Die Universität Innsbruck sperrte als Erste ihre Tore: Schon am Dienstag blieb sie geschlossen.

Foto: APA/EXPA/ JOHANN GRODER

An den Türen der Hochschule wurde über die Schließung aufgrund des Coronavirus berichtet.

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Ab spätestens Montag müssen rund 380.000 Studierende an allen Hochschulen in Österreich den Lehrveranstaltungen fernbleiben. Das sieht das am Dienstag von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) präsentierte Maßnahmenpaket der Bundesregierung gegen die Ausbreitung des Coronavirus vor. Betroffen sind Universitäten, Fachhochschulen, Pädagogische Hochschulen und Privatuniversitäten. "Alles, was publikumsintensiv ist, wird zurückgefahren", erklärte Wissenschaftsminister Heinz Faßmann (ÖVP) am Dienstag.

"Studierende sind keine Risikobevölkerung in Bezug auf den Krankheitsverlauf", sagt Niki Popper vom Institut für Information Systems Engineering an der Technischen Universität Wien dem STANDARD. Popper entwickelt an der TU Wien gemeinsam mit seinen Kollegen Computermodelle, die die Ausbreitung von Krankheiten simulieren. Mit diesen soll das Gesundheitssystem bei der Planung von Maßnahmen unterstützt werden. Er sagt, das Problem mit Studierenden sei vielmehr, dass 14- bis 30-Jährige die meisten sozialen Kontakte hätten – durch den milden Krankheitsverlauf bei dieser Altersgruppe würden sie vielleicht gar nicht merken, dass sie infiziert sind, aber andere anstecken.

Durch die Schließung der Hochschulen würden die Kontakte der Studierenden stark reduziert. Denn während die Freundeskreise für gewöhnlich zahlenmäßig eher im niedrigen zweistelligen Bereich liegen und eine Ansteckung keine großen Wellen schlägt, treffen Studierende in jeder einzelnen Vorlesung eine große Gruppe neuer Menschen. Zudem sei die Maßnahme sozial verträglich, sagt Popper: "Kein Studierender leidet, wenn er drei Wochen zu Hause bleiben muss." Denn bis auf Studierende, die auf ein Labor angewiesen sind, oder Medizinstudierende würden die meisten einen sehr geringen Verlust erleiden. Alle anderen Studierenden könnten gut daheim lernen.

Flächendeckende Schließung der Uni Wien

Die Universität Innsbruck blieb als erste Uni schon am Dienstag geschlossen, noch bevor die Regierung die Schließung überhaupt verhängt hatte. Auch die Universität Wien hat am Dienstagnachmittag schnell auf die Maßnahme reagiert. Trotz der Möglichkeit, den Betrieb bis Ende der Woche aufrechtzuerhalten, ist die größte Hochschule des Landes seit Mittwoch geschlossen. Während die Verordnung der Bundesregierung lediglich die Absage der Lehrveranstaltungen und Kurse an den Unisport-Instituten sowie die Schließung großer Bibliotheken vorsieht, bleiben sämtliche der 20 Fakultäten der Uni Wien bis Anfang April geschlossen.

Es sei der "Versuch, möglichst klar zu kommunizieren", erklärt eine Sprecherin der Uni Wien im Gespräch mit dem STANDARD. Es wäre komplizierter, Studierende über Teilschließungen der Hochschulen zu informieren. "Wir versuchen so unseren Beitrag gegen die Verbreitung des Coronavirus zu leisten", heißt es vonseiten der Uni Wien.

Gesperrt bleiben auch alle Bibliotheken an der Hochschule. Allfällige Entlehnfristen von Büchern würden bis zum Ende der Unisperre verlängert, Mahngebühren für diese Zeit ausgesetzt. Braucht man für sein Selbststudium ein neues Buch, ist eine Abholung allerdings bis April nicht möglich.

Am Dienstagabend erging zudem per Mail eine Information an alle Studierenden der Hochschule. "Wir bitten um Verständnis, dass wir angesichts der großen Zahl von Einzelanfragen überwiegend kollektiv informieren müssen", entschuldigte sich die Hochschule darin. Damit den Studierenden keine Nachteile im Studienfortschritt entstehen, habe die Uni die Lehrenden ersucht, "möglichst flexible und pragmatische Lösungen" zu finden. Die jeweiligen Lehrenden würden sie über die weitere Vorgangsweise hinsichtlich der Lehrveranstaltung informieren.

Selbststudium und Streaming

Sämtliche Maßnahmen an der Uni Wien, die im vergangenen Studienjahr 85.487 Studierende zählte, wurden unter der Annahme getroffen, dass man den Betrieb Anfang April wiederaufnehmen wird. Sollte dies nicht möglich sein, werde man ab 3. April umplanen und alles noch einmal "durchdeklinieren", sagt die Hochschulsprecherin.

