Dünnschliff einer Gesteinsprobe aus der der unteren ozeanischen Kruste. In dieser lebensfeindlichen Zone haben Mikroorganismen vielfältige Überlebensstrategien entwickelt.

Foto: WHOI/Frieder Klein

Bremen – Leben kommt auf unserem Planeten praktisch überall vor. Extremophile Mikroorganismen werden in den kältesten Regionen der Antarktis ebenso gefunden, wie in kochend heißen Quellen und säurehaltigen Abwässern von Minenschächten. Selbst auf der lebensfeindlichen Oberfläche des Mars könnten irdische Bakterien ihr Auslangen finden, haben russische Forscher vor drei Jahren nachgewiesen. Kein Wunder also, dass sich Mikroben auch Tausende Meter unter dem Meeresboden in der unteren ozeanischen Kruste eingenistet haben. Welche Überlebensmechanismen diese Lebewesen entwickelt haben, untersuchte nun ein internationales Team unter Federführung der Woods Hole Oceanographic Institution (WHOI).

Für die im Fachjournal "Nature" veröffentlichte Studie haben die Wissenschafter Boten-Ribonukleinsäure (Boten-RNA) analysiert. Sie ist dafür verantwortlich, Informationen zur Bildung von Proteinen in Zellen zu transportieren. Diese Analyse wurde mit Messungen von Enzymaktivitäten, Mikroskopie, Kulturen und Biomarker-Analysen gekoppelt. Das Ergebnis dieser kombinierten Untersuchungen zeigt, dass es eine vielfältige Gemeinschaft von Mikroben gibt, die als Konsumenten in der Nahrungskette agieren und so Kohlenstoff und Energie erhalten.

Material aus der Oberwelt

"Organismen, die weit unter dem Meeresboden leben, leben in einer lebensfeindlichen Umgebung", sagt Vivian Mara, WHOI-Biochemikerin und eine der Hauptautorinnen des Artikels. Knappe Ressourcen finden ihren Weg in den Meeresboden durch Meerwasser und unterirdische Flüssigkeiten, die durch Risse im Gestein zirkulieren und anorganische und organische Verbindungen mit sich führen. "Um das spärliche Leben in diesen Steinen nachzuweisen, müssen wir auf modernste Spurenanalytik zurückgreifen", erklärt Florence Schubotz, organische Geochemikerin am MARUM – Zentrum für marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen.

Um zu sehen, welche Arten von Mikroben in diesen Extremen leben und was sie tun, um zu überleben, sammelten die Forscher während drei Monaten an Bord der Expedition 360 im Rahmen des International Ocean Discovery Program (IODP) Gesteinsproben aus der unteren ozeanischen Kruste. Das Forschungsschiff reiste zu einem Unterwasser-Rücken namens Atlantis Bank, der den südlichen Indischen Ozean durchquert. Dort legt die tektonische Aktivität die untere ozeanische Kruste am Meeresboden frei und bietet einen bequemen Zugang zu einem sonst weitgehend unzugänglichen Gebiet.

Eine Geschichte von Überlebenskünstlern

Das Team durchkämmte die Felsen nach genetischem Material und anderen organischen Molekülen, zählten Zellen und züchteten Proben im Labor, um bei der Suche nach Leben zu helfen. "In Kombination erzählen die Daten eine Geschichte von Überlebenskünstlern, die es schaffen, unter unwirtlichen Bedingungen jede spärlich vorhandene Ressource zu nutzen und einzulagern", sagt Virginia Edgcomb, Mikrobiologin am WHOI, leitende Forscherin des Projekts. "Die Ergebnisse waren überraschend, da wir damit gerechnet haben, dass in diesen kohlenstoffarmen Gebieten ursprünglichere Stoffwechselwege vorherrschen, die einfache Kohlenstoffverbindungen nutzen", ergänzt Schubotz. Das ist zum Beispiel an anderen extremen Standorten wie heißen Quellen der Fall.

Die Studie belegt die vielfältigen Überlebensstrategien von Mikroorganismen im Ozeanboden. Einige Mikroben scheinen zum Beispiel Kohlenstoff in ihren Zellen zu speichern, so dass sie sich für Zeiten des Mangels bevorraten konnten. Andere verarbeiten etwa Stickstoff und Schwefel, um Energie zu gewinnen, und scheinen dabei Vitamin E und B12 zu produzieren, Aminosäuren zu recyceln und Kohlenstoff aus schwer abbaubaren Verbindungen, den so genannten polyaromatischen Kohlenwasserstoffen, verwerten zu können.

Diese neuen Einblicke in das Leben in unwirtlichen Gebieten der Erde ließen offen, wie diese mit anderen Stoffkreisläufen in den Ozeanen verknüpft sind, sagt Schubotz. "Wenn man bedenkt, wie groß das Volumen der ozeanischen Kruste ist, können selbst niedrige Zellzahlen und langsame Stoffwechselraten einen Beitrag zu globalen Prozessen leisten." (red, 17.3.2020)