Der Klimawende stehen heute zahlreiche Gesetze im Weg. Diese zu ändern ist eine Mammutaufgabe für Regierung und Parlament.

Illustration: Davor Markovic

Wer das Regierungsprogramm der türkis-grünen Bundesregierung liest, könnte glauben, dass Österreich in den kommenden Jahren den CO2-Ausstoß so gut wie einstellen und seinen ganzen Energiebedarf nur noch mit Wasser, Wind und Sonne decken wird. Doch es sind nicht nur politische und gesellschaftliche Hürden, die auf dem Weg zur Klimaneutralität, die laut Programm bereits 2040 erreicht werden soll, aus dem Weg geräumt werden müssen. Auch in zahlreichen Gesetzestexten finden sich Bestimmungen, die einer Klimawende im Wege stehen.

Für die Legisten im neuen Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK), das von der Grünen Leonore Gewessler geleitet wird, ist dies eine Mammutaufgabe. Einerseits müssten sie für die Beschleunigung von Genehmigungsverfahren klimarelevanter Anlagen sorgen, auch gegen den Widerstand in der lokalen Bevölkerung – oft eine grüne Kernklientel. Andererseits geht es um die Kompetenzverteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden, und damit um die heilige Kuh Föderalismus.

Das Regierungsprogramm sieht zwar Instrumente vor, mit dem Rechtshürden überwunden werden können. Doch für die Umsetzung ist viel Entschlossenheit und viel Geschick im Umgang mit verschiedenen Interessengruppen notwendig, sagen Umweltjuristen.

In zehn Jahren soll die gesamte Stromerzeugung in Österreich auf erneuerbare Quellen umgestellt sein.
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Einer der heikelsten Bereiche sind die Genehmigungsverfahren für große Verkehrs- und Energieprojekte, wie etwa Bahnstrecken, Windparks, Wasserkraftwerke oder Photovoltaikanlagen. Die Verfahren sind in Österreich zersplittert und unterscheiden sich von Bundesland zu Bundesland. Sie ziehen sich oft viele Jahre in die Länge, und bei besonders starkem lokalem Widerstand werden auch ökologisch wertvolle Projekte verhindert.

"Warum gibt es im Bundesland Salzburg kein einziges Windrad? Weil dort jeder Anlauf scheitert", sagt Martin Niederhuber, Rechtsanwalt und Umweltrechts experte in Wien. "Das ist ein riesiges Problem, weil wir beim Ausbau der erneuerbaren Energie so viel Zeitdruck haben."

Was im Gesetz stehen soll

Schließlich soll in zehn Jahren die gesamte Stromerzeugung in Österreich auf erneuerbare Quellen umgestellt sein. Das wichtigste rechtliche Instrument dafür ist das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG), das Gewessler bis zum Sommer in Begutachtung schicken will, damit es Anfang 2021 in Kraft treten kann. Was genau drinstehen wird, ist noch nicht bekannt, aber es soll vor allem den Ausbau von Windkraft und Photovoltaik (PV) beschleunigen. Laut Regierungsprogramm soll sich die Windkraft bis 2030 verdoppeln und die Sonnenenergie sogar verzehnfachen – eine ehrgeizige Ansage.

"Man muss die Interessenabwägung zugunsten der erneuerbaren Energie verschieben, das würde den Genehmigungsverfahren guttun." Martin Niederhuber, Partner bei Niederhuber & Partner Rechtsanwälte (NHP)
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Niederhuber würde sich im Gesetz eine Passage wünschen, die die erneuerbare Energie als "besonderes öffentliches Interesse" definiert. Eine solche Formulierung finde man auch im Standort-Entwicklungsgesetz, das unter der türkis-blauen Regierung 2018 in Kraft getreten ist, aber nun Gegenstand eines EU-Vertragsverletzungsverfahrens ist.

