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Ende Jänner gingen in Algier viele Menschen gegen die Regierung auf die Straßen.

Foto: Reuters/Ramzi Boudina

Algeriens Staatsführung hat der Covid-19-Pandemie den Kampf angesagt – allerdings nicht ganz uneigennützig. Seit Wochenbeginn treibt sie deutlich offensiver als zuvor Präventivmaßnahmen voran, um der Verbreitung des Virus vorzubeugen. Der Staat werde alle "notwendigen Mittel" mobilisieren, um Corona die Stirn zu bieten, erklärte Gesundheitsminister Abderrahmane Benbouzid. Die Fluggesellschaft Air Algérie habe Verbindungen in besonders betroffene Länder ausgesetzt oder reduziert, zwei Millionen Atemschutzmasken lägen bereit, und staatliche Krankenhäuser seien in Alarmbereitschaft versetzt, sagte er.

Eine weitere sinnvolle Präventivmaßnahme dürfte der Regierung aber auch aus innenpolitischen Gründen gelegen kommen und droht von dieser politisch instrumentalisiert zu werden. Denn Staatspräsident Abdelmajid Tebboune habe nach Aussage Benbouzids "Instruktionen erteilt, sämtliche kulturellen, wirtschaftlichen, politischen und sportlichen Zusammenkünfte und Versammlungen" im Land auszusetzen. Dass dies ausschließlich als präventive Maßnahme zu verstehen ist, darf bezweifelt werden. Schließlich ist ein Adressat des Verbots politischer Versammlungen auch Algeriens weiterhin allwöchentlich mobilisierende Protestbewegung.

Viele Proteste seit Februar

Diese zieht seit mehr als einem Jahr gegen die autoritäre Staatsführung auf die Straße und fordert einen echten politischen Wandel und den Rücktritt führender Regimevertreter. Nach der Präsidentschaftswahl im Dezember waren die Proteste deutlich abgeebbt, doch seit Februar zeigt die Bewegung, dass sie weiterhin zu mobilisieren vermag. Die Regierung hat sich mit dem Versammlungsverbot selbst eine Steilvorlage gegeben, um der Bewegung vorzuwerfen, der Verbreitung von Corona Vorschub zu leisten. Seitens der Staatsführung ist derweil aber weiterhin keine echte Kompromissbereitschaft erkennbar.

Vielmehr ließ sie zuletzt erneut die Muskeln spielen. Bei Protesten in Algier am Samstag prügelten Sicherheitskräfte in einer bisher beispiellosen Brutalität auf Demonstranten ein und verletzten dabei dutzende. Mehrere Journalisten wurden verhaftet. Am Mittwoch verurteilte ein Gericht in Algier den seit September inhaftierten Oppositionsführer Karim Tabbou zu einem Jahr Gefängnis.

Die Pandemie ist für die Regierung dennoch ein Drahtseilakt. Eine weitere Verbreitung des Virus ließe sich zwar politisch gegen die Protestbewegung einsetzen, dürfte den Behörden angesichts des miserablen Zustands des öffentlichen Gesundheitssystems jedoch auch massive Kritik einbringen – was die Wut in der Bevölkerung über das Krisenmanagement der Regierung abermals anheizen würde. Bisher hält sich die Verbreitung von Corona-Fällen in Algerien jedoch in Grenzen. Zuletzt bestätigten die Behörden zwar den ersten Todesfall sowie fünf Neuerkrankungen. Mit insgesamt 24 bestätigten Fällen sind die Zahlen bisher aber überschaubar. (Sofian Philip Naceur, 13.3.2020)