier ab, Termine im Volx und in den Bezirken bleiben aufrecht. Ob man Vorstellungen live streamen wird, prüft man. Kleinere Bühnen tendieren dazu, offen zu halten: Entweder liegen sie mit ihrer Bestuhlung sowieso unter dem Grenzwert von 100 Personen, oder sie verkaufen keine Plätze darüber hinaus. Das Schauspielhaus Graz bleibt für den Rest des Monats zu, das Salzburger Landestheater ebenfalls. (wurm)