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Protest gegen die Al-Shabaab-Miliz in Mogadischu: Wegen der frühen Hilfe durch Medizin und Installationsdienste wird Tayyip Erdoğan von vielen Somalierinnen und Somaliern verehrt. Die Motive für seinen Einsatz liegen aber nicht nur in der Nächstenliebe, sondern auch im Finanziellen.

Foto: Reuters / Faisal Omar

So schnell macht ihm das keiner nach. Fast 40-mal hat Recep Tayyip Erdoğan in den vergangenen 15 Jahren Afrika besucht: Selbst vor terrorgefährdeten Staaten wie Somalia schreckt der türkische Präsident nicht zurück. Seine Kritiker werfen ihm vor, mit seinen Exkursionen in den Kontinent an die fast sieben Jahrhunderte andauernde türkische Großmachtstellung in der Region anknüpfen zu wollen. Er dagegen versichert, im Gegensatz zu den "westlichen Neokolonialisten" ein "wahrer Freund" Afrikas zu sein.

Anfangs wurde Erdoğan dem hehren Anspruch tatsächlich gerecht. Vor neun Jahren reiste er mitten im Bürgerkrieg in die somalische Hauptstadt Mogadischu: das erste ausländische Staatsoberhaupt, das sich nach über zwei Jahrzehnten wieder in die zerbombte Stadt wagte. Erdoğan sagte den verzweifelten Somaliern Hilfe zu, sandte türkische Fachleute zum Bau von Straßen, Schulen und Krankenhäusern ans Horn von Afrika und ließ sich den Freundschaftsdienst mehr als 600 Millionen US-Dollar kosten. "Das wird in unsere Geschichtsbücher eingehen", schwärmte Somalias damaliger Premier Hassan Ali Khaire: "Wir vergessen das nie!"

Ein Stützpunkt für Ankara

Ohne Eigennutz war Erdoğans Hilfe allerdings nicht. Somalia verfügt über eine 1.200 Kilometer lange Küste am Golf von Aden, der strategisch wichtigsten Meerenge der Welt. Im nahegelegenen Dschibuti haben sich bereits Militärs aus elf Staaten der Welt eingenistet: allen voran das chinesische in seinem selbsterrichteten Fort, gefolgt vom US-amerikanischen auf dem Flugplatz und dem in der Stadt stationierten französischen. Nach Erdoğans Zuwendung können sich auch die Türken eines Zugangs zur Meerenge sicher sein: Ankara durfte am Flughafen von Mogadischu sogar ein ständiges Militärcamp, sein größtes im Ausland, etablieren. So hatte sich der türkische Präsident einen afrikanischen Stützpunkt gesichert.

Nicht weniger erfolgreich war Erdoğan im Sudan: Allerdings hatte er sich dort mit dem vom Internationalen Strafgerichtshof wegen Völkermords angeklagten Präsidenten Omar al-Bashir verbündet. Im April des vergangenen Jahres wurde der Diktator entmachtet: Seitdem sucht Ankara im Sudan zu retten, was noch zu retten ist. Zumindest will die türkische Regierung an der Restaurierung des osmanischen Küstenstädtchens Suakin festhalten, das ebenfalls strategisch günstig am Roten Meer gelegen ist.

Syrische Söldner für Libyen

Eine Zeitlang hatte es für die Türkei besonders vielversprechend ausgesehen – als im Jahr 2012 Mohammed Morsi in Ägypten an die Macht kam, mit Erdoğan durch die Organisation der Muslimbrüder verbündet. Doch schon nach einem Jahr wurde Morsi vom Militär wieder entmachtet: Seitdem herrscht zwischen Kairo und Ankara ein unerklärter Krieg. Beide Staaten stehen sich auch in den verfeindeten Allianzen des Mittleren Ostens gegenüber: Hier Ägypten mit den Saudis und den Vereinigten Emiraten, dort die Türkei neben Katar und – mit gewissem Abstand – dem Iran.

Der Konflikt zwischen den beiden Lagern wird in Libyen derzeit sogar blutig austragen. Dort steht die von den Vereinten Nationen anerkannte und von Katar und der Türkei unterstützte Übergangsregierung den von Ägypten, Russland und den Emiraten aufgerüsteten Truppen des Generals Khalifa Haftar gegenüber. Anfang des Jahres sandte Erdoğan mehr als zweitausend syrische Söldner und eigene Soldaten zum Beistand der Übergangsregierung nach Tripolis: Obwohl Letztere eigentlich nur ausbilden und nicht in Kämpfe eingreifen sollen, starben in Libyen bereits mehrere türkische Soldaten. Erdoğan ist also – außer in Syrien – noch in einen zweiten Krieg verwickelt: Er habe sich damit auf gefährliche Weise übernommen, meinen Kenner seines Landes.

Schulen auf, Schulen zu

Dabei hatte die türkische Annäherung an Afrika eigentlich friedlich begonnen. Mit Erdoğans damaligem Zuspruch etablierte die Gülen-Bewegung zunächst zahllose türkische Schulen auf dem Kontinent: Ihrer modernen islamischen Ausrichtung wegen genossen sie einen ausgezeichneten Ruf. Dann weitete der Präsident die diplomatischen Vertretungen in Afrika von zwölf auf 39 aus. Die staatliche Fluggesellschaft Turkish Airlines fliegt inzwischen 54 Städte auf dem Kontinent an.

Nach dem vor vier Jahren gescheiterten türkischen Putschversuch, den Erdoğan seinem ehemaligen Weggefährten Fethullah Gülen in die Schuhe schiebt, drängt der türkische Präsident seine afrikanischen Amtskollegen nun zu einer Schließung der Schulen – und die meisten Staatschefs tun ihm den Gefallen. Dem Ruf des "wahren Freundes" Afrikas tut das nicht gut: Auch er werde vor allem von eigenen Interessen getrieben, halten ihm Kritiker vor.

Erdoğan strebe tatsächlich eine regionale Vormachtstellung an, ist der Washingtoner Konfliktforscher Doga Erlap überzeugt. Doch mit seinem Afrika-Engagement habe er vor allem ein innenpolitisches Ziel im Auge: den Rohstoff- und Energiebedarf seines Landes zu sichern. Sowohl in Libyen wie im bislang noch unerschlossenen Somalia sorgte der Präsident dafür, dass türkische Erdölgesellschaften mit Förderlizenzen rechnen können: Insofern ist Afrikas "wahrer Freund" von den "neokolonialistischen Bodenschatzjägern" gar nicht so weit entfernt (.Johannes Dieterich aus Johannesburg, 11.3.2020)