Während ihrer Blütezeit war die El-Argar-Kultur eine bedeutende Regionalmacht.
Illustration: ASOME-UAB

Wien/Krems – Die bronzezeitliche El-Argar-Kultur, benannt nach einer Ausgrabungsstätte in der spanischen Provinz Almería, war eine der ältesten Gesellschaften in Europa, die so etwas Ähnliches wie einen Staat im heutigen Sinne hervorbrachte. Sie bildete sich um 2200 vor unserer Zeitrechnung heraus und hatte für etwa 650 Jahre Bestand.

In ihrer Blütezeit umfasste sie bis zu 2.500 Quadratkilometer im Südosten der Iberischen Halbinsel und nahm auch auf ihre Nachbarregionen Einfluss. Einblicke in diese vielen Menschen gar nicht bekannte Kultur gibt nun ein Forscherteam mit österreichischer Beteiligung im Fachmagazin "PLoS One".

Die Untersuchung

Ein Team um Corina Knipper vom Curt-Engelhorn-Zentrum Archäometrie in Mannheim und Kurt W. Alt vom Zentrum Natur- und Kulturgeschichte des Menschen der Danube Private University in Krems untersuchte die sterblichen Überreste von 75 El-Argar-Individuen mittels Isotopenanalyse. Mit dieser Methode kann man ermitteln, was sie zu Lebzeiten gegessen hatten und ob ihre Nahrungsmittel aus unterschiedlichen Regionen stammten.

52 der untersuchten Menschen hatten in der zur Blütezeit der Kultur rund 1.000 Personen umfassenden Siedlung La Bastida gelebt, weitere 23 in der kleineren, rund 300 Köpfe zählenden Siedlung Gatas.

Außerdem analysierten die Forscher Knochen der von den El-Argar-Menschen gehaltenen Hunde, Rinder, Schafe, Ziegen und Schweine sowie von Rothirschen. Untersuchungen von verkohlten Gerste- und Weizenkörnern komplettierten das Sample: "Damit sind alle Stufen der damaligen Nahrungskette vertreten", so Knipper.

Die Gesellschaft

Die El-Argar-Menschen bildeten eine der ersten frühstaatlichen Gesellschaften, wo starke soziale Eliten in den befestigten Siedlungen auf Felsspornen lebten. Sie hatten dort Vorräte und Lagereinrichtungen, und wohl auch öffentliche Räume, die vielleicht für die Verwaltung gebaut worden waren, sagt Alt. "Es ging dort also alles bereits in die Richtung eines frühen Staates."

3D-Rekonstruktion der Siedlung La Bastida.
Illustration: Dani Méndez-REVIVES

Geht man nach den Grabstätten, gab es in den beiden Siedlungen drei gesellschaftliche Schichten: Die Elite mit edlen Grabbeigaben machte etwa zehn Prozent der Bevölkerung aus, so die Forscher. Laut ihren Ergebnissen hatten sie zu Lebzeiten Zugang zu höherwertigen Lebensmitteln als weniger privilegierte Personen. Das Gros machten die rund 50 Prozent der Menschen aus, die politische Rechte besessen haben dürften und immerhin mit Metallwaffen und -werkzeugen bestattet wurden. Heute würde man sie wohl als Bürger bezeichnen, so die Forscher. Der Rest der Bevölkerung sei "eine Art Dienerschaft oder Sklaven" gewesen.

Nahrungsversorgung aus dem Umland

Auf den steinigen, steilen Hügeln waren aber kaum Ackerbau oder Viehwirtschaft möglich. Die Nahrungsmittel mussten demnach aus den umliegenden Tälern kommen. Die Isotopenanalysen bestätigen diese Vermutung: "Die große Streuung der Messwerte zeigt, dass die eingelagerten Vorräte von unterschiedlichen Anbaustandorten stammten, und bestätigt den Beitrag zahlreicher Höfe aus dem weiten Umland zur Versorgung der Bevölkerung der Zentralsiedlungen", so die Forscher.

Demnach lebten in den frühstädtischen Zentren die Eliten jener Gesellschaft, die von den Bauern aus dem Umland mit Lebensmitteln versorgt wurden. Wie die archäologischen Funde zeigen, war das kleinere Gatas nicht ganz so reich wie das Zentrum La Bastida, was sich auch in der Ernährung widerspiegelt. "Wenn man davon ausgeht, dass der Konsum tierischer Proteine etwas Besonderes ist, steht La Bastida besser da als Gatas", sagt Alt.

Man hat nicht vom Meer gelebt

Die El-Argar-Leute waren dennoch vor allem eine Agrargesellschaft: Im Durchschnitt basierte die Nahrung der Menschen damals zu vier Fünfteln auf Getreide. Laut Analysedaten erfolgte der Anbau ohne künstliche Bewässerung und es wurde kaum gedüngt. Vor allem in La Bastida bekam das Vieh wohl die Agrar-Nebenprodukte wie Stroh und vielleicht auch Getreidekörner selbst als Futter. "Wahrscheinlich weideten die Tiere auf den abgeernteten Feldern und sorgten damit gleich für das bisschen Düngung", meinen die Forscher.

Hier wurde eine Frau in einem großen Tongefäß beigesetzt. Die El-Argar-Menschen waren Meister der Töpferei und betrieben mit ihren Produkten überregionalen Handel.
Foto: ASOME-UAB

"Beide Geschlechter verzehrten sehr ähnliche Anteile von Fleisch, Milchprodukten und Getreide", sagte Alt. Fisch hatten die Menschen dort kaum auf dem Speiseplan, obwohl Gatas nur drei Kilometer vom Meer entfernt liegt. Die Kinder wurden offensichtlich gestillt, bis sie eineinhalb oder zwei Jahre alt waren.

Niedergang

Im Laufe der Zeit wurde der Protein-Anteil in der Nahrung der Menschen von La Bastida und Gatas jedoch geringer, wie die Analysen zeigten. "Dies ist ein Hinweis auf eine mögliche Übernutzung der Ressourcen, eine Verschlechterung der Versorgung und könnte ein Beitrag zum Ende der sozio-politischen Struktur der El-Argar-Kultur sein", so die Forscher. "Es gibt keine Anzeichen von Rebellion, aber es könnte klimatische Gründe geben", sagt Alt. Immerhin sei dies heute die heißeste und trockenste Region Spaniens, wo er bei den Ausgrabungen mittags durchaus 45 Grad Celsius erlebt habe. (red, 12. 3. 2020)