Der Sarg eines der bei einem Einsatz gegen den IS im Nordirak gefallenen US-Marines wird mit militärischen Ehren in den USA empfangen.

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Ein ähnlicher Vorfall Ende Dezember des Vorjahrs hatte zu einer Eskalation geführt, an deren Ende am 8. Jänner der Abschuss einer ukrainischen Passagiermaschine in Teheran mit 176 Toten stand: Am Mittwochabend wurde die von der Anti-IS-Koalition mitbenützte irakische Militärbasis Taji, nördlich von Bagdad, mit Raketen angegriffen; dabei wurden zwei Amerikaner und eine britische Sanitäterin getötet.

Die USA starteten daraufhin in der Nacht auf Freitag einen massiven Angriff auf mehrere Lager schiitischer Milizen, darunter eines bei Babylon. Bei einem der US-Luftangriffe wurden nach Angaben der irakischen Armee mindestens fünf irakische Sicherheitskräfte und ein Zivilist getötet. Zwölf Menschen wurden verletzt, darunter ein Zivilist. Der irakische Präsident Barham Salih verurteilte am Freitag die US-Angriffe.

Angriff auf Anti-IS-Basis

Von 30 von einem Lastwagen aus abgeschossenen Katjuschas waren am Mittwochabend 18 im von unterschiedlichen Nationen benützten Militärcamp Taji gelandet. Als Täter wurde sofort eine Iran-freundliche irakische schiitische Miliz vermutet, offenbar passten die Koordinaten des Angriffs nicht zum "Islamischen Staat", der dafür auch infrage gekommen wäre. Es war eine schwarze Woche für die US-Armee im Irak: Am Sonntag starben zwei US-Marines bei Makhmur im Norden des Landes bei einem Einsatz gegen den IS.

Ziemlich zeitgleich mit dem Angriff auf Taji wurden bereits auf der syrischen Seite der irakisch-syrischen Grenze bei Abu Kamal wieder Lager der irakischen Schiitenmiliz Kataeb Hizbollah bombardiert. Die Lage hatte sich in den vergangenen Wochen aufgeschaukelt, es gab mehrere "kleinere" Raketenangriffe auf US-Truppen im Irak. Auch Katjuschas sind ja eine mindere Kategorie von Raketen, diesmal jedoch mit großer Wirkung. Neben den drei Toten gibt es mindestens ein Dutzend Verletzte. Dieser Angriff werde "nicht toleriert" werden, twitterte US-Außenminister Mike Pompeo. Auch der irakische Präsident verurteilte ihn. Der Sprecher des iranischen Außenministeriums sagte am Freitag, US-Präsident Donald Trump sollte alle Angriffe auf US-Streitkräfte und alliierte Streitkräfte im Irak auf ihre "Präsenz und ihr Verhalten" zurückführen.

So könnte der Irak erneut zum Schauplatz einer US-iranischen Auseinandersetzung werden: Die Aktionen der Iran-freundlichen irakischen Milizen gelten als von Teheran gesteuert. Nach dem irrtümlichen Abschuss von Flug 752 und der Empörung auch innerhalb des Iran darüber, dass die Behörden ihn zu vertuschen versucht hatten, bestand jedoch die Hoffnung, dass der tödliche Schaukampf zwischen den USA und dem Iran auf irakischem Boden angehalten wird.

Der Weg zur Eskalation

Begonnen hatte die Eskalation damals mit dem Tod eines US-Subunternehmers bei einem Milizenangriff auf eine irakische Militärbasis, es folgten US-Militärschläge auf Kataeb-Hisbollah-Camps mit mindestens zwei Dutzend Toten. Am 31. Dezember begannen irakische Milizenmitglieder die Belagerung der US-Botschaft in Bagdad, am 3. Jänner töteten die USA mit einem gezielten Drohnenangriff am Flughafen Bagdad unter anderen den iranischen General Ghassem Soleimani und den irakischen Milizenchef Abu Mahdi al-Muhandis.

Der Vergeltungsschlag der Iraner mit 16 Cruise-Missiles traf zwei von den USA benützte Militärbasen im Irak – erst Tage danach wurde bekannt, dass dabei dutzende US-Soldaten Hirntraumata erlitten hatten. Stunden nach diesem Angriff schossen die Iraner eine vom Flughafen Teheran startende Passagiermaschine ab, weil sie einen US-Gegenschlag befürchteten.

Das irakische Parlament beziehungsweise der schiitische Teil der Abgeordneten forderte daraufhin ihre Regierung auf, die US-geführte Anti-IS-Koalition aus dem Land zu werfen. Dennoch nahmen irakische Armee und Koalition kurz danach ihre gemeinsamen Einsätze gegen den IS, der aus dem Untergrund weiteragiert, wieder auf. Die USA haben etwa 5200 Soldaten im Irak. Derzeit ist die Aufrüstung der Verteidigung der Militärbasen durch die Stationierung von Patriot-Systemen im Gange. Gegen kleine Raketen wie Katjuschas wären sie allerdings unwirksam.

Der IS im Irak, der zwar territorial, aber nicht als Terrororganisation besiegt wurde, war zweifellos der größte Profiteur der US-iranischen Auseinandersetzung im Jänner. Er gewinnt wieder an Schlagkraft.

Politisches Vakuum

Dazu kommt eine ausweglos erscheinende Regierungskrise: Nach im Oktober ausgebrochenen Massenprotesten gegen das Behördenversagen auf allen Ebenen trat Premier Adel Abdel Mahdi zurück. Erst am 1. Februar designierte Präsident Barham Saleh einen neuen Premier, Mohammed Tawfiq Allawi, der jedoch mit der Regierungsbildung im Parlament scheiterte. Die irakische Protestbewegung hatte ihn ohnehin abgelehnt. Aber niemand weiß nun, wie es weitergehen soll.

Die Demonstrationen sind zuletzt etwas abgeflaut – wohl auch wegen des Ausbruchs von Covid-19 auch im Irak–, aber nicht völlig zusammengebrochen. Der Iran ist das vom neuartigen Coronavirus betroffenste Land, wobei die gemeldeten hohen Zahlen von mittlerweile über 10.000 Infizierten und über 400 Toten als zu niedrig angezweifelt werden. Das gilt auch für die offiziell 71 Infizierten und acht Toten im Irak. (Gudrun Harrer, 12.3.2020)