"Ein Windrad ist schiach und sichtbar, daher ein Eingriff ins Landschaftsbild", sagt Niederhuber. "Im Regierungsprogramm steht, dass der Naturschutz nicht beeinträchtigt werden darf, doch das geht sich oft nicht aus. Man muss die Interessenabwägung zugunsten der erneuerbaren Energie verschieben, das würde den Genehmigungsverfahren guttun."

Das sieht auch Michael Hecht, Experte für öffentliches Recht in der Wirtschaftssozietät Fellner Wratzfeld & Partner, so: "Krass formuliert darf es keine Rolle spielen, ob Windparks für das Landschaftsbild grob benachteiligend sind. Das ist eine Frage der Prioritäten." Es müsse im EAG deshalb privilegierte Genehmigungsverfahren für Klimaschutzprojekte geben.

Zersplitterte Kompetenzen

Hecht beklagt auch die Kompetenzzersplitterung zwischen Bund und Ländern vor allem bei Umweltverträglichkeits prüfungen (UVP), was auch dem Ausbau des Eisenbahnnetzes im Wege steht. "Die ÖBB ist als Projektwerber wirklich gut aufgestellt, aber trotz bester Vor bereitung dauern die Verfahren viele Jahre", sagt er. "Das ist ein Versagen des Gesetzgebers."

Seit Jahren wird deshalb ein konzentriertes Genehmigungsverfahren gefordert, und dieser Plan findet auch im neuen Regierungsprogramm wieder. Sinnvoll wäre aus seiner Sicht auch eine Lockerung der UVP-Pflicht für klimarelevante Projekte.

So könnte man etwa anordnen, dass jene Teile eines Großvorhabens, die keine UVP durchlaufen müssen, sofort angegangen werden dürfen und nicht so lange warten müssen, bis das UVP-Verfahren abgeschlossen ist.

"Krass formuliert darf es keine Rolle spielen, ob Windparks für das Landschaftsbild grob benachteiligend sind. Das ist eine Frage der Prioritäten." Michael Hecht, Partner bei Fellner, Wratzfeld & Partner Rechtsanwälte (FWP)
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Der Föderalismus spielt auch in der Raumordnung eine große Rolle. Denn es gibt neun Landes-Raumordnungsgesetze mit unterschiedlichen Bestimmungen, und in einigen wird der Klimaschutz als Zielsetzung gar nicht berücksichtigt. Bei der Raumordnung sind die Gemeinden derzeit die wichtigsten Akteure, weil sie über die Flächenwidmung entscheiden können, was wo gebaut wird – und was nicht.

Und viele Gemeinden wollen keine Windparks und auch keine PV-Anlagen, sondern lieber Fachmärkte, die ihnen Steuereinnahmen bringen, und die von ihren Wählern geliebten Einfamilienhäuser. Das fördert die Zersiedelung, die wiederum den Autoverkehr verstärkt, und die Bodenversiegelung; mit rund zwölf Hektar Flächenverbrauch am Tag liegt Österreich hier an der Weltspitze.

Problemzone Raumordnung

Damit die Regierung ihr Ziel erreichen könne, den Netto-Flächenverbrauch auf 2,5 Hektar am Tag zu senken, müsse sich das ganze System der Raumordnung ändern, ist Niederhuber überzeugt. "Dass die Gemeinden für die Flächenwidmung zuständig sind und die Länder für die Aufsicht, funktioniert einfach nicht", sagt er. "Die Raumordnung gehört auf die Bundesebene und die Flächenwidmung zu den Ländern."

Notwendig sei auch, dass Boden wieder entsiegelt werde, glaubt Hecht. Wer Boden versiegelt, müsse dazu beitragen, anderswo wieder einen natürlichen Zustand herzustellen. Weil es hier um Eingriffe in Eigentumsrechte geht, sei dies allerdings verfassungsrechtlich heikel. Man könne dies aber etwa auch mittels einer "Pool-Lösung" machen, in die eben diejenigen einzahlen müssten, die keine Flächen zum Entsiegeln haben.

