Beim sogenannten Bestellerprinzip kommt es vor allem darauf an, wie es umgesetzt wird.

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Immobilienmaklern könnte bald ein massiver Eingriff in ihr Geschäft blühen: Die türkis-grüne Regierung will bei den Provisionen das Bestellerprinzip einführen. Genaueres ist noch nicht bekannt, im Regierungsprogramm heißt es dazu bloß: "Wie für gewöhnlich bei Dienstleistungen üblich, sollen die Kosten der Maklerin bzw. des Maklers bei Vermittlung von Mietwohnungen von demjenigen übernommen werden, der den Auftrag gegeben hat."

Vorbild dafür ist Deutschland, wo 2015 das Bestellerprinzip eingeführt wurde – in seiner schärfsten Variante. Deutsche Makler dürfen seither von Mietern nur noch dann eine Provision verlangen, wenn sie sich in deren Auftrag auf Objektsuche begeben haben und das später angebotene Mietobjekt tatsächlich erst im Zuge dieser Suche, also nach der Kontaktaufnahme des Interessenten, "gefunden" wurde.

Geringeres Angebot in Deutschland

Christian Osthus, Vizepräsident des IVD, erklärt, wie das Bestellerprinzip den deutschen Markt verändert hat. "Rund 30 Prozent aller Mietwohnungen werden heute gar nicht mehr über Makler angeboten, sondern über Online-Foren, im Bekanntenkreis des ausziehenden Mieters oder über andere Kanäle." Sehr viele deutsche Mieter müssen nun also zwar keine Provision mehr zahlen, haben aber auch eine wesentlich geringere Auswahl an Mietwohnungen.

Viele deutsche Makler haben das Mietgeschäft deshalb ganz aufgegeben. Das war allerdings laut einer Erhebung des deutschen Statistischen Bundesamts aus dem Vorjahr nicht unbedingt zu ihrem Nachteil. Trotz Bestellerprinzips hätten die deutschen Makler seit 2014 jedes Jahr mehr Umsatz gemacht als im Vorjahr. Und zwar wegen der stark gestiegenen Kaufpreise. Damit machten sie Einnahmenausfälle beim Mietgeschäft locker wett. Auch das Geschäft mit der Hausverwaltung läuft sehr gut.

Auf die Suche nach Mietwohnungen im Auftrag von Mietinteressenten habe sich aber kaum ein deutscher Makler spezialisiert, sagt Osthus. Grund ist die strenge Auslegung des Bestellerprinzips, das er auch "Ausschließlichkeitsprinzip" nennt. Der Makler muss vom Wohnungseigentümer die Erlaubnis einholen, dass er die Wohnung vermitteln darf. Nimmt der Wohnungssuchende, in dessen Auftrag er die Wohnung suchte, diese dann aber nicht, dann ist sie für den Makler "verbrannt", wie Osthus das nennt. Einem anderen Mietinteressenten darf sie nicht mehr provisionspflichtig angeboten werden. Der deutsche Maklervertreter hält das deutsche Bestellerprinzip deshalb für nicht empfehlenswert. "Es ist bestimmt nichts für den Export nach Österreich."

SPÖ will "Erstauftraggeberprinzip" und ...

Zumindest die SPÖ hätte aber gerne fast genau das gleiche System auch in Österreich. Bautensprecherin Ruth Becher nennt es in ihrem parlamentarischen Antrag nur ein wenig anders, nämlich "Erstanbieter-" oder "Erstauftraggeberprinzip". Wie (theoretisch) in Deutschland sollen Mieter weiterhin Provision zahlen, wenn sie von sich aus einen Makler kontaktieren und dieser dann für sie aktiv nach Wohnungen sucht.

Rechtlich einwandfrei zu definieren, wann der Vermieter der Auftraggeber ist, und wann der Wohnungssuchende, wird wohl nicht so leicht. Es kommt auf Details an, will man Umgehungsversuche – wie sie in Deutschland anfangs zahlreich vorkamen – von vornherein unterbinden. Etwa: Muss es einen schriftlichen Vermittlungsauftrag geben, damit ein Vermieter als Auftraggeber gilt, oder reicht es schon, wenn ein Makler nur weiß, dass ein Vermieter eine Wohnung frei hat? Umgehungsversuche liegen da ansonsten recht nahe.

... die Doppelmaklerei abschaffen

Für Mieter ist aber eine andere Frage wohl noch wichtiger. Der SPÖ-Antrag richtet sich explizit "gegen die Doppelmaklerei", wie Becher dem STANDARD sagt, also gegen die gesetzlich definierte Eigenschaft eines Immobilienmaklers als für beide Seiten tätiger Vermittler (woraus sich auch der beiderseitige Provisionsanspruch ergibt). Genau das, die Abschaffung der Doppelmaklertätigkeit, wollen führende Vertreter der Immobilienbranche aber verhindern. Auch deshalb, weil sich Mieter sonst mit dem Bestellerprinzip "im rechtsfreien Raum" befinden würden, wenn Makler nur noch für ihren Auftraggeber (in den meisten Fällen also: den Vermieter) haften würden.

