Es sind zwei grundverschiedene Dinge: Patienten in Quarantäne, die Maßnahmen der Regierung und Veranstaltungsabsagen sind das eine. Hier geht es darum, eine Gesellschaft vor einer Infektion zu schützen, vor unkontrollierter Ausbreitung und vor einem überlasteten Gesundheitssystem. Der andere Punkt ist das Risiko für jeden Einzelnen, die Angst der Menschen um ihr eigenes Leben.

Zwischen beidem zu unterscheiden fällt vielen schwer. Kein Wunder, wer die Berichterstattung verfolgt, liest von einer täglich steigenden Zahl der Erkrankungsfälle und kann sie nicht immer in Relation setzen. Es fehlen Vergleiche, etwa: Wie viele Menschen sind in derselben Zeit an der Grippe gestorben? Oder: Wie viele der erkrankten Covid-19-Patienten sind wieder gesund? Zur Beruhigung: Es sind mehr als die Hälfte. In Medien, sozialen Netzwerken und Gesprächen in der Mittagspause geht es um Hamsterkäufe, Panik, Homeoffice und Ausgehverbote. Das schürt Angst um das eigene Leben oder zumindest um das von älteren Familienmitgliedern.

Darf ich noch mit der U-Bahn fahren, mit den Kindern auf den Spielplatz oder mit der Familie Geburtstag feiern? Das sind Fragen, die sich nun viele stellen. Man könnte meinen, das Coronavirus rafft die Menschheit dahin wie die Pest. Tatsächlich sterben nur wenige daran, alle anderen leiden an Erkältungssymptomen und werden wieder gesund.

Nutzen für Gesellschaft

Virologen beschäftigen sich von jeher mit Infektionen und sind die ersten Ansprechpartner in der aktuellen Situation. Sie halten die Aufregung für überzogen und Furcht für fehl am Platz. Hingegen: Alles, was der Gesellschaft als Ganzes nutzt, etwa Quarantänemaßnahmen, unterstützen auch sie. Warum? Sie haben auch die Aufgabe, die Gesellschaft vor einer Erkrankung zu schützen, die gesamt betrachtet keine gravierenden medizinischen Konsequenzen haben wird.

Ärzte müssen Jahr für Jahr nörgeln, betteln und bitten, dass sich endlich mehr als neun Prozent der Österreicher gegen die Grippe impfen lassen.
Foto: imago images/Christian Ohde

Und Schulschließungen? Was sie bringen, ist unklar, denn Daten darüber gibt es nicht. Die Auswirkungen aufs wirtschaftliche System wären jedenfalls gravierend. Und am Ende sind es oft die Großeltern, die auf die Kinder aufpassen müssen, wenn sonst niemand kann. Und sie sind, wie wir wissen, die Gruppe, die Covid-19 am ehesten trifft.

Die Prognose von Medizinern: Bald wird Corona vergessen sein, und Ärzte müssen erneut und Jahr für Jahr nörgeln, betteln und bitten, dass doch endlich mehr als neun Prozent – so hoch ist derzeit die Durchimpfungsrate – der Österreicher sich gegen die Grippe impfen lassen: eine Erkrankung, die Experten auch trotz aktueller Entwicklungen als die noch größere Gefahr für die Menschen einschätzen. Sie geht derzeit unter, ebenso wie andere Erkrankungen, die weit größerer Aufmerksamkeit bedürften. Etwa Malaria, sie ist die häufigste Infektionskrankheit der Welt. Jährlich gibt es 200 Millionen Erkrankte und 1,2 Millionen Todesfälle. Zum Vergleich: Derzeit gibt es 121.000 Coronafälle – 66.000 davon sind wieder gesund – und 4360 Tote.

Covid-19 erklärt.
DER STANDARD

Auch wenn die öffentliche Wahrnehmung eine andere ist, nach wie vor gilt: Die Wahrscheinlichkeit, sich in Österreich anzustecken, ist gering. Von der Berichterstattung auf eine Gefahr für sich selbst zu schließen ist so, als ob man fest mit einem Lottogewinn rechnet. Und das dürften die wenigsten tun. Es gibt keinen Grund, sich wie ein Eremit einzuigeln. Fürchten muss man sich nicht. (Bernadette Redl, 11.3.2020)