In die Verfasssung eingreifen

"Eine enge Verkettung zwischen Flächenwidmung und privatrechtlichen Maßnahmen ist schwierig, weil es in der Verfassung das Koppelungsverbot gibt", sagt Hecht. "Für einen großen Wurf müsste man daher in die Verfassung eingreifen und dieses Koppelungsverbot lockern."

Beim Ausbau von PV-Anlagen setzt die Regierung vor allem auf die Nutzung von Dächern durch ein Eine-Million-Dächer-Programm. Auch dies ist derzeit nicht so einfach. Erst seit der Novelle des Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetzes 2017 (Elwog 2017) ist es überhaupt möglich geworden, dass Wohnhäuser eine gemeinschaftliche Solarstromerzeugungsanlage errichten und selbst nutzen.

Doch die Umsetzung des § 16a stößt in der Praxis auch auf bürokratische Hindernisse, weshalb es wenig Bauträger bisher versucht haben. Dass diese Bestimmung im Jahr 2025 ausläuft, hat manche Hausherren auch von entsprechenden Investitionen abgehalten; dies könne aber leicht repariert werden, heißt es in der Branche.

"Natürlich wäre das ein Widerspruch zum freien Wettbewerb am Strommarkt, allerdings muss man sich die Frage stellen, ob der Klimaschutz nicht schwerer wiegt." Martin Krenn, Partner und Immobilienexperte bei Cerha Hempel
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Zur Förderung der Errichtung von Photovoltaikanlagen für Vermieter sei Voraussetzung, dass die Stromabnahme gesichert ist, sagt Mark Krenn, Immobilienrechtsexperte bei der Kanzlei Cerha Hempel. "Dazu könnte man etwa die Stromlieferung in Mietverträgen als Nebenleistung des Vermieters vorsehen, ohne dass dieser die bürokratischen Hürden eines Stromhändlers erfüllen müsste", sagt er.

"Natürlich wäre das ein Widerspruch zum freien Wettbewerb am Strommarkt, allerdings muss man sich die Frage stellen, ob der Klimaschutz nicht schwerer wiegt. Dass der freie Wettbewerb kein Dogma ist, sieht man am Beispiel von Uber: Auch hier wird der Wettbewerb quasi gesetzlich ausgeschaltet, weil andere Interessen offensichtlich schwerer wiegen."

Problemzone Einkaufszentren

Noch schlechter ist die Lage bei Einkaufszentren, die oft viel Fläche für Solarpaneele bieten. Doch derzeit benötige ein Betreiber die gleiche Konzession wie ein großer Energieversorger, wenn er seine Mieter versorgen will, was enorme Kosten verursache, sagt Krenn. Und wenn die Mieter den Strom vom Dach nicht beziehen wollen, dann könne er seine Kosten nicht einspielen. Denn die Energieversorger würden die Einspeisungstarife besonders niedrig halten.

Krenn: "Es wäre im Sinne des Klimaschutzes, dass ein Vermieter einen sanften Druck auf die Abnehmer ausüben darf, damit sie den Strom dort kaufen, wo er erzeugt wird." Dafür müsste das Elwog novelliert werden. Die geplanten Erleichterungen durch die "Energiegemeinschaften" zielen leider primär auf Haushaltskunden ab.

Gute Möglichkeiten für PV-Anlagen bieten neben Kiesgruben auch Baggerseen. Die rechtlichen Grundlagen dafür sind allerdings unklar. Außerdem braucht es neue Regeln, damit die Gemeinden zur Nutzung von Flächen gezwungen werden können.

