Wenn die Schulsessel leer bleiben, kann das gravierende Folgen haben, sagen Experten – etwa dass die Großeltern die Kinder betreuen und sich damit erst recht einem Risiko aussetzen.

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Die Oberstufenklassen der Schulen machen den Anfang: Ab Montag wird dort der Unterricht ausgesetzt. Hintergrund der am Mittwochabend von der Regierung verkündeten Maßnahme ist die Eindämmung des Coronavirus durch Reduktion der Sozialkontakte. Betroffen sind 411.000 Schülerinnen und Schüler in der 9. bis 13. Schulstufe.

Eine Verschiebung der Zentralmatura kündigte Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) zudem in der "ZiB 2" an. Die Uni-Aufnahmeprüfungen werden ebenfalls mit den neuen Terminen abgestimmt. Details nannte er nicht. Diese wird es eventuell am Donnerstag geben. Die Zentralmatura ist derzeit für 5. bis 13. Mai anberaumt.

Für Maturantinnen und Maturanten werde eine Lösung gesucht, kündigt Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) an.
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Ab Mittwoch kommender Woche wird dann auch der Unterricht für alle anderen Kinder (350.000 in Volksschulen, 340.000 in AHS-Unterstufen und Neuen Mittelschulen) eingestellt. Für diese Gruppe wird es Betreuungsmöglichkeiten in den Schulen geben. Auch Kindergartenkinder sollen nach Möglichkeit zu Hause bleiben, lautete der Appell der Regierung. Auch für sie soll es eine Betreuungsmöglichkeit geben, wenn es für die Eltern keine Alternative gibt. Diese Maßnahmen gelten vorerst bis Ostern.

Keinesfalls zu Oma und Opa

"Das bedeutet, dass alle, die zu Hause betreut werden können, auch zu Hause betreut werden sollen", sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP): "Wer keine Möglichkeit hat, der kann weiter seine Schüler in die Schule bringen" – "keinesfalls" aber zu den Großeltern, betonte der Kanzler, denn das sei die Gruppe, "die wir bestmöglich schützen wollen".

Auch Sozialminister Rudolf Anschober (Grüne) betonte, dass es um den Schutz der gefährdeten Personengruppe (über 70-Jährige und Menschen mit Vorerkrankungen) gehe, wohingegen Kinder "starke Multiplikatoren" seien.

In Österreich werden zur Eindämmung des Coronavirus ab Montag die Schulen geschlossen. Zunächst sind nur die Oberstufenschüler betroffen, ab Mittwoch auch alle anderen.
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Aussetzen des Unterrichts heißt übrigens nicht schul- oder unterrichtsfrei. Die Oberstufenschüler werden mit digitalen Mitteln unterrichtet, für Maturanten werden eigene Lösungen geschaffen werden müssen, sagte Bildungsminister Faßmann. Er war ja eigentlich gegen eine flächendeckende Schließung aller Schulen – und nicht allein mit seiner Skepsis hinsichtlich derart rigider Maßnahmen. Im Krisenstab der Regierung war denn auch, wie DER STANDARD erfuhr, das Gesundheitsministerium gegen eine Schnellschusstotalsperre noch diese Woche. Schlussendlich kam der Stufenplan heraus – ohne verriegelte Schulhäuser.

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Minister informierte Schulen

Bereits am Dienstag waren alle Schulen in einem Brief des Ministers informiert worden, Übungsmaterialien "zur Festigung und Vertiefung des aktuell im Unterricht behandelten Lernstoffes" vorzubereiten.

Die ablehnende Position des Bildungsressorts zu einer Totalsperre aller Schulen wird übrigens auch von Experten gestützt. Niki Popper vom Institut für Information Systems Engineering an der TU Wien etwa hält eine flächendeckende Schließung aller Schulen und Kindergärten aktuell nicht für sinnvoll. Zumal daran auch Betreuungsfragen und die ökonomische Situation der Eltern hängen. Popper entwickelt an der TU Wien mit seinen Kollegen Computermodelle, die die Ausbreitung von Krankheiten simulieren, diese sollen die Planung von Maßnahmen unterstützen.

"Gibt es keine alternativen Betreuungsstrukturen, sind es oft die Großeltern, die diese übernehmen", sagt Popper im STANDARD-Gespräch – ein Punkt, den auch Virologe Christoph Steininger von der Med-Uni Wien anspricht: Er weist darauf hin, dass jede kleine Änderung im System weitreichende Folgen haben könnte. SPÖ-Chefin und Ärztin Pamela Rendi-Wagner – auch sie warnte im Vorfeld davor, alle Schulen zu schließen – sagt, wenn, dann sollte man dies auf die Oberstufen begrenzen – immerhin müssten über 14-Jährige nicht betreut werden.

Popper plädiert dafür, so lange wie möglich lokale Lösungen zu finden. "Wenn man alle Schulen schließt, übersteigt der negative Impact den Nutzen." Zudem könne man sich zu Recht fragen, warum etwa im Burgenland, das insgesamt sehr wenige bestätigte Fälle des Coronavirus verzeichnet, alle Schulen schließen sollen: "Wir müssen weg von dieser Homogenisierung." Im Bereich Schule gelte: je differenzierter die Maßnahmen, desto besser.

Bundesländer vorbereitet

Auch Wiens Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) ist skeptisch, was Schulschließungen anbelangt. Das brauche eine "intensive Diskussion", weil man damit das Land "wirklich lahmlegen" würde. Aus dem Büro des Wiener Bildungsdirektors Heinrich Himmer hieß es, man habe Arbeitspakete zusammengestellt, damit klar sei, welcher Stoff zu wiederholen ist, auch ein Onlineangebot soll es geben. Zudem wurde eine Hotline eingerichtet. Unter der Nummer 01-525 25 77 08 werden Eltern, Schüler, Schülerinnen und Lehrende beraten, wie sie etwa Zugang zu Arbeitsmaterialien und Infos über Onlinelehrplattformen bekommen.

Aus Salzburg hieß es von Bildungsdirektor Rudolf Mair, man könne sich vorstellen, per Mail mit Schülern und Schülerinnen zu kommunizieren. Eine temporäre Schließung der 350 Standorte unterstütze er, wenn sie den Anstieg der Sars-CoV-2-Infektionen drücken könne. "Es gibt wirklich Schlimmeres, da muss man entspannt sein", sagte Mair. Erst am Mittwoch – und damit schon vor den entsprechenden Maßnahmen des Bundes – habe eine Schule eigenmächtig geschlossen – für Mair eine "völlige Überreaktion". (Oona Kroisleitner, Lisa Nimmervoll, Gabriele Scherndl, 11.3.2020)