Die stichprobenartigen Temperaturmessungen fanden nur am Dienstag statt.

Foto: EPA/Jan Hetfleisch

Brenner/Wien – Am späten Dienstagvormittag starteten die Gesundheitschecks auf dem Brenner. Einreisende aus Italien wurden stichprobenartig kontrolliert. Doch die von der Bundesregierung angeordnete Maßnahme zur Eindämmung der Coronavirus-Infektionen erinnerte an Don Quijotes aussichtslosen Kampf gegen Windmühlen. Während am Autobahnparkplatz zwei Mitarbeiter der Gesundheitsbehörde in Ganzkörper-Schutzanzügen bei herausgewinkten Autofahrern die Temperatur maßen, passierte drei Meter daneben der Großteil des Verkehrs ungehindert die Grenze.

Die meisten Kontrollierten waren Deutsche, die ihren Italienurlaub beendet hatten, nachdem am Montag das gesamte Land zur Corona-Sperrzone erklärt wurde. Sie warteten geduldig in der kurzen Autoschlange vor den Gesundheitschecks, manche standen derweil den zahlreichen Journalisten Rede und Antwort, die über die neuen Kontrollen auf dem Brenner berichteten. Die Angehaltenen zeigten durchwegs Verständnis für die kurze Unannehmlichkeit.

Italien vom Virus wie gelähmt

Auf der italienischen Seite der Grenze, in der Ortschaft Brenner, bot sich indes ein Ausblick auf das, was vielleicht auch Österreich bald blühen wird. Die Angst vor dem Virus dominiert das öffentliche Leben und legt es teilweise lahm. An den Eingängen zu Cafés und Restaurants – sofern diese überhaupt noch geöffnet waren – hingen Hinweisschilder zum richtigen Verhalten. Mindestens ein Meter Sicherheitsabstand zu anderen Gästen ist einzuhalten, die Plätze in den Lokalen sind daher begrenzt, ebenso wie die Öffnungszeiten.

Im großen Outletcenter, das die verschlafene Ortschaft prägt, waren nur vereinzelt Kunden anzutreffen. Die Rezeptionistin am Eingang tippte mit gummibehandschuhten Fingern auf ihrer Tastatur. Ob das Einkaufszentrum wegen der Corona-Schutzmaßnahmen geschlossen werde? "Ich weiß es nicht, wir wissen nichts, wir warten auf Informationen. Bis dahin ist offen", sagte sie leicht genervt und ohne vom Bildschirm aufzublicken.

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Am Bahnhof alles ruhig

Am Bahnhof Brenner passierten am Dienstag weiter die Fernreisezüge in Richtung Norden. Die vier Beamten der Grenzschutzeinheit Puma, die am Bahnsteig auf den Eurocity-Zug Richtung Innsbruck warteten, wussten noch nichts von Gesundheitschecks oder Grenzschließungen. Sie seien nur hier, um im Zug nach illegal Einreisenden zu suchen. Auch das italienische Militär und die Carabinieri, die am selben Bahnsteig warteten, waren nicht auf Erkrankte aus, wie sich gleich nach der Einfahrt des Zuges zeigen sollte.

Einem Soldaten fiel sofort eine verschlossene Toilette auf. Er rief Kollegen hinzu. Als sich die Tür zum Klo nach energischem Klopfen der Beamten öffnete, stolperte ein hagerer Mann heraus. Offenbar hatte er sich dort versteckt und gehofft, es unentdeckt über die Grenze zu schaffen. Der dunkelhäutige Mann schien Flüchtling zu sein, er trug eine Atemschutzmaske, und eine Verletzung behinderte ihn stark beim Gehen.

Abstand auch bei Amtshandlung

Die Amtshandlung, die nun folgte, war eigenartig: Soldaten wie Polizisten hielten dabei nämlich stets großen Abstand zu dem Mann, dem es offenbar gesundheitlich nicht gut ging. Niemand berührte ihn, die Beamten bildeten einen Menschenkreis um ihn. Mangels eigener Schutzmasken bedeckten die Polizisten und Soldaten mit ihren Schals oder Sturmhauben Mund und Nase, einige zogen Gummihandschuhe über. Derweil kam ein ÖBB-Bediensteter mit Schutzmaske und Desinfektionsmitteln, um die Zugtoilette zu reinigen.

Eine Hamburger Familie, die sich auf der Rückreise aus ihrem Südtirol-Urlaub befand, beobachtete die Szenerie ungläubig staunend. Sie hätten Sorge, es nicht mehr zurück nach Deutschland zu schaffen, erklärte der Vater. In Italien habe er täglich andere, sich oft widersprechende Neuigkeiten gehört, sowohl was die Todesfälle unter Infizierten als auch die behördlichen Maßnahmen angehe. Sie wolle nun nur noch nach Hause, sagte die Mutter.

Grenze zu Italien ab Mittwoch dicht

Die Familie hatte Glück. Denn ab heute, Mittwoch, gilt ein genereller Einreisestopp aus Italien nach Österreich. An der italienischen Grenze wird lückenlos kontrolliert. Während der Güterverkehr aufrechterhalten wird und die Fahrer am Grenzübergang lediglich Temperaturmessungen über sich ergehen lassen müssen, kommen alle anderen nur noch dann ins Land, wenn sie ein ärztliches Attest vorweisen können oder für sie die Möglichkeit einer 14-tägigen Quarantäne in Österreich besteht.

"Alle Fahrzeuge werden angehalten, die Pässe kontrolliert und Fotos von diesen gemacht", erklärte Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) am Dienstag den Ablauf der Grenzkontrollen. Auch werde es weiterhin möglich sein, "ohne Zwischenstopp" durch Österreich hindurchzufahren.

Wie das in der Praxis aussehen soll? An der Grenze würde neben dem Foto des Passes auch die Uhrzeit der Einreise aufgenommen, sagte Nehammer. Zudem würde kontrolliert, ob der Tank voll ist. Wenn nicht, müsste man das Fahrzeug umkehren und tanken, bevor man zur nächsten Grenze weiterreisen kann. Nehammer appellierte, sich an diese Vorgaben zu halten und auch wirklich keinen Stopp in Österreich einzulegen. Doch seien die Menschen erfahrungsgemäß sehr verantwortungsbewusst mit den Restriktionen wegen des Virus umgegangen. (ars, ook, 10.3.2020)