Das wurde auch in einer Stellungnahme des Justizministeriums in der parlamentarischen Behandlung einer Bürgerinitiative pro Bestellerprinzip im Jahr 2017 befürchtet. "Wäre es dem Makler gesetzlich untersagt, vom Wohnungssuchenden (zukünftigen Mieter) ein Entgelt für seine Tätigkeit zu fordern, wäre er auch nicht dazu bereit, mit diesem einen Maklervertrag zu schließen. In der Folge wäre er sohin allein für den Vermieter tätig und hätte dann auch nur die Interessen des Vermieters zu vertreten", hieß es darin. Dagegen sei ein Doppelmakler grundsätzlich beiden Parteien des Geschäftes gegenüber "zu einer redlichen und sorgfältigen Interessenwahrung verpflichtet" – inklusive einer daraus resultierenden Haftung gegenüber dem Mieter.

Becher, Vorsitzende des parlamentarischen Bautenausschusses, will in erster Linie "Wohnungssuchende, die ohnehin schon mit hohen Wohnungseinstiegskosten konfrontiert sind, finanziell entlasten". Insbesondere jetzt, in Zeiten von Corona. Dass sich Makler dann nicht mehr um die Mieter kümmern, glaubt sie nicht. "Sie müssen ja trotzdem korrekt arbeiten", und außerdem gebe es zahlreiche Anlaufstellen für Mieter, wie etwa die Arbeiterkammer.

Abgeberprovision ist schwer durchzusetzen

Die Entlastung der Mieter war auch 2010 schon der Hauptgrund für die Reduktion der mieterseitigen Maklerprovision. Unter Rot-Schwarz wurde sie damals von drei auf maximal zwei Bruttomonatsmieten herabgesetzt (in besonderen Fällen ist seither auch nur eine oder eine halbe erlaubt). Abgeberseitig änderte sich nichts; vom Vermieter dürfen Makler nach wie vor bis zu drei Bruttomonatsmieten verlangen.

Das Hauptproblem für die Makler ist allerdings damals wie heute, dass Letzteres schwer am Markt durchzusetzen ist. "Wenn ein Makler sagt, er verlangt vom Abgeber eine Provision, dann geht der Abgeber eben zum nächsten", klagt ein Makler sein Leid. "Es gibt keine Einigkeit in der Branche." Vermieter können sich ihrer Provisionszahlungspflicht allzu leicht entledigen, wenn sie das wollen. Um die Abgeberprovision endlich durchsetzen zu können, sind deshalb gar nicht so wenige Makler durchaus Fans des Bestellerprinzips.

Kommt das "Ablöse-Unwesen" wieder?

Beim Makler-Netzwerk Remax hat man sich schon 2010 diesbezüglich etwas überlegt. Man führte das "FairMietWohnService" ein, das zum Ziel hatte, wenigstens eine Bruttomonatsmiete auch vom Vermieter zu lukrieren. Das habe man im Schnitt über alle Wohnungen auch geschafft, sagt Remax-Österreich-Chef Bernhard Reikersdorfer heute. Unter anderem mit diversen Paket-Angeboten für Vermieter.

Durch ein Besteller- oder Auftraggeberprinzip erwartet Reikersdorfer grundsätzlich keine Entlastung für die Mieter. Jedenfalls nicht auf Dauer – das könne die Abschaffung einer Einmalzahlung am Beginn des Mietvertrags schlicht nicht leisten.

Mit dem Bestellerprinzip könnte aber auch das "Ablöse-Unwesen" der 1980er-Jahre wieder um sich greifen, befürchtet er. In Deutschland schlagen nun nämlich viele wegziehende Mieter ihren Vermietern einen Nachmieter vor und können dann auch höhere Ablösen fordern. Dass das ein Problem ist, bestätigt auch Wibke Werner vom Berliner Mieterverein. Es sei aber alles auch ein Auswuchs des generell sehr angespannten Wohnungsmarkts, sagt sie im Gespräch mit dem STANDARD. "Jemand zieht aus, der Vermieter hat keine Lust auf 500 Bewerber – also darf sich der Mieter selbst den Nachmieter suchen."

Deutsches Bestellerprinzip wird evaluiert

Das deutsche Bestellerprinzip wird demnächst – fünf Jahre nach der Einführung im Sommer 2015 – evaluiert werden, sagt IVD-Mann Osthus. Wie das ausgehen wird, kann er sich schon denken. "Man wird feststellen, dass das Ziel erreicht wurde. Und das lautete eben, dass Mieter keine Provision mehr zahlen müssen." Die Kosten für den Makler haben viele deutsche Vermieter allerdings in den Mieten eingepreist. In Österreich wäre das zumindest im nicht preisregulierten Neubau ebenfalls möglich, im beliebten Altbausegment aber nicht.

Reikersdorfer beobachtet, dass schon jetzt auch in Österreich manche Makler vom Mietgeschäft die Finger lassen. Er selbst hält das allerdings für zu kurz gedacht. "Ein Mieter, dem ich eine Mietwohnung vermittle, kauft mir vielleicht später irgendwann eine Eigentumswohnung ab."

Apropos: Auch bei Kaufgeschäften plant die deutsche Regierung ein Experiment, die sogenannte Provisionsteilung. Makler dürfen vom Käufer bald nur noch so viel verlangen wie vom Verkäufer. Für die Makler wird das laut Osthus die nächste Herausforderung. "Aber immerhin kann das Doppelmaklerprinzip hier weiterbestehen." (Martin Putschögl, 12.5.2020)