Eine aktuelle Studie präzisiert den Zeitpunkt, wann Wasser, Kohlenstoff und Stickstoff auf die Erde kamen.
Illustration: NASA / Goddard Space Flight Center Conceptual Image Lab

Köln – Ohne flüssiges Wasser wäre unser Heimatplanet mit hoher Wahrscheinlichkeit eine öde, tote Welt. Was uns diesen lebensspendenden Reichtum beschert hat und wann in der Erdgeschichte dies geschehen ist, wird in der Fachwelt immer noch kontrovers diskutiert. So kam eine Studie aus dem Vorjahr auf Basis von Molybdän-Isotopenanalysen zu dem Schluss, dass das Wasser von einem etwa Mars-großen Himmelskörper namens Theia stammt, der vor ungefähr 4,4 Milliarden Jahren mit der jungen Erde kollidierte. Bei dem kosmischen Frontalcrash entstand auch unser Mond. Die von dem meisten Forschern vertretene Hypothese lautet allerdings, dass das Wasser schon sehr früh von Asteroiden und Kometen zur Erde gebracht wurde.

Nun aber hat ein internationales Team Hinweise dafür gefunden, dass ein Großteil der für die Entstehung von Ozeanen und dem Leben wichtigen Bestandteile wie Wasser, Kohlenstoff und Stickstoff der Erde in seiner Geschichte erst vergleichsweise spät hinzugefügt wurden. Dies widerlegt die ebenfalls verbreitete Theorie, dass diese Elemente bereits zu Beginn des Wachstums der Erde vorhanden waren. Das meiste Wasser kam demnach erst auf unseren Planeten, als dieser sich schon fast komplett gebildet hatte.

Erdmantelgesteine heute und damals

"Wir konnten die zeitliche Frage jetzt genauer eingrenzen", sagt Mario Fischer-Gödde von der Universität zu Köln, Erstautor der im Fachblatt "Nature" präsentierten Studie. "Dafür haben wir die Zusammensetzung der ältesten, rund 3,8 Milliarden Jahre alten Erdmantelgesteine mit der Zusammensetzung der Asteroiden, aus denen er entstanden ist, und mit der Zusammensetzung des heutigen Erdmantels verglichen."

Um den zeitlichen Prozess nachvollziehbar zu machen, bestimmten die Forscher die Isotopenhäufigkeiten des im archaischen Erdmantel enthaltenen, sehr seltenen Platinmetalls Ruthenium. Ruthenium eignete sich deshalb als Referenz, weil das seltene Platinmetall wie ein Fingerabdruck einen geeigneten Indikator für die späte Wachstumsphase der Erde darstellt.

Spuren von seltenen Platinmetallen

"Platinmetalle wie Ruthenium haben eine extrem hohe Tendenz, sich mit Eisen zu verbinden. Bei der Bildung der Erde muss Ruthenium daher vollständig in den metallischen Erdkern abgeführt worden sein", sagt Fischer-Gödde. "Wenn wir im Erdmantel noch Spuren der seltenen Platinmetalle finden, zeigt das, dass sie dem Erdmantel erst nach Abschluss der Kernbildung zugeführt wurden – also durch spätere Kollisionen der Erde mit Asteroiden oder kleineren Planetesimalen", ergänzt Koautor Carsten Münker.

Diese mit den Kollisionen hinzugefügten sehr späten Bausteine der Erde bezeichnen die Wissenschafter als "Late Veneer". Wurde Ruthenium in dieser Phase zugeführt, so liegt es verteilt und gut vermischt im heutigen Erdmantel vor. Der alte archaische Erdmantel weist dagegen noch nahezu die Ursprungszusammensetzung auf, wie etwa an den Probenahmestellen des Forschungsteams in Grönland. "Die bis zu 3,8 Milliarden Jahre alten Gesteine aus Grönland sind die ältesten erhaltenen Mantelgesteine. Sie erlauben uns, wie durch ein Fenster in die Frühgeschichte der Erde zu sehen", sagt Fischer-Gödde. Der älteste Erdmantel liegt im Südwesten Grönlands offen an der Oberfläche, sodass dort Gestein direkt entnommen werden konnte.

Aus dem inneren des Sonnensystems

Das hier untersuchte Ruthenium stamme höchstwahrscheinlich aus dem inneren Teil des Sonnensystems, berichten die beiden Geologen. Es sei vermutlich dasselbe Material, aus dem Merkur und Venus überwiegend gebildet wurden. Die Ruthenium-Vergleichswerte der Asteroiden stammten von auf der Erde gefundenen Meteoriten. "Unsere neuen Ergebnisse legen insbesondere nahe, dass Wasser und andere flüchtige Elemente wie Kohlenstoff und Stickstoff in der Tat erst sehr spät mit der Phase des ‚Late Veneer‘ auf die Erde gelangt sind", so das Fazit von Fischer-Gödde. (red, 12.3.2020)