Badelt hält starke Stützungen für notwendig.

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Corona hält die Wirtschaftsforscher auf Trab. Wifo-Chef Christoph Badelt plädiert nun dafür, bei Unterstützung für betroffene Betriebe nicht zu kleckern. Infrage kämen auch Steuerstundungen. Die Wachstumsprognose wird das Wifo demnächst nach unten revidieren. Das Nulldefizit hält er in der aktuellen Lage für sekundär. Italiens Schulden gepaart mit einer Rezession könnten noch für einige Probleme sorgen, befürchtet Badelt.

STANDARD: Das Coronavirus infiziert die Wirtschaft immer stärker. Wie stark werden sich Unterbrechungen bei Lieferketten, Absagen von Events und Reisebeschränkungen auf das österreichische Wachstum auswirken?

Badelt: Wie groß die Auswirkungen sind, hängt von der Dauer der Krise ab. Wir Ökonomen wissen das nicht, daher kann man nichts Definitives sagen. Man muss zwischen Industrie und Dienstleistungen unterscheiden. Bei der Industrie sind Wertschöpfungsketten unterbrochen. Hier gehen wir davon aus, dass es möglich sein müsste, die Ausfälle in der zweiten Jahreshälfte wieder aufzuholen. Bei den Dienstleistungen ist das viel schwieriger. Wenn man heute nicht ins Gasthaus geht, dann ist der Umsatz weg.

STANDARD: Jetzt steht Ostern vor der Tür, da sind Wien und andere Städte üblicherweise bei Touristen hoch im Kurs. Wie wird sich Corona hier auswirken?

Badelt: Wir rechnen in Wien mit einem größeren Einbruch im Tourismus als im österreichischen Durchschnitt, weil der Städtetourismus bei Asiaten und vor allem Italienern eine große Rolle spielt.

STANDARD: Was heißt das für Österreichs Wachstum?

Badelt: Wir gehen davon aus, dass es im Tourismus und im Gastgewerbe sowie bei anderen Dienstleistungen wie beispielsweise im Verkehrsbereich einen Einbruch geben wird. Wir werden daher die Konjunkturprognose Ende März nach unten revidieren.

Das Nulldefizit sieht Wirtschaftsforscher Christoph Badelt vorerst nicht gefährdet, doch selbst wenn, hat die Stützung der Unternehmen und der Arbeitnehmer für ihn aktuell Vorrang.
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STANDARD: Um wie viel?

Badelt: Das kann ich noch nicht sagen.

STANDARD: Droht eine Rezession?

Badelt: Das hängt davon ab, wie lange die aktuelle Phase dauert. Wenn die ganze Epidemie in zwei Monaten vorüber ist, dann kommen wir mit einer Wachstumsdelle davon, aber es würde keine Rezession entstehen. Wenn sie länger dauert, ist diese Gefahr über die Sekundäreffekte gegeben. Ökonomisch gesehen ist die Angst vor Corona mindestens so gefährlich wie Corona selbst. Von daher sollte man keine Angst schüren.

STANDARD: Wie kann die Republik gegensteuern?

Badelt: Zunächst geht es nicht um konventionelle Konjunkturpolitik, sondern darum, Unternehmen und ihre Mitarbeiter über Wasser zu halten, die unter der wegbrechenden Nachfrage leiden. Bei den Arbeitskräften ist hier Kurzarbeit ein wichtiges Instrument. Bei Betrieben ist alles wichtig, was Liquidität sichert. Das können Steuerstundungen ebenso sein wie Kreditgarantien und Ähnliches. Hier muss man ansetzen, damit Unternehmen nicht zusperren und Arbeitsplätze verlorengehen und damit der Kreislauf nicht auch beim Konsum nach unten geht. Da rate ich der Politik, nicht kleinlich zu sein, sondern alles zu tun, was notwendig ist.

STANDARD: Wie könnten Steuerstundungen aussehen?

Badelt: Bei den aktuellen Problemen kann eine Steuervorauszahlung die Liquidität zusätzlich belasten. Wenn man das um ein halbes Jahr verschiebt, kann sich das Unternehmen leichter erfangen. Da kann es sich um Steuerzahlungen, Sozialversicherungsbeiträge oder Kreditraten handeln. Das setzt aber voraus, dass das Unternehmen an sich gesund ist. Es sollte nicht sinnlos in den Konkurs getrieben werden.

STANDARD: Wir stehen kurz vor der Budgetrede. Ist das Nulldefizit angesichts der angedachten Maßnahmen zu halten?

Badelt: Hier reden wir gegenwärtig von dreistelligen Millionenbeträgen, da muss man einfach Prioritäten setzen. Das wird das Nulldefizit nicht gefährden. Selbst wenn es so wäre, würde ich sagen: Tut es einfach.

STANDARD: Es geht ja nicht nur um direkte Hilfen, sondern um die schlechtere Konjunktur, die sich auf das Budget auswirkt.

Badelt: Die schlechtere Konjunkturprognose wird sich natürlich auf die Staatseinnahmen auswirken. Wie stark, hängt vom Ausmaß der Revision und von der Art der Abgaben ab. Wenn Beschäftigung einbricht, kommen die Auswirkungen auf das Budget sehr schnell. Für mich ist das der klassische Fall, wo der Staat wegen externer Schocks einsteigen soll. Wir müssen eine Spirale nach unten vermeiden.

Italien dürfte die Eurozone noch intensiv beschäftigen.
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STANDARD: Wie sehr ist Italien finanziell gefährdet angesichts der jetzt schon hohen Schuldenlast?

Badelt: Italien wird heuer wohl ein Negativwachstum haben und wird zusätzliche Staatsausgaben tätigen müssen, ohne das Geld dafür zu haben. Dadurch wird die Verschuldung sicher hinaufgehen. Wenn das länger anhält, wird man wohl wieder auf europäischer Ebene über den Problemfall Italien reden müssen. Man kann nicht leugnen, dass das ein mögliches Szenario ist.

STANDARD: Dazu kommt, dass die Finanzmärkte wieder skeptischer auf Italien blicken könnten und sich der Schuldendienst verteuert.

Badelt: Genau, möglicherweise wird man Italien stärker stützen müssen, weil die Zinsen wieder hinaufgehen. Das kann uns im nächsten halben oder ganzen Jahr wieder blühen.

STANDARD: Wäre das ein Fall für den Eurorettungsfonds ESM?

Badelt: Man wird nicht neue Instrumente erfinden können. Die Europäische Zentralbank hat immer gesagt, wir allein werden die Welt nicht retten, da muss auch fiskalpolitisch etwas geschehen. Es ist wohl realistisch, dass das Thema bei einem stärkeren Absinken der italienischen Wirtschaft wieder aufkommt. Jedenfalls wäre es in dieser Lage verrückt, zu sagen, jetzt sparen wir. (Andreas Schnauder, 10.3.2020)