Beim Ausbau von PV-Anlagen setzt die Regierung vor allem auf die Nutzung von Dächern durch ein Eine-Million-Dächer-Programm. Auch dies ist derzeit nicht so einfach.
Illustration: Davor Markovic

So würde derzeit eine steirische Gemeinde sogar die Errichtung einer PV-Anlage auf für Industrie gewidmeten Grundstücken verweigern, mit dem Hinweis, dass der Strom dann nur an Industriekunden geliefert werden dürfe, schildert Niederhuber einen Fall aus seiner Kanzlei NHP. Der Grund: Man hätte dort lieber einen Betrieb mit Arbeitsplätzen.

Leichter tut sich der Bund bei der PV-Nutzung von Flächen entlang von Autobahnen und Bahnstrecken, die bereits jetzt in seine Kompetenzen fallen. Aber jedenfalls müsse man die Genehmigungsstandards der neun Bundesländer vereinheitlichen, sagt Hecht. "Die sind in jedem Bundesland anders."

Im Föderalismus könne der Bund die Ziele vorgeben und die Länder durch sogenannte 15a-Vereinbarungen dazu verpflichten, sie auch umzusetzen, betont Lukas Stühlinger, Vorstand der Ökostrom AG, die erneuerbare Energie produziert und verkauft. Dafür brauche es allerdings auch ausreichende Förderungen. "Wenn es etwa Förderungen für PV-Anlagen auf Deponien gibt, dann werden sie auch gebaut", sagt er. "Denn die Länder wollen lieber das Geld selbst, als dass es anderswo hinfließt."

Pflichten und Förderungen

Das Regierungsprogramm sehe die richtige Mischung aus Verpflichtung und Förderungen vor, sagt Stühlinger. Deshalb sei er optimistisch, dass die Klimaziele erreicht werden können. "Das sind große Gesetzesvorhaben, die man angehen muss, aber es wurden alle Stellschrauben erfasst." Wesentlich sei noch, dass eine Energieraumordnung kommt, die bestimmt, was wo gebaut wird. Die stehe im Programm nicht drin, es gebe nur den Hinweis auf die Fachkompetenz des Bundes.

"Das sind große Gesetzesvorhaben, die man angehen muss, aber es wurden alle Stellschrauben erfasst." Lukas Stühlinger, Vorstand der Oekostrom AG für Energieerzeugung und Handel
Foto: Thomas Kirschner

Niederhuber sieht noch zahlreiche andere Bereiche mit Handlungsbedarf, um in 20 Jahren Klimaneutralität zu erreichen. So müssten die Anreize für die Industrie verstärkt werden, als "Early Mover" in grüne Produktion zu investieren. "Das muss über den Emissionshandel hinausgehen", sagt er.

Auch die Speicherung von CO2 in unterirdischen Hohlräumen (CCS), die seit 2011 in Österreich verboten ist, werde ein Thema werden, denn etwa bei der Zementherstellung seien CO2-Emissionen unvermeidbar.

Und um die Anhebung der Sanierungsquote in bestehenden Wohnhäusern auf drei Prozent zu heben, müssten Hauseigentümer verpflichtet und gefördert werden. "Es braucht Regulative, und dann muss Geld hineinfließen", sagt er.

Im Wald wird zu viel geschlägert

Auch in der Forstwirtschaft brauche es Änderungen, denn derzeit werde zu viel geschlägert. "Die Abholzung der Wälder hat dazu geführt, dass unser Wald, statt CO2 zu binden, CO2 emittiert", sagt Niederhuber. "Damit der Wald zu eine CO2-Senke wird, muss man das Forstgesetz mit planerischen Elementen versehen."

Einen starken Hebel habe der Bund in der öffentlichen Beschaffung, betont Hecht. Dort könne man schon bei der bestehenden Rechtslage Klimaziele vorgeben. Sein Resümee: "Ich glaube nicht, dass der Föderalismus per se ein Hemmschuh ist. Es gibt viele gute Ansätze, aber man muss es ernst meinen und auch tun." (Eric Frey, Wirtschaft & Recht Magazin, 12.3.2020)