Auf dem Brenner Gestrandete suchen nach einem Gefährt, das sie über die Grenze nach Österreich bringt.

Foto: Arora

Um 10.30 Uhr war es so weit. Am Mittwochvormittag marschierten Polizisten am alten Zollhaus an der Brennerstraße auf, um die vom Innenministerium (BMI) angeordneten Grenzkontrollen für Reisende, die aus Italien kommen, zu starten. Zwei Stunden später wurde auch auf der Autobahn gegenüber kontrolliert. Der grenzüberschreitende Bahn- und Busverkehr wurde komplett eingestellt. Dasselbe galt ab diesem Zeitpunkt für sämtliche Tiroler und Kärntner Grenzübergänge zu Italien.

Die Maßnahme kam vor allem für Bahnreisende überraschend. Denn sie strandeten nun auf dem Brenner, wo der Bahnhof auf italienischer Seite der Grenze liegt. Regionalzüge verkehren weiter bis zur Grenze, doch dort ist Endstation. Denn gemäß Verordnung des BMI dürfen Fußgänger die Grenze nicht mehr passieren.

Aber auch die Regierung in Rom sowie die EU-Kommission in Brüssel zeigten sich überrascht. Man wäre bereit, bei der Koordinierung der Maßnahmen zu helfen, allerdings habe man bislang keine Benachrichtigung Österreichs über das Schengen-System erhalten, so ein Sprecher der Kommission am Dienstag.

Die Weltgesundheitsorganisation stuft die Verbreitung des neuen Coronavirus Sars-CoV-2 nun als Pandemie ein. Währenddessen werden in Europa die Schutzmaßnahmen verschärft.
DER STANDARD/APA

Polizei organisierte Bus

Am Brenner versuchte die Exekutive indes, den festsitzenden Menschen zu helfen. Ein Bus und Taxis wurden organisiert, die die Personen bis Deutschland brachten. Diese Transporte mussten die Betroffenen allerdings selbst bezahlen, für die Fahrt nach München verlangte der Busunternehmer 35 Euro pro Person. Er nutzte die Situation offenbar aus, beklagten Reisende. Denn vereinbart waren 25 Euro, und als die Menschen im Bus saßen, wurde der Preis kurzerhand um zehn Euro erhöht.

Wer mit dem Auto kam, hatte es etwas leichter. Österreicher müssen sich bei der Einreise schriftlich verpflichten, die nächsten 14 Tage freiwillig in Quarantäne zu verbringen. Um das zu kontrollieren, werden von allen die Pässe bei der Einreise fotografiert. Privatpersonen, die auf der Durchreise sind, müssen an der Grenze unterschreiben, dass sie Österreich ohne Stopp durchqueren. Kontrolliert wird das nicht, man verlässt sich auf die Kooperation der Reisenden.

Probleme gab es vor allem für Ausländer, die nach Österreich mussten, um etwa einen Flug zu erwischen. Sie müssten bei der Einreise umgehend in zweiwöchige Quarantäne. Eine Russin, die am Dienstag am Brenner gestrandet ist und ihren Flug in Innsbruck erreichen wollte, schloss sich kurzerhand einer Gruppe Deutscher an, die es mit einem Taxi nach Rosenheim versuchten.

Für den Lkw-Verkehr gilt, anders als noch von Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) am Dienstag angekündigt, dass die Fahrer an der Grenze stoppen und stichprobenartigen Gesundheitskontrollen unterzogen werden. Wer das akzeptiert, darf, sofern kein Infektionsverdacht besteht, weiterfahren und sich frei in Österreich bewegen. Wer die Kontrolle verweigert, muss umkehren.

Rückstau in Richtung Italien

Durch die Kontrollen bildete sich auf der Brennerautobahn und der Landesstraße alsbald ein Rückstau in Richtung Italien. Weil aber das Verkehrsaufkommen durch die Corona-Krise insgesamt enorm zurückgegangen ist, hielten sich die Behinderungen vorerst in Grenzen.

Die Exekutive, die sich um die Grenzkontrollen kümmert, und die Gesundheitsbehörde, die für die medizinischen Checks zuständig ist, baten um Verständnis, dass die Kontrollen teils holprig anliefen. Die Situation stelle alle Beteiligten vor große Herausforderungen. Es sei die erste echte Grenzschließung auf dem Brenner seit 1998, wie die Einsatzleitung der Polizei betonte. Ausnahmslos jeder werde kontrolliert. Allerdings ist die Maßnahme laut Verordnung vorerst auf zehn Tage befristet. (Steffen Arora, 12.3.2020)