Der Wiener Stadtsaal, Österreichs größte Kabarettbühne mit über 400 Plätzen, wurde geschlossen. Weitergelacht wird im zugehörigen Kabarett Niedermair bei unter 100 Besuchern.

Georg Fuderer

Der Regierungserlass, der ab sofort und bis 2. April Veranstaltungen in geschlossenen Räumen über 100 Personen und im Freien über 500 Personen verbietet, trifft die Kulturbranche hart: Die meisten großen Museen und Theater des Bundes und der Länder haben seit gestern ihre Pforten geschlossen – Maßnahmen, die nunmehr in zahlreichen EU-Ländern umgesetzt werden.

Frage: Steht das Kulturleben jetzt still?

Antwort: Das kann man wohl so sagen. Denn die restriktiven Beschränkungen lassen wenig zu: Fast alle Veranstaltungen spielen sich wegen der noch kalten Jahreszeit in geschlossenen Räumen ab, selbst kleine und mittelgroße Einrichtungen verfügen häufig über mehr als die erlaubten 100 Sitzplätze. Darunter zu öffnen ist ökonomisch oft ein Minusgeschäft. Outdoor-Veranstaltungen stehen wegen der noch kalten Jahreszeit kaum am Programm, jene, die ab April/Mai starten sollen, befinden sich durchwegs über der Obergrenze von 500 Besuchern und müssen ebenso bangen. Zudem stockt mittlerweile weltweit der Reiseverkehr: Künstler und Bands verschieben Konzerte oder sagen ganze Tourneen ab.

Schon gehört?

Frage: Welchen Spielraum lässt der Regierungserlass zu?

Antwort: Grundsätzlich hätte der Regierungserlass auch großen Museen und Theatern den Spielraum gelassen, weiter offen zu halten, sofern dafür gesorgt ist, dass sich nie mehr als 100 Leute in den Räumen aufhalten – Salzburg und Oberösterreich wollen das tun. Die meisten Theater und Museen, darunter die des Bundes, entschieden sich aber für eine gänzliche Schließung bis Ende März. Kinos, sowohl kleine als auch große Ketten, versuchen derzeit, bei Vorführungen unter der 100-Personen-Grenze zu bleiben. Auch sie könnten aber zu Schließungen übergehen, falls das Publikum ausbleibt, zumal bereits Filmstarts verschoben wurden. Prominentestes Opfer: der neue James Bond. Möglich sind Geisterspiele ohne Publikum, die aufgezeichnet oder gestreamt werden: James Blunt etwa gab ein Konzert in der leeren Hamburger Elbphilharmonie – als kostenlosen Stream im Internet.

Das größte österreichische Filmfestival, die "Diagonale", wurde abgesagt. Und der "Amadeus Award" soll auf Herbst verschoben werden. Vor allem für die heimische Musikszene sind die Folgen gravierend.
ORF

Frage: Stehen die Häuser dann leer?

Antwort: Nicht alle. Gerade Theater werden durch Probentätigkeit weiter frequentiert werden. Für Mitarbeiter des Besucherdienstes allerdings überlegt man Modelle zur Arbeitsreduktion.

Frage: Profitieren davon jetzt kleinere Kultureinrichtungen?

Antwort: Das ist schwer abzuschätzen. Zwar wird sich die mediale Aufmerksamkeit und jene des besonders kulturinteressierten Publikums nun auf kleinere Einrichtungen richten, dennoch sollte der psychologische Effekt nicht unterschätzt werden, dass Menschen im Zweifel lieber ganz zu Hause bleiben. Kleine Kultureinrichtungen und Clubs können zwar unter 100 Personen bleiben, allerdings veranstalten sie auch auf engerem Raum, den derzeit viele generell meiden wollen. Der Konflikt: Gerade kleinere Kultureinrichtungen, die ohnehin schon prekär arbeiten, "müssen" versuchen, weiter zu veranstalten, da Existenzen an den wenigen Einnahmen hängen. Die IG Kultur, die viele kleine Initiativen vertritt, spricht von einer "Einkommenskatastrophe" und fordert Entschädigungen von der Regierung.

Frage: Wird der Staat Entschädigungen für Ausfälle zahlen?

Antwort: Der Ruf nach staatlichen Ausfallszahlungen, etwa nach dem Vorbild von Hilfsfonds bei Naturkatastrophen, wird derzeit mit Nachdruck von privaten Kulturveranstaltern gefordert. Denn während für die großen Bundes- und Landeskultureinrichtungen ohnehin die öffentliche Hand als Subventionsgeber haftet, könnten Vereine und Private durch die Finger schauen. Von Bundesseite ist zu möglichen Hilfszahlungen noch nichts verlautbart worden. Vertreter der Stadt Wien nahmen diesbezüglich zuletzt den Bund in die Pflicht und bezogen sich auf das Epidemiegesetz. Die SPÖ fordert einen Krisengipfel zur Frage, ebenso die Neos.

Frage: Was droht Veranstaltern, die sich nicht an die Vorgaben halten?

Antwort: Die drohende Verwaltungsstrafe ist mit 1450 Euro vielleicht noch verkraftbar. Allerdings würden Veranstalter auch mögliche Schadenersatzforderungen riskieren, falls sich ein Besucher anstecken sollte.

Frage: Zahlen die Versicherungen für Absagen und Schließungen?

Antwort: Es gibt zwar Versicherungen, die Absagen durch "höhere Gewalt" abdecken, aber viele Institutionen haben es verabsäumt, eine solche rechtzeitig abzuschließen. Beispielsweise dürfte für den Ausfall des Grazer Filmfestivals Diagonale eine Versicherung zahlen, während Cannes, das wichtigste Filmfestival der Welt, laut Medienberichten nicht versichert sei. Die Option, eine bestehende Versicherung dahingehend anzupassen, wurde abgelehnt. Einziger Hoffnungsschimmer: Das Filmfestival in Cannes soll erst im Mai stattfinden.

Frage: Werden bezahlte Karten für Kulturveranstaltungen refundiert?

Antwort: Wenn wie im Corona-Fall die Verantwortung für den Ausfall von Veranstaltungen beim Veranstalter bzw. bei Dritten (Staat) liegt, haben Kunden gemäß ABGB § 1168, Absatz 1, Anspruch auf die Rückerstattung des bezahlten Ticketpreises, so Beate Gelbmann vom Verein für Konsumenteninformation (VKI). Die meisten Institutionen wollen dem auch folgen. Allerdings gibt es Veranstalter, die auf eine "Höhere Gewalt"-Klausel in ihren Geschäftsbedingungen verweisen, die sie von der Verantwortung entbinden soll. Laut VKI ist dies aber nicht rechtens. In diesen Fällen drohen komplizierte Rechtsstreitigkeiten. (Stefan Weiss, 12.3.2020)