Donald Trump in seiner Lieblingsdisziplin, beim Schwingen von Superlativen: "Gegen uns wird das Virus keine Chance haben. Keine andere Nation ist so gut vorbereitet und so widerstandsfähig wie wir."

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Donald Trump hat eine Weile gebraucht, bis er den Ernst der Lage begriff – dann aber ging es auf der Eskalationsleiter rasend schnell nach oben. Noch am Montag verglich er das Coronavirus beschwichtigend mit der normalen Grippe, "nichts wird geschlossen, Leben und Wirtschaft gehen weiter". Am Dienstag verbreitete er den Tweet eines Fans namens Charlie Kirk, in dem vom "China-Virus" die Rede war: "Mehr denn je brauchen wir jetzt die Mauer." Am Mittwochabend legte der Präsident den Schalter endgültig um – von abwinkender Gelassenheit zu drakonischen Restriktionen: Bürger aus dem europäischen Schengenraum dürfen ab Freitag, Schlag Mitternacht, vorläufig nicht mehr in die Vereinigten Staaten einreisen.

Covid-19 erklärt.
DER STANDARD

Corona, sagte Trump in Anlehnung an besagten Charlie Kirk, sei ein "ausländisches Virus". Damit war der nationalistische Grundton gesetzt. Was folgte, war eine Mischung aus Schuldzuweisungen, kühlem politischem Kalkül und unangebrachtem Selbstlob.

Erstens: die Schuldzuweisungen. Nach seinen Worten hat es die EU versäumt, sich die USA zum Vorbild zu nehmen und Flüge aus China frühzeitig einzuschränken. In der Folge hätten Reisende aus Europa große "Klumpen" des Virus in seinem Land "ausgesät". Das US-Reiseverbot, vorerst für dreißig Tage in Kraft, soll nun helfen, die Lage unter Kontrolle zu bringen. Es gilt, präzisierte das Weiße Haus in einer Proklamation mit der Nummer 9.984, für 26 Staaten der Schengen-Zone. Ausgenommen sind aus Europa zurückkehrende Amerikaner, Besitzer einer Greencard und Diplomaten.

Zweitens: das politische Kalkül. Großbritannien, regiert vom Trump-freundlichen Premier Boris Johnson, fällt nicht unter den Bann. Mit medizinischer Logik ist das nicht zu erklären, auch das Inselreich hat es getroffen. Dass mit Irland, Bulgarien, Kroatien, Rumänien und Zypern auch EU-Mitglieder ausgenommen sind, da sie dem Schengen-Raum nicht angehören, ist wohl eher Kosmetik, um den Vorwurf der Sonderbeziehung zu den Briten entkräften zu können.

Drittens: das Eigenlob. Amerika werde schnell und professionell handeln, es habe das beste Team der Welt. "Gegen uns wird das Virus keine Chance haben. Keine andere Nation ist so gut vorbereitet und so widerstandsfähig wie wir."

"Selbstbeweihräucherung"

Es dauerte nicht lange, da ließ die Opposition wissen, dass sie diese Selbstbeweihräucherung ablehne: Trump wäre besser beraten, seine Hausaufgaben zu erledigen, statt im Ausland nach Sündenböcken zu suchen. Am besten schütze man die Menschen, indem man sich darauf konzentriere, daheim die Ausbreitung des Virus zu bekämpfen, schrieben Nancy Pelosi und Chuck Schumer, die führenden Demokraten in Repräsentantenhaus und Senat. Man sei alarmiert, weil der Präsident mit keinem Wort erklärt habe, was er gegen den akuten Mangel an Corona-Tests tun wolle.

Tatsächlich liegt es am Schlendrian, kombiniert mit Schwächen des US-Gesundheitssystems, dass nach Angaben der Seuchenschutzbehörde CDC bisher keine 6.000 Amerikaner getestet wurden – verglichen mit 10.000 Südkoreanern allein an einem Tag. Zwar gibt es keine öffentlich zugängliche Statistik über die Zahl der Tests in Privatlaboren, aber dass es insgesamt viel zu wenige sind, darin sind sich die Experten einig. Vollmundige Versprechen aus dem Kabinett tragen schon deshalb nicht zur Vertrauensbildung bei, weil sie auf Kriegsfuß mit der Realität stehen.

Am 2. März hatte Vizepräsident Mike Pence eine Million zusätzliche Testmöglichkeiten bis zum 6. März angekündigt. Am 11. März räumte der Direktor der Gesundheitsbehörde CDC, Robert Redfield, ein, dass bis dahin lediglich 75.000 Testsets zur Verfügung gestellt worden seien. Zudem sind etwa 28 Millionen Amerikaner nicht krankenversichert, und auch Versicherte haben oft hohe Zuzahlungen zu leisten. Allein die Unsicherheit, wie viel ein Test kostet und wer ihn bezahlt, hält offenbar viele davon ab, einen Doktor aufzusuchen.

EU sehr verärgert

Verärgert reagierten EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und EU-Ratspräsident Charles Michel auf Trumps Ausritt: Das Reiseverbot sei "einseitig und ohne Konsultation getroffen" worden. Die Pandemie sei "eine weltweite Krise, die nicht auf einzelne Kontinente beschränkt ist". Gefragt sei "eher Zusammenarbeit als einseitige Handlungen".

Die AUA setzt ab Samstag bis auf Weiteres ihre Flüge in die USA weitgehend aus. Lediglich Chicago werde weiter angeflogen, teilte die Lufthansa-Tochter am Donnerstagabend mit. Die Flüge nach New York und Washington wurden gestrichen. Beide Städte blieben aber innerhalb des Lufthansa-Konzerns über Frankfurt, Zürich und Brüssel erreichbar. Von Flugstreichungen betroffene Passagiere werden umgebucht oder erhalten eine Erstattung ihres Ticketpreises, hieß es. (Frank Herrmann aus Washington, 12.3.2020)