Allerdings, so eine Sprecherin der Hochschule: "Wir haben erfreulicherweise viele E-Ressourcen, auf die wir zurückgreifen können." Das empfohlene Home-Learning sei im "besten Sinne als Überbegriff" zu verstehen. Darunter würde neben Streaming-Angeboten und der E-Learning-Plattform der Uni vor allem das Selbststudium fallen.

Bis auf weiteres würden Lehrveranstaltungen und Prüfungen verschoben. Zwar gebe es derzeit noch keine genaue Planung für jeden Kurs, doch würde darauf geachtet, dass trotz entfallender Einheiten der Stoff des Sommersemesters für die Studierenden lernbar und für die Lehrenden vermittelbar bleibe. Geprüft würden jedoch auch Online-Modelle zur Leistungskontrolle. So kann man sich an der Uni Wien beispielsweise vorstellen, Videoprüfungen abzuhalten, sofern dies für die Betroffenen in Ordnung sei.

Sorge um Abschlüsse

Die Österreichische Hochschüler_innenschaft fordert im Zuge der Maßnahmen, dass Studierenden kein Nachteil durch die Schließung erwächst. "Es ist wichtig, dass trotz der Schließungen Studierende ihre Lehrveranstaltungen positiv abschließen können", sagt Dora Jandl (VSStÖ) vom Vorsitzteam. Denn von den ECTS-Punkten hängt für Studierende viel ab. So müsse laut Jandl etwa geklärt werden, wie mit jenen Lehramtsstudierenden der Uni Wien umgegangen wird, deren Studienplan Ende April ausläuft. An den Nachweisen der erfolgreich absolvierten Lehrveranstaltungen hängen zudem für viele auch finanzielle Fragen: Für Studienbeihilfe, Familienbeihilfe und Stipendien muss eine gewisse Anzahl an ECTS-Punkten erreicht werden.

Das Ziel sei jedenfalls, den Studierenden keinen Nachteil durch die gesetzten Maßnahmen erwachsen zu lassen, heißt es von der Uni Wien: "Wir tun alles, um Kulanzen einzubauen", sagt die Sprecherin. So würden verschobene Prüfungen und ECTS-Nachweise etwa auch bei den eigenen Leistungsstipendien berücksichtigt.

Angst um Aufenthalt

Sorgen machen sich auch jene Studierende, deren Aufenthalt von der positiven Absolvierung der Lehrveranstaltungen abhängt. 21.786 Studierende kommen nicht aus der Europäischen Union. Die Magistratsabteilung 35 gibt aber Entwarnung. Das entsprechende Gesetz sehe vor, dass, wenn Gründe vorliegen, die "der Einflusssphäre des Drittstaatsangehörigen entzogen, unabwendbar oder unvorhersehbar sind", trotz Fehlens des Studienerfolgs oder Ausbildungsfortschritts eine Aufenthaltsbewilligung verlängert werden kann.

Die Grundlage für eine Verlängerung sei immer das vorangegangene abgelaufene Studienjahr – derzeit also 2018/2019. Für die aktuellen Verfahren sei die Situation somit derzeit nicht relevant.

Kein Stress in der Steiermark

Entspannter geht etwa die Montanuniversität Leoben an die Sache heran. Es habe bis dato keinen konkreten Corona-Verdachtsfall an der Hochschule gegeben, sagt ein Sprecher dem STANDARD. Die steirische Uni wird bis Montag ihre Lehrveranstaltungen abhalten. "Man muss die Größenrelationen im Blick haben", sagt er. "In der Regel haben wir keine Veranstaltungen mit 100 Personen." 3.733 Personen lernten im Studienjahr 2018/2019 an der Montan-Uni. Dort wird daher nur das Nötigste getan. Die Fakultäten bleiben geöffnet, ebenso die Bibliotheken und die Lesesäle – dort gebe es im Durchschnitt eine Belegung von 20 bis 30 Personen.

Auch Prüfungen werden weiterhin abgehalten, allerdings unter strengen Hygienevorschriften. So viele Studierende wie etwa an der Uni Wien würden sowieso nicht an der gleichen Prüfung teilnehmen – weshalb die Gruppen auf verschiedene Räume oder Zeiten aufgeteilt würden und so größere Abstände zwischen den Studierenden eingehalten werden könnten.

Fall an Fachhochschule in Wien

Schon vergangenen Woche wurde in Wien eine Studentin der Fachhochschule Wien der Wirtschaftskammer Wien (WKW) positiv auf Sars-CoV-2 getestet. Sie soll nur leichte Symptome aufgewiesen haben. Dass sie mit Studierenden und Lehrpersonal Kontakt hatte, konnte nicht ausgeschlossen werden, hieß es seitens der FH. Die Kohorte, also der Jahrgang dieser Studienrichtung, sowie eine Lehrkraft und andere Studierende, mit denen die betroffene Studentin Kontakt gehabt hatte, wurden informiert und angewiesen, daheim zu bleiben. Außerdem seien sie getestet worden, das Ergebnis stehe aber noch aus, sagte ein Sprecher. (Oona Kroisleitner, 11.3.2020)