Tynan Sylvester mit seinem Buch zum Thema Game-Design.

Foto: Tynan Sylvester

Jeder Versuch und jeder Tag ist bei "Rimworld" anders. Das Aufbaustrategiespiel lässt Nutzer eine Kolonie auf einem fernen Planeten errichten. Dabei werden Spieler zufälligen Situationen ausgeliefert, die teilweise erinnerungswürdige Geschichten mit sich bringen. Ob ein betrunkener Pyromane, der bei einer Schlägerei einem Mitbewohner ein Bein abtrennt, oder eine Kältewelle, die Menschen zu Kannibalen werden lässt – bei "Rimworld" ist praktisch alles möglich. Erfinder des Spiels ist der US-Amerikaner Tynan Sylvester, der seit 2000 in der Branche ist und etwa bei "Bioshock: Infinite" mitgearbeitet hat.

Tynan Sylvester

STANDARD: Meine Katze hat bei "Rimworld" meine komplette Kolonie getötet – erzählt der Zufall die besten Geschichten?

Sylvester: Der Zufall erzählt gute Geschichten, aber nur, wenn ein Zusammenhang mit Dingen besteht, die wir lieben – beispielsweise Katzen.

STANDARD: Sie haben "Rimworld" als Geschichtengenerator bezeichnet. Ist Gameplay überhaupt noch wichtig, wenn das Storytelling süchtig macht?

Sylvester: Die Story ergibt sich aus dem Gameplay – es gibt keine Abtrennung zwischen den beiden.

STANDARD: "Royalty" ist das erste DLC für "Rimworld" – wieso dieser Fokus auf das Königtum?

Sylvester: Ich habe das Setting ausgewählt, weil es mir vielversprechende Designmöglichkeiten eröffnete. Beispielsweise wollte ich zufällige Aufgaben integrieren, weil diese wiederum neue Geschichten mit sich bringen und so die Langzeitmotivation hochhalten. Damit das funktionierte, mussten die Quests allerdings zufällige Ziele mit sich bringen. Und wer gibt willkürliche Vorgaben? Könige.

STANDARD: In der echten Welt herrscht aktuell Chaos, wohin man schaut. Bringen Spiele wie "Rimworld" einen gewissen Zufluchtsort?

Sylvester: Mir wurde mal erzählt, dass man "Rimworld" gut im Spital spielen kann. Es ist durchaus entspannend und unterhält für eine lange Zeit. Vielleicht hilft es ja so manchen Leuten in der Quarantäne.

STANDARD: Sie haben ein vielfach gelobtes Buch über Game-Design geschrieben. In nur einem Satz: Was macht gutes Game-Design aus?

Sylvester: Ein gutes Game-Design lässt Spieler Emotionen fühlen.

STANDARD: Wird es bei "Rimworld" irgendwann einen Multiplayer-Modus geben?

Sylvester: Dazu wurde noch nichts angekündigt.

STANDARD: "Rimworld" war etliche Jahre in Entwicklung. Haben Sie währenddessen irgendwann ans Aufgeben gedacht?

Sylvester: Nein, ehrlich gesagt nicht. Es hat einfach zu viel Spaß gemacht und war zugleich auch zu erfolgreich, um es aufzugeben. Nach dem Release habe ich aber schon darüber nachgedacht, mich nun anderem zu widmen. Irgendwann kam ich dann zu dem Entschluss, dass es bei "Rimworld" noch viel zu viel zu entdecken gibt.

STANDARD: "Royalty" zählt aktuell zu den globalen Topsellern bei Steam – wie kann so ein Nischenspiel derart viel Aufmerksamkeit generieren?

Sylvester: Die Welt ist riesig. Es gibt genug Nischen aus der Sicht eines Indie-Entwicklers, die wiederum zu klein für größere Spieleschmieden sind, um darauf einen Fokus zu legen.

STANDARD: Rund um "Rimworld" gibt es eine ausgeprägte Modding-Community. Wie kann man Leute anziehen, die Stunden bis Tage kostenlos an Content arbeiten?

Sylvester: Man muss ihnen ein gutes Werkzeug bieten, damit sie ihre Träume verwirklichen können. Danach muss man sie in Ruhe lassen.

STANDARD: Sie sind ein Early-Access-Verfechter. "Rimworld" ist ein Positivbeispiel, allerdings gibt es auch genug Negativbeispiele. Wie kann die Industrie das Vertrauen der Spieler zurückholen?

Sylvester: Versprechen einhalten und nichts versprechen, was man nicht halten kann.

STANDARD: Rückblickend: Was hätten Sie in den vergangenen sieben Jahren besser anders gemacht?

Sylvester: Ehrlich gesagt nicht allzu viel. Das Spiel ist ein riesiger Erfolg. Alles hat irgendwie geklappt. Ich könnte nicht glücklicher sein.

STANDARD: Zuletzt noch: Was spielen Sie eigentlich in Ihrer Freizeit?

Sylvester: "Disco Elysium". (Daniel Koller, 12.3.2020)

Tynan